Mutterschaft ist weitestgehend planbar, sie kann gewollt verhindert, aber auch künstlich herbei geführt werden. Für eine Schwangere beginnt ab der Diagnose Schwangerschaft ein durchgetaktetes medizinisches Betreuungsprogramm durch die Gerätemedizin. Nach der Entbindung fangen immer mehr Frauen direkt wieder an zu arbeiten. Die Gesellschaft erwartet von Frauen heute wie selbstverständlich die Doppelrolle von Mutterschaft und Arbeitskraft. Oft bleibt dabei die Anerkennung für das ursprünglichste Können einer Frau, die Fähigkeit, Kinder in sich wachsen zu lassen und diese auch zur Welt zu bringen, auf der Strecke. Von Leonie Müller, Hebamme und Yogalehrerin.
Wir sind Frauen und das ist auch gut so! In einer immer schnelllebigeren Welt müssen wir uns auseinandersetzten mit Kindern, Haushalt, Karriere, einem perfekten Eheleben und bei all dem sollen wir nicht zu kurz kommen. Wie viele Leben sollen wir dafür in Anspruch nehmen? Eines, das ist doch unmöglich oder etwa nicht? Genau mit dieser Frage habe ich mich auseinandergesetzt; mit dem Hintergrund, dass ich noch ganz am Anfang dieser gefühlten endlosen Schlange von Erwartungen an das Leben als Frau stehe und dem Wissen, wie die alte Lehre des Ayurveda darüber denkt.
Im Ayurveda ist die Mutter die Zweiherzige, sobald das Kinderherz in ihrem Bauch anfängt zu schlagen
Als angehende Hebamme verbinde ich mit dem Leben sehr viel. Ich darf fast täglich dabei sein, bei dem Wunder von neuem Leben. Jedes so außergewöhnlich und anders, dass ich manchmal kurz vergessen darf, was um mich herum passiert. Doch was passiert mit all diesen kleinen Wesen, die täglich das Licht der Welt erblicken, was passiert mit den Frauen, die von der Natur die Gabe geschenkt bekommen haben, Leben zu gebären.
Jede Frau trägt diese Fähigkeit in sich, ihr Körper und ihre Seele sind ein universeller Teil der Schöpfung. Allein diese Gabe sollte als Anerkennung in unserer Welt ausreichen.
Im Ayurveda heißt die Frau ab der vierten Woche „die Zweiherzige“, da ab diesem Zeitpunkt das Kinderherz anfängt in ihrem Bauch zu schlagen. Dieses Sinnbild sