Zahlreiche Ratgeber und Grundlagenwerke beschreiben das Thema Achtsamkeit und Meditation. Da kann man als Einsteiger schon mal leicht den Überblick verlieren. Dabei ist Meditation eigentlich kein theoretisches sondern ein praktisches Thema. Es wird einfach getan, fertig. Die tägliche Praxis ist ihrem Wesen nach einfach, aber dennoch häufig schwer umzusetzen. Die meisten von uns kommen irgendwann an ihre persönlichen Grenzen. Daher sollte unser Bemühen zur Achtsamkeit und Meditation durch eine fundierte geistige Haltung getragen werden. Also doch etwas lesen? Ja, und zwar diese beiden kleinen feinen Bücher zu den Lehren von Zen Meister Shunryu Suzuki und Thich Nhat Hanh.
Es gibt Leute, die sagen, bei Achtsamkeit geht es nur um eines – Einatmen und Ausatmen. Sie haben recht. (Tich Nhat Hanh)
Zufriedenheit und Freude kann so einfach sein – In zehn Atemzügen zum Glück
Der von Tich Nath Hanh als Dharma Lehrer ordinierte Glen Schneider hat ein schönes praktisches Buch über die zentrale Lehre seines Meisters geschrieben: “Zehn Atemzüge zum Glück.” In seiner Essenz geht es um eine einfache Methode, positive Erfahrungen im Körper zu verankern und Glück zur täglichen Gewohnheit werden zu lassen. Dabei greift er auf die Lehre seines Meisters zurück und beschreibt einfach verständlich und praktisch nachvollziehbar die Methode der Zehn Atemzüge als Achtsamkeitspraxis für den Alltag.
Nach der Erläuterung der Methode geht es in den passenderweise zehn Kapiteln des schönen türkisblauen Buches um die Tiefe und Details dieser einfach scheinenden Atempraxis. Auch auf die typischen Hindernisse, die immer wieder auftauchen, und wie wir sie beseitigen können, geht Glen Schneider in ausreichender Kürze ein.
“Bist du dir sicher, dass diese Praxis legal ist?”, wurde der Autor beim Schreiben des Buches von einem seiner Freunde scherzhaft gefragt. Wie hinter der vermeintlichen Einfachheit der Methode Übung und Tiefe liegt, so basiert dieser Scherz auf grundlegendem Ernst. Denn mit dem Streben nach Glück meinen wir es verdammt ernst. Es geht darum, sich die eigene, tiefe Sehnsucht nach Glück zu erfüllen, in einer Gesellschaft, die sich von sich selbst entfremdet hat. Das hier scherzhaft vom Freund des Autors als “Droge” verunglimpfte Glück könnte also tatsächlich einiges in unserem Leben ändern – bei jedem Einzelnen und in der ganzen Gesellschaft.
Einatmend bin ich mir bewusst, dass ich lebendig bin. Ausatmend lächle ich dem Leben zu. (Tich Nath Hanh)
Anhalten um das Leben auszukosten – Die Methode der Zehn Atemzüge
- Halten Sie inne in dem, was Sie tun.
- Schließen Sie die Augen, legen Sie dann Ihre bevorzugte Hand auf den Bauch und folgen Sie aufmerksam Ihrem Atem. Achten Sie darauf, wie Ihre Hand sich auf dem Bauch mit dem Atem hebt und senkt. Nehmen Sie drei tiefe Atemzüge, um sich zu beruhigen und den Kopf freizubekommen.
- Sobald Sie sich präsenter fühlen, öffnen Sie die Augen und betrachten das Objekt Ihrer Aufmerksamkeit. Atmen Sie einmal tief und langsam ein und aus. Das ist „eins“.
- Fahren Sie mit dem Zählen jedes Atemzuges fort: „zwei“, „drei“, „vier“. Erlauben Sie dieser Begegnung, sich natürlich zu entfalten. Schauen Sie das Objekt Ihrer Aufmerksamkeit einfach nur an; betrachten Sie es, ohne irgendetwas im Geist zu kommentieren oder zu beurteilen, während Sie zählen. Achten Sie auf seine Farbe oder Gestalt, seinen Klang oder Geruch.
- Werden Sie sich während des Zählens Ihres Körpers bewusst und aller Empfindungen und Gefühle, die möglicherweise auftauchen. Erlauben Sie jeder Zelle Ihres Körpers, sich für diese Begegnung zu öffnen, um mit ihr in Berührung zu kommen. Lassen Sie diese Erfahrung so vollständig und eindringlich wie möglich sein. Halten Sie sich nicht zurück.
- Wenn Sie bei „zehn“ angekommen sind, ruhen Sie in dem Gefühl, das Sie in diesem Moment haben. Wenn Ihnen danach ist, können Sie in dieser Weise noch einmal zehn Atemzüge nehmen. Die Praxis der Zehn Atemzüge ist einfach zu verstehen, doch in der Realität kann sie manchmal herausfordernd sein. Wir müssen uns an sie gewöhnen – zudem erfordert sie Konzentration und Mut. Oft ist es nicht so einfach, mit dem aufzuhören, was wir gerade tun, und der Wertschätzung eines intensiveren Lebens mehr Raum zu geben. (…)
Originalauszug aus der Einführung von Tich Nath Hanh zu “Zehn Atemzüge zum Glück” von Glen Schneider.
