Fisch ist heutzutage kein Arme-Leute-Essen mehr. Er ist zwar noch für die meisten erschwinglich, aber mit welchen Folgen? Die Überfischung der Meere hat katastrophale Ausmaße erreicht. Welchen Fisch darf man eigentlich guten Gewissens noch essen?
„Wenn Hering so teuer wäre wie Hummer, gälte er in den höchsten Kreisen mit Sicherheit als Delikatesse.“
Otto von Bismarck, deutscher Reichskanzler und Namensgeber des Bismarckherings, 1815-1898
Fisch ist ein modernes und gesundes Lebensmittel – und eine Massenware. Allein in Deutschland kamen in 2010 laut Fisch-Informationszentrum e.V. insgesamt 1,28 Millionen Tonnen Fisch und Fischerei-Erzeugnisse auf den Tisch. Doch viele Fischarten gelten als „überfischt“.
Wie so oft, gilt es als verantwortungsbewusster Verbraucher eine Haltung beim Konsumverhalten zu entwickeln, damit der Markt sich ändert und die Fischbestände sich erholen können. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt inzwischen, statt zweimal nur noch einmal pro Woche Fisch zu essen. Aber welcher Fisch darf überhaupt noch auf den Tisch?
Zugegeben: Deutschland ist kein Fischland. Vielmehr stehen wir in Europa ziemlich weit hinten, wenn es um unseren Fischkonsum geht. Aber der Durchschnittsdeutsche isst laut Fischinformationszentrum (FIZ) mehr Fisch als früher – Tendenz steigend. 2010 verzehrte er 15,7 kg Fisch (Fanggewicht). Dabei sind die Hamburger Spitzenreiter beim Fischkauf. Die Wahl der Verbraucher fiel meist auf Fische aus dem Meer – und aus der Tiefkühltruhe. Davon sind 86 Prozent Importfisch.
Am meisten werden in Deutschland Alaska-Seelachs, gefolgt von Hering, Lachs, Thunfisch und Pangasius verspeist². Diese „Großen fünf“ decken rund zwei Drittel des Fischverbrauches ab. Aber drei von vier kommerziell genutzten Fischbeständen in der EU gelten laut World Wide Fund For Nature (WWF) bereits als „überfischt“.
„Alles ist aus dem Wasser entsprungen! Alles wird durch das Wasser erhalten! Ozean, gönn uns dein ewiges Walten.“
Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Dichter 1749-1832
Überfischung – was heißt das konkret?
„Überfischung“ bedeutet, dass einem Fischbestand mehr Tiere entnommen werden, als nachwachsen können (Stichwort: Babyfischfang). Laut Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) fallen von den 600 untersuchten einzelnen Fischpopulationen aktuell nur etwa 15 Prozent in die Kategorie “wenig oder gemäßigt genutzt”, etwa 53 Prozent gelten als “voll genutzt” und bereits 32 Prozent gelten als “überfischt”.
Welcher Fisch darf noch auf den Tisch?
Damit nicht jeder Verbraucher sich zum Fisch-Experten weiterbilden muss, haben einzelne Organisationen eigene Kennzeichnungen (s. Kasten) und Einkaufsführer entwickelt. Der WWF war eine der ersten Naturschutzorganisationen, die sich um ein einheitliches, internationales Label für nachhaltige Fischerei bemühte. Das gemeinsam mit Unilever entwickelte „Marine Stewardship Council“ (MSC)-Label kennzeichnet inzwischen in Deutschland 3.500 Produkte, weltweit sind es etwa 12.000. Zusätzlich hat der WWF einen Einkaufsführer entwickelt.
Farblich markiert wie ein Ampel-System gibt sie grünes Licht für eine „gute Wahl“, gelb für die „zweite Wahl“ und zeigt rot an, wenn dieser Fisch „besser nicht“ über die Fischtheke wandern sollte. Der WWF empfiehlt unter anderem Dorade, Lachs und Tilapia – wenn sie aus Bio-Zuchten stammen! Der aktuelle WWF-Ratgeber vom Dezember 2011 ist gratis als App für Android und I-Phone erhältlich.
Seit 2010 bietet der kompakte Greenpeace-Fischratgeber im Taschenformat nützliche Tipps für den Einkauf an. Die Liste gibt es auch als App. Sie teilt die Fischwelt in zwei Kategorien: zwischen „Grundsätzlich vertretbar“ und „Grundsätzlich nicht vertretbar“ und verweist im Kleingedruckten auf viele Ausnahmen.
Letztendlich dürfen laut der Greenpeace-Liste grundsätzlich vertretbar nur zwei Fische auf den Tisch: Karpfen und Regenbogenforelle. Dabei seien die Tiere aus Öko-Aquakultur zu empfehlen. Da ist es tragisch, dass ausgerechnet der weitverbreitete Karpfen den meisten als nicht schmackhaft gilt.
Auf welche Siegel bei Fisch sollte man achten?
Heute erzeugen anerkannt ökologische Aquakulturbetriebe bereits über 80.000 Tonnen Forellen, Saiblinge, Karpfen, Doraden, Wolfsbarsche, Adlerfische, Black Tiger Garnelen, Western White Garnelen und Muscheln. „Besonders aktiv bei der Öko-Aquakultur sind z.B. China, Vietnam, Ecuador und Irland – mit stark steigender Tendenz“, weiß Dr. Stefan Bergleiter von Naturland, das selbst auch Kennzeichnungen entwickelt hat.
„Gibst Du einem Menschen einen Fisch, so wird er einen Tag zu essen haben; gibst du ihm einen Korb voll, so wird er eine Woche satt sein. Lehrst du ihn aber das Fischen, dann wird er nie mehr hungrig sein.“
Altes chinesisches Sprichwort
Die Anzahl der Umwelt-Label für nachhaltige Fischerei nimmt ebenso zu wie die Anzahl der entsprechend zertifizierten Betriebe. Die Leitlinien für die Siegel „nachhaltige Fischerei“ wurden im Jahre 2005 von der Welternährungsorganisation FAO erlassen – es sind aber nur Mindestkriterien.
Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg schätzt die Situation für den Fisch als dramatisch ein. Sie arbeitet daran, dass Organisationen wie Greenpeace und WWF sich an einen Tisch setzen, um durch gemeinsame Empfehlungen Klarheit für die Verbraucher herzustellen. Die Ernährungsberaterin empfiehlt zur groben Orientierung gelabelte Produkte wie das MSC-Siegel, das ökologische Kriterien beleuchtet, sowie Naturland „Wildfisch“ und KRAV, die beide zusätzlich Sozialstandards sowie Richtlinien für die Verarbeitung, insbesondere den Einsatz von Konservierungsstoffen beachten.
Inzwischen initiierte der WWF Aquakultur-Dialoge, in denen Mindestanforderungen für einen Umweltstandard für zwölf Zuchtfischarten festgelegt werden. Der unabhängige Aquaculture Stewardship Council soll nach dem Vorbild des Marine Stewardship Council ein neues Umweltsiegel für Aquakultur vergeben.
Aber: Es bleibt dem Lizenzgeber überlassen, welche Kriterien er für die Zuchtbestände festlegt und die Futtermittelproblematik (Fischmehl oder genetisch verändertes Soja) wird meist ausgeklammert.
Gut informiert an der Fischtheke – und am besten regional
Bei all diesen Uneindeutigkeiten kann der Rat an den Verbraucher nur heißen: Betrachten Sie Fisch nicht als Massenware, sondern als eine Delikatesse. Achten Sie an der Fischtheke auf die Siegel und auf das Kleingedruckte: Wie lauten die Handelsbezeichnung, die Produktionsmethode und die Herkunft? Verfolgen Sie mit dem Tracking-Code auf der Verpackung online den Ursprung des Fisches zurück.
Auf der sicheren Seite sind sie laut Verbraucherschützerin Schwartau, wenn Sie regionale Bio-Produkte beim Fischhöker auf dem Öko-Wochenmarkt einkaufen und Fische aus regionalen Zuchtbetrieben beziehen. „In vielen Regionen Deutschlands werden Forellen, Saiblinge und Felchen aus Zuchtbetrieben angeboten, die wunderbar schmecken und auch der Karpfen kann mit der richtigen Rezept-Idee sicher eine Renaissance erleben.“