Iss nachhaltig und rette die Welt!
Der Hunger ist besiegt. Ein Drittel der Gesundheitskosten ist eingespart. Es herrscht soziale Gerechtigkeit. Artenvielfalt und Weltklima sind gerettet. All das dank Nachhaltiger Ernährung.
Schön wär´s!
Die Realität sieht anders aus: Milliarden Menschen bevölkern die Erde, aber nur wenige leben in Wohlstand und bei guter Gesundheit. Es herrscht soziale Ungerechtigkeit. Und Artenvielfalt und Weltklima sind in Gefahr. Doch trotzdem erleben wir Deutschen uns oft als Gutmenschen, die nicht nur Weltmeister im Reisen sind, sondern auch bei Mülltrennung, Stromsparen und Umweltschutz weit vorne mitspielen.
Doch die Frage „Isst Deutschland nachhaltig?“ muss leider klar mit Nein beantwortet werden. Nur fünf Prozent aller in Deutschland eingekauften Nahrungsmittel tragen ein Biosiegel. Noch weit weniger achten Verbraucher auf fair gehandelte Lebensmittel. Ebenfalls ist Fakt, dass 79 Prozent der verbrauchten Energie eben nicht aus regenerierbaren Quellen stammen.
So kam der „Greendex“ der National Geographic Society zu dem Urteil, dieses Verhalten sei „ausbaufähig“ und verbannte Deutschland beim Ranking noch hinter Länder wie Indien, China und Brasilien. Selbst in Russland und Spanien verhalten sich die Menschen demnach nachhaltiger.
Dennoch geben 91 Prozent der Bevölkerung an, dass der Umweltschutz eine hohe Bedeutung für sie habe. Und vier von fünf Deutschen glauben an eine klare Mitschuld der Menschen am Klimawandel. Fraglich ist, ob auch allen bekannt ist, dass nicht Verkehr, Stand-by-Geräte, Glühlampen oder Heizen die Umwelt am stärksten belasten, sondern dass der größte Teil des Ökologischen Fußabdrucks durch die Ernährung geprägt wird. Täglich.
„Einmal Tonno, bitte!“
Fisch ist gesund und liegt im Trend. Doch leider bedenken nur wenige, dass der Konsum von überfischtem Meerestier zulasten der Natur geht. Thunfisch steht kurz vor dem Aussterben. Doch allein im Jahr 2010 landeten in Deutschland mehr als 128 Tausend Tonnen Thunfisch auf dem Teller. Auch drei der anderen fünf beliebtesten Fischsorten der Deutschen – Seelachs, Lachs und Pangasius – sind bedroht. Aber, welcher Fisch darf dann noch auf den Tisch?
Unbestreitbar dürfen Erwachsene bestimmen, was auf den Tisch kommt. Wenn sie denn können, denn die Mehrheit nimmt die Hauptmahlzeit außer Haus ein. Die Menüwahl ist allerdings selten durchdacht, sondern eher ausgelebtes Bauchgefühl. Und auch wenn die kreativen Menünamen auf den Speisekarten etwas anderes erzählen möchten, wird den meisten von uns im Alltag keine üppige Auswahl geboten.
Denn ob in der Mensa, im Schnellrestaurant oder in der Kantine: In den allermeisten Fällen landet industriell vorgefertigtes Convenience-Food auf dem Teller. Bestimmt durch das Budget, die Vorlieben des Küchenmeisters und die Absprache mit den Lieferanten bestimmen schlussendlich nicht die Gäste, sondern meist die Lebensmittelindustrie, ob Thunfisch oder Karpfen als Trendfood – oder Klassiker – im Magen landet. Satt machend und lecker sind beide, nachhaltig hingegen nur einer.
Gedankenloses Essverhalten bedroht nicht nur die Tiere und die Erben der Schweine – sondern auch die Esser. Auf der Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) über Nachhaltige Ernährung berichtete Professor Dr. Heiner Böing aus seiner Studie, dass sich bereits ab einer Menge von 60 Gramm rotem Fleisch das Risiko an Krebs, Herz-Kreislaufstörungen und Diabetes zu erkranken, stark erhöht. Zurzeit wird aber von den meisten Deutschen doppelt, wenn nicht gar vierfach so viel Fleisch verzehrt wie gesund wäre. Die empfohlene Grenze für Frauen liegt bei 300 Gramm pro Woche, für Männer bei 600 Gramm. Nicht pro Tag. Pro Woche.
Auch wenn jedes fünfte Kind ohne Frühstück im Klassenzimmersitzt, herrscht auf der nördlichen Halbkugel eindeutig Überversorgung – während im anderen Teil der Welt Mangelernährung ein großes Problem ist. Unser ins Wirtschaftssystem eingebetteter Überkonsum schlägt in der Dritten Welt eine Schneise der Zerstörung. Die letzte große Aktion von Foodwatch „Hände weg vom Acker, Mann“ verdeutlicht, wieso als Folge von Spekulationen mit Lebensmitteln fast eine Milliarde Menschen einen Weihnachtsbaum lieber aufessen würden, statt ihn zu schmücken.
Sie hungern. Und nicht nur die zurzeit oft beschimpften Banker sind verantwortlich für diesen Zustand – jeder Einzelne trägt in seiner Einkaufstüte ein Puzzlestück mit sich: immer billigere Produkte, die nur unter unfairen Bedingungen hergestellt werden können. Unser Beitrag zum Hunger in der Welt: unsere Schnäppchen – ihr Ruin.
Der Gesundheitsminister warnt:
Essen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu
Wäre es nicht sinnvoll, deutlichere Warnhinweise auf nicht-nachhaltige Nahrungsmittel zu schreiben? So wie auf Zigarettenschachteln vor dem Rauchen gewarnt wird? Stattdessen prangen bunte Gütesiegel auf vielen Verpackungen: Ampeln, CO2-Fußabdrücke, Biolabels, Fischereilabels bis hin zu Phantasiesiegeln. Eine einheitlich europäische Absprache steht in weiter Ferne, die Verbände sind untereinander zerstritten, die Verbraucherzentralen verzweifeln. Wer blickt da noch durch? Das schlimmste Durcheinander herrscht jedoch in der Luft und auf den Straßen.
Dem ambitionierten Käufer ist klar, dass auf einem Markt in Köln das Obst aus den Benelux-Staaten einen deutlich kürzeren Transportweg hat als „einheimische“ Früchte aus Hamburg oder Bayern. Und dass regionales und saisonales Einkaufen eine wichtige Regel bei der Nachhaltigen Ernährung spielt. Vollkommen irrsinnig für jeden klar denkenden Menschen ist die Tatsache, dass Deutschlands größter Exportschlager unter den Früchten die Banane ist.
Transportwahnsinn findet sich auch bei dem am meisten abgebauten Obst in unserem Land: dem Apfel. Eigentlich gäbe es genügend heimische Früchte für alle, doch ein Teil wird exportiert, damit der so entstandene Mangel wieder importiert werden kann. Oder muss. So wird gewinnbringend spekuliert und billiges Obst kreuz und quer durch die Nationen gekarrt. Solange die Folgeeffekte nicht in die Transportkosten eingerechnet werden, sind und bleiben die Klima-Ziele der Kyoto-Protokoll nur leere Worte.
Die unglaubliche Spitze des Irrsinns ist neuerdings in dem Film Taste the Waste von Valentin Thurn zu sehen. Er beweist: Knapp die Hälfte der Nahrung landet statt auf dem Teller direkt auf der Müllhalde. Sein Buch „Die Essensvernichter“ zeigt unvorstellbare Dimensionen unserer ignoranten Wegwerfgesellschaft. Dank der anhaltenden Diskussionen zu diesem Film können sich viele Konsumenten heute wenigstens ein besseres Bild über den momentanen Zustand der Lebensmittelbranche machen, ihre eigene Verschwendung überdenken und aus Fehlern lernen.
Es sind nicht weitere Verpackungsbeschriftungen gefragt, sondern der eigene Kopf. Nachhaltige Ernährung funktioniert eben nur mit dem bedachten Griff ins Regal und dem sinnvollen Umgang mit Nahrung. Mündige Verbraucher kaufen mit Sorgfalt ein, tragen selbst die Verantwortung und einen großen Fundus an Warenkunde mit sich.
Nur, wer verfügt denn tatsächlich über ein solches Wissen und vor allem: Wer bringt es einem bei? Allein auf dieser Basis können wir eine wirkliche Wertschätzung für unser Essen entwickeln und gleichzeitig unsere Bauch-Gefühle austricksen: mit Genuss. Denn in Maßen können auch gutes Fleisch, Hartkäse und sogar Seefisch genossen werden. Frei von Gewissensbissen, dogmatischen Verboten und Verzweiflung.
Visionen ohne Aktionen bleiben Illusionen
Obwohl das Wort Nachhaltigkeit längst in aller Munde ist, hat es keine Berge versetzt. Noch nicht. Denn nicht umsonst ist das Jahr 2012 zum Wissenschaftsjahr der Nachhaltigkeit ausgerufen worden. So scheint gesichert, dass auch in Zukunft in hohen wissenschaftlichen und politischen Gremien darüber diskutiert wird. Was aber nützen die besten Theorien, wenn der Praxisbezug fehlt?
Die Menschheit hat den Globus jahrtausendelang nach exotischen Lebensmitteln durchforstet. Jetzt ist die Zeit angebrochen, diese auch gerecht zu verteilen und so zu verwerten, dass auch zukünftige Generationen auf unserem Planeten glücklich existieren können. Dies ist in der Tat die vielleicht größte Herausforderung für die Menschheit. Es ist wichtig, was wir essen! Damit alle genug zu Essen haben.
Es sind viele kleine Schritte und jeder kann sie gehen. So trivial es erscheinen mag, etwa mit vergessenen alten Zutaten neue Rezepte zu entwickeln, oder vielleicht mal Bio-Gemüse im Abo auszuprobieren, mal einen Tag pro Woche ohne Fleisch zu testen – mit beschämend einfachen Mitteln kann jeder dazu beitragen, zentrale Probleme der Welt zu lösen. Jeden Tag, jede Mahlzeit aufs Neue. Nachhaltig schlemmen? Es gelingt. evidero hilft dabei.
Denn es wär ja wirklich schön:
Der Hunger ist besiegt. Ein Drittel der Gesundheitskosten ist eingespart. Es herrscht soziale Gerechtigkeit. Artenvielfalt und Weltklima sind gerettet. All das dank Nachhaltiger Ernährung.
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Iss nachhaltig und rette die Welt!