Zen-Geist Anfänger-Geist – Unterweisungen in Zen-Meditation
Shunryu Suzuki (1905-1971) ist einer der bedeutendsten Zen Meister der Moderne. Seinem Wirken ist es in ganz erheblichem Maße zu verdanken, dass Zen auch bei uns im Westen Wurzeln fassen konnte. Mit “Zen-Geist Anfänger-Geist – Unterweisungen in die Zen Meditation” hat er ein brillant einfaches Standardwerk für all diejenigen geschaffen, die das Wesentliche suchen: Die rechte innere Haltung für ihre tägliche Meditations- und Achtsamkeitspraxis.
Was wir ICH nennen, ist nur eine Schwingtür, die sich bewegt, wenn wir einatmen und ausatmen. (Shunryu Suzuki)
Den ursprünglichen Anfänger Geist kultivieren – im Alltag und in der Meditation
Wie wir diesen wachen, wertfreien und achtsamen Anfängergeist kultivieren können, erklärt der japanische Zenlehrer in dieser Neuauflage des Klassikers. Gekonnt erläutert er, wie es möglich wird, das Leben so zu sehen wie es ist und die ursprüngliche Natur aller Dinge – eingeschlossen der eigenen Wesensnatur – zu erkennen. Die Frage, wie es uns gelingen kann, den Anfängergeist zu kultivieren und zwar in jedem Moment unseres Lebens – sowohl auf dem Meditationskissen als auch bei unserer Arbeit oder in unseren Beziehungen – zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Es ist die Bereitschaft des Geistes, die Weisheit ist. (Shunryu Suzuki)
Das Kernstück der Achtsamkeitspraxis basiert ebenfalls auf diesem Anfängergeist und damit auf dem Ansatz, sich selbst und die Dinge wertfrei und unmittelbar wahrzunehmen. Und auch hier wird Achtsamkeit nicht nur auf dem Meditationskissen praktiziert, sondern man versucht jeden Moment neugierig, offen und wertfrei zu sein, um sich selbst und die Dinge so zu sehen, wie sie sind.
Augenblick für Augenblick kommt jeder aus dem Nichts hervor. Das ist die wahre Lebensfreude. (Shunryu Suzuki)
Die 2016 in einer limitierten Sonderausgabe erschienene Neuauflage des bereits 1970 erschienenen amerikanischen Originals ist ein Evergreen unter den Grundlagenwerken zur Zen Meditation und könnte zu einem der wichtigsten für die derzeitige Achtsamkeitsbewegung werden. Den wahren Zen-Geist im Anfänger-Geist erkennen, welcher alle Dinge immer wieder frisch und neu wahrnimmt, kann jetzt in besonders schöner Ausstattung der Neuauflage ebenso frisch und unverbraucht erlebt werden.
Zehn Atemzüge oder Anfängergeist? Empfehlung für Einsteiger und Fortgeschrittene
“Zehn Atemzüge zum Glück” ist ein schönes Versprechen und ein ansprechend einfacher Zugang zur Achtsamkeitsthematik. Dieses schöne handliche Buch ist leicht zu lesen – die Methode einfach und wirksam in den Alltag zu übertragen. Außerdem kann man das Buch auch wunderbar mitnehmen und immer mal wieder reinlesen, da es in jede Handtasche passt. Ein prima Grundlagenbuch für Einsteiger und Wiedereinsteiger sowie Anfänger in der Achtsamkeit und Meditation, die im Alltag direkt zur Sache kommen wollen.
Versprechen will uns Shunryu Suzuki in seinem Buch dagegen nichts. Denn Erwartungen oder gar das Streben nach Glück, die eine geistige Anhaftung an die Zukunft sind, würde der Autor von “Zen-Geist Anfänger-Geist” uns grundsätzlich nicht empfehlen. Der Anfänger Geist, den er uns empfiehlt, ist frei von jeglichen Anhaftungen, Vorstellungen oder Konzepten. Einsteigern oder Wiedereinsteigern mit Interesse an philosophischen Fragen wird das Buch gut gefallen – es wird bei offenen Geistern gewiss seine wahrhaft erhellende Wirkung entfalten. Fortgeschrittenen in der Meditationspraxis kann es ein wertvoller Begleiter sein, der immer wieder auf das Wesentliche in der Praxis der Meditation zurückführt.
In unserem Blog “OMlinemagazin” stellt evidero Autorin Annette Coumont Themen und Trends rund um Achtsamkeit, Yoga und ein bewusstes Leben vor. Wir zeigen euch, wie Achtsamkeit im Alltag, in der Familie, im Job, bei der Ernährung, in der Therapie oder beim Konsum konkret aussehen kann.