In unserem geschäftigen Alltag ist von Stille meist wenig zu spüren. Stress, Hektik, Überforderung, und ein ständig kreisendes Gedankenkarussell sind die Folgen. Doch gerade die Stille hilft uns, wieder bei uns selbst anzukommen, klare Entscheidungen zu treffen und neue Kraft für den Alltag zu tanken. Erfahren lässt sie sich zum Beispiel während einer Auszeit.
Nie hätte ich gedacht, dass ich mal freiwillig spülen würde. Oder abtrocknen. Oder putzen. Doch jetzt stehe ich hier, nach einem gemütlichen Abendessen mit Freunden, und frage, ob ich denn bitte abspülen dürfte. Ungläubige Blicke treffen mich, die anderen sind sichtlich verwirrt, ja, wenn ich denn unbedingt wolle, heißt es zögerlich. Freudig mache ich mich an den Abwasch, während die Verwirrung der anderen noch greifbar im Raum steht.
Eine Auszeit am See
Dabei wollte ich vor ein paar Wochen doch eigentlich nur mal raus. Eine Auszeit nehmen, ein paar Tage wegfahren. Für mich klären, wie es beruflich weitergehen soll, welchen Weg ich einschlagen möchte. Da sich solche Fragen mitten im Alltag zwischen Telefon, E-Mails und Internet meist schlecht klären lassen, hatte ich nach einem Ort gesucht, weit abseits von all dem. Meine Wahl fiel auf das buddhistische Seminarzentrum Waldhaus in der Eifel. Schon die Anfahrt ein kleines Abenteuer: Mit dem Zug bis zum circa zehn Kilometer vom Waldhaus entfernten Bahnhof, dann erst mal ein paar Straßen weiter den richtigen Bus finden, ankündigen, dass ich an eben jenem Abzweig zum Zentrum aussteigen will, denn eine reguläre Haltestelle dort gibt es nicht. Dann weiter zu Fuß, über matschige Feldwege, rechts des Weges dichter Buchenwald, links Felder und Hecken. Solange immer weiter geradeaus, bis irgendwann neben dem Wald ein flaches Gebäude auftaucht. Von außen einfach nur weiß, recht unspektakulär. Ich bin angekommen.
Innen empfängt mich hingegen pure Wärme. Viel Holz, liebevoll gestaltete Mosaike und andere Details, Grünpflanzen und Licht, das durch ein Glasdach von oben in den großen Essens- und Aufenthaltsraum fällt. Hier werde ich also die nächste Woche verbringen, für freie Kost und Logis fünf Stunden am Tag mitarbeiten. Achtsames Arbeiten, auch das werde ich dabei lernen. Die Arbeit um ihrer selbst willen zu tun, freudig und ganz im Moment, statt in Gedanken schon wieder die To-Do-Liste für den restlichen Tag durchzugehen. Oder wie es im Buddhismus heißt: Wenn ich esse, esse ich. Wenn ich gehe, gehe ich. Wenn ich spüle, spüle ich.
Ganz im Hier und Jetzt
Soweit zumindest die Theorie. Als ich am ersten Tag lauter Duschen und Toiletten für die nachfolgende Seminargruppe schrubbe, überkommt mich aber erst einmal die Wut: „Das sollen also meditativ-achtsame Tage sein? Na toll, jetzt hocke ich hier und schrubbe Duschen!“ Mein Kopfkarussell läuft sich heiß, am Abend überlege ich, früher wieder heimzufahren.
Doch dann passiert fast unmerklich im Verlauf der nächsten Tage der Wandel. Auf einmal beginnt mir die Arbeit Spaß zu machen. Ja, es befriedigt mich richtiggehend zu sehen, wie der Boden sauber erstrahlt, nachdem ich ihn geputzt und gefegt habe. Und erst die sauberen Töpfe! Ich staune. Der vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh, dem sich das Waldhaus verbunden fühlt, hat einmal gesagt, dass er gar nicht verstehen könne, dass es Menschen gebe, die Abspülen nicht mögen würden. Sei es doch solch ein angenehmes Gefühl, die Hände in das warme Wasser zu tauchen und mit gleichmäßigen Bewegungen Teller und Töpfe zu säubern. Während der Arbeitszeit merke ich: Es stimmt. Es sind vor allem die Gedanken an die bevorstehende Arbeit, die in mir Ärger, Unmut oder Wut hervorrufen, selten aber die Arbeit selbst. Wenn ich ganz mit dem jeweiligen Augenblick und dem Tun verbunden bin, ist eigentlich alles in Ordnung. Mehr noch: Ich beginne diese einfache Arbeit, das Tun um des Tuns willen, zu genießen. Plötzlich entdecke ich eine Welt abseits von Leistung, Druck, Stress und dem allgegenwärtigen Hamsterrad. Und vielleicht damit auch eine Möglichkeit, wie ich meinen normalen Alltag anders gestalten kann – bewusster, präsenter, eine Aufgabe nach der anderen.
Angekommen – bei mir und im Moment
In den freien Zeiten gehe ich in den nahen Wald oder zum See, genieße die Stille und das einfach Seindürfen. Ebenso kann ich an Kursen im Haus teilnehmen, lerne ein wenig QiGong und meditiere. Vor allem aber nutze ich die Zeit, um einfach einmal nichts zu tun – wann geht das sonst schon einmal? Wirklich nichts zu tun, nicht einmal vorzutäuschen, ich sei gerade schwer beschäftigt oder lese zumindest ein Buch? Wie wohltuend! Und dann ist sie da – die Stille in mir. Solch ein weiter Raum, in dem ich endlich zur Ruhe komme. Mit der Stille kommen auch Klarheit und neue Ideen. Auf einmal kann ich die wichtigen Dinge in meinem Leben ganz leicht von den unwichtigen unterscheiden. Auf einmal weiß ich, wie der Weg weitergehen soll. Und dass, obwohl im sonst so geschäftigen Alltag alles ganz verworren und unlösbar zu sein schien.
Nun stehe ich also hier, in der Küche der Freunde, und spüle ab. Ich merke, wie sich eine tiefe Ruhe in mir ausbreitet. Ganz verankert mit dem jetzigen Moment weiß ich: Alles ist gut. Und die nächste Auszeit gönne ich mir ganz bestimmt.
Weitere Informationen:
Auszeit im Kloster: http://www.kloster-online.com/
Waldhaus am Laacher See: http://www.buddhismus-im-westen.de/
Europäisches Zentrum für Angewandten Buddhismus: http://eiab.eu/
Haus der Stille: http://www.hausderstille.org/
Windschnur: http://www.windschnur.de/
Benediktushof – Zentrum für spirituelle Wege: http://www.west-oestliche-weisheit.de/benediktushof.html