Kommunikation klappt nicht, wenn Ärger den Blick verstellt, sagt Fred Maro, evidero-Experte auf diesem Gebiet. Wie rote und grüne Chips helfen können uns besser zu verstehen, verrät er hier.
Der Kommunikations-Profi Fred Maro berät, coacht und lehrt seit über 20 Jahren in vielen Ländern der Welt einfache Methoden um erfolgversprechender zu kommunizieren. Er hat dazu eine Art „Emotionswährung“ entwickelt. Wir können Emotionen nicht sichtbar machen, aber wenn wir darüber reden, wäre es ja gut, wenn wir eine Maßeinheit hätten. Hier sind das die Roulette-Chips. Grün für Positives, was auf uns einströmt und einwirkt und rot für Negatives. Dabei ist es sehr individuell, was rot und was grün wahrgenommen wird. Um 6 Uhr früh aufzustehen kann für Sie toll sein, für mich aber nun gar nicht! Also bestimmt jeder selber, was für ihn rot oder grün ist.
Interessant ist, dass fast alle Menschen den subjektiven Eindruck haben, rote Chips kämen von allein. Grüne aber nicht. Zum Beispiel schlechtes Wetter, die Politesse, der blöde Chef, Krankheit oder was auch immer. Kommt alles von selber. Aber Grün kommt nicht genügend! Und deswegen haben so gut wie alle Menschen das permanente Bedürfnis nach grünen Chips. Das nennt man Motivation. Wenn Sie sich eine neue Bluse kaufen, dann geben sie das Geld dafür aus, weil sie hoffen, damit vernünftig auszusehen. Sie sind auf der Suche nach grünen Chips. Da gibt es Vieles: Von der Karriere angefangen bis hin zu: Jetzt gönne ich mir ein Eis. Das ist alles die Suche nach grünen Chips.
Was passiert denn, wenn der rote Stapel zu hoch wird?
Je höher die roten Chips sich auf meinem Konto stapeln, desto unreflektierter und blinder greife ich nach irgendwelchen grünen Chips. Das kann auf den Heiratsschwindler hinauslaufen, das kann Monica Lewinsky sein, das kann aber auch „10 Paar Schuhe auf einmal kaufen“ sein.
Wenn ich ein gewisses Maß an rot erreicht habe, dann bin ich nicht mehr handlungsfähig. Dann fange ich an, nur noch misstrauisch in die Gegend zu gucken, ob da nicht wieder ein roter kommt. Das sind unbewusste Vorgänge. Dann springe ich auf irgendwelche flapsigen, durchaus locker gemeinten Bemerkungen viel massiver an als ich es machen würde, wenn ich viel grün und wenig rot hätte und die Kommunikation klappt nicht mehr.
Wie stelle ich mein Konto denn auf grün um?
Zunächst muss jeder sich selbst die Fragen stellen: Warum werde ich falsch verstanden? Warum laufen meine Worte ins Leere? Warum versteht mich keiner?
Die meisten Menschen suchen nach Gesprächen, die plötzlich unerwartet schwierig geworden oder vielleicht gescheitert sind, die Schuld und die Ursache bei ihrem jeweiligen Gegenüber. Würden sie aber die Situation einigermaßen neutral analysieren, so würden sie feststellen, dass sie selbst an dem unguten Verlauf schuld sind und könnten dann auch Konsequenzen ziehen. Es ist ja so: Je höher der rote und je kleiner der grüne Stapel, desto aggressiver, egozentrischer und emotionaler wird kommuniziert. Jedes Wort wird als potenzieller Angriff gewertet und dementsprechend abgeblockt.
Deswegen ist es wichtig, sich im Vorfeld klar zu machen, wie der aktuelle rot-grüne Kontostand aussieht. Bei einem selbst und bei seinem Gegenüber. Sonst endet ein potenziell ziel-führendes Gespräch in einem sinnlosen Chip-Pingpong. Das geht ganz einfach, indem man sich selbst beobachtet: Wie reagiere ich, wenn sich am Morgen die Zahnpasta nicht aus der Tube drücken lässt? Wenn eine ältere Dame meinen Weg versperrt? Der Computer aus irgendwelchen Gründen drei Sekunden länger als üblich benötigt, um eine Bildschirmseite aufzubauen? Oder zwei Kollegen mal wieder ihre Köpfe zusammenstecken? Wer auf solche Situationen immer wieder aggressiv reagiert, anfängt zu lästern oder zu schimpfen, hat mit Sicherheit sehr viele rote Chips auf seinem Konto. Und muss herausfinden, wer oder was hinter seinem Ärger steckt.
Woran sieht man denn, ob ein anderer ein hochrotes Konto hat?
Erstmal ergibt sich das aus der Geschichte des Falls. Im Job weiß ich vielleicht, dass man ihm das Projekt abgelehnt hat, ich weiß vielleicht, dass er sowieso gerade Ärger Zuhause hat. Das habe ich durch eine Nebenbemerkung gehört und außerdem wurde der Urlaub abgelehnt und dieses Projekt wackelt jetzt auch noch. Und in dieser Situation muss ich gleich noch zu ihm hinlaufen und ihm erzählen, dass er das Geld dafür auch nicht bekommt…
Der 2. Faktor ist der Blick auf die Körpersprache — und das muss man etwas üben. Dazu gibt es Seminare und Schulungen. An der Art und Weise, wie man begrüßt wird, lässt sich sehr viel ablesen. Schon wenn jemand den Raum betritt und man diese Person begrüßt, kann man den ad hoc-Status ganz gut ablesen. Also es gibt zum einen die Historie, durch die ich weiß, jetzt geh ich dahin und das wird gleich kritisch, weil da ist das, das, das, das, das…. und es gibt den ad hoc-Zustand, durch den ich mir an der Art, wie sich jemand hinsetzt oder an der Art, wie jemand die Sachen auf den Tisch legt, ein sehr treffendes Bild machen kann.
Und wie gehe ich dann vor?
Mein Kollege Nikolaus B. Enkelmann hat einmal folgenden schönen Satz geschrieben: „Wenn du Menschen so behandelst, wie sie sind, machst du sie schlechter. Wenn du Menschen so behandelst, wie sie sein könnten, machst du sie besser.“
Wenn man sein Gegenüber kopiert, z.B. seine aggressive Art zu sprechen, seine Unarten oder sein schlechtes Benehmen, so sendet man keinerlei korrigierende Impulse. Das Gegenüber wird seinen Weg gehen, ohne nach rechts oder links zu blicken. Wenn man aber Menschen so behandelt, wie sie sein könnten, freundlich, höflich, weitsichtig und elegant und dementsprechende Impulse vorgibt, wird das Gegenüber unweigerlich folgen. Manchmal schon nach wenigen Minuten. Deswegen: Wählen Sie einen angenehmen Gesprächsort aus, verhalten Sie sich betont höflich, ignorieren Sie Angriffe und bleiben Sie auf Ihrer konstruktiv argumentierenden Linie.
Und dann sollten sie ihrem Gegenüber die Möglichkeit geben, die Lösung des Problems selbst zu finden. Der andere muss auf eine Lösung kommen, die sie längst kennen. Das gibt ihm ein besseres Gefühl, also nicht noch mehr rote Chips. Wenn ich möchte, dass sich jemand gegen seinen Willen bewegt, dann muss ich ihn überzeugen. Und überzeugen geht auf zwei Arten. Die eine ist, ich versuche ihn argumentativ zu beharken oder aber ich stelle ihm eine Situation so dar, dass er oder sie von sich aus darauf kommt, dass meine Lösung gut ist. Und das kann man lernen und üben. Dazu würde ich die Frageposition verwenden: Was würde passieren, wenn…? Was tun wir dann? … Und wenn das trifft, wenn das sauber formuliert ist, dann wird ihr Gegenüber automatisch sagen: Was machen wir jetzt? Das ist eigentlich eine typische Frauen-Tugend. Sie wird aber im Job komischerweise ganz selten angewandt.
Wie bekomme ich grüne Chips und wie schaffe ich es, sie auch zu behalten?
Egal, wie schwierig die Lebensumstände sein sollten. Man sollte sich wenigsten zweimal die Woche zwei bis drei Stunden freischaufeln, in denen man sich nur mit sich selbst beschäftigt oder mit seinem Hund und so wahrnimmt, dass es noch andere Dinge gibt außer Job, Kollegen und Familie. Der Körper und die Seele brauchen regelmäßige Auszeiten. Das können auch recht kleine Auszeiten sein. Hauptsache Sie beschäftigen sich mit sich selbst und tun etwas, was Ihnen gut tut. Das wäre ein Anfang.
Ein weiteres sehr gutes Mittel, um sein rotes Konto mit grünen Chips zu beleben, ist, von Zeit zu Zeit mal etwas ganz anderes, vielleicht sogar verrücktes zu tun, ohne sich darum zu kümmern, was andere davon halten. Das ist gar nicht so leicht. Die meisten Menschen haben Angst, ausgelacht zu werden und reagieren nur noch statt zu agieren. Aber auch so tue ich etwas nur für mich. Und das brauche ich, um mich wohlzufühlen.
Und wenn Sie es geschafft haben, sich eine entspannte Position zu verschaffen, müssen Sie vorsorgen um nicht wieder in Situationen zu geraten, die lauter rote Chips einbringen. Sie müssen auf die individuellen Kontostände Ihrer Gegenüber achten. Von jemandem, der vor lauter roten Chips auf seinem Konto kaum aufrecht laufen kann, können Sie kein konstruktiv geführtes Gespräch erwarten.
Möchten sie frühzeitig erkennen können, welche Reaktionen Ihres Gesprächspartners wahrscheinlich gleich auftreten, so genügt es erst einmal, die Sinne für die Signale zu schärfen, mit denen wir alle unseren Gemütszustand frühzeitig ankündigen. Wenn wir uns dann noch erinnern, welche Reaktionen in etwa welchem roten Kontostand entsprechen, können wir frühzeitig und gelassen gegensteuern.
Aufgezeichnet von: Nadja Gawrisewicz
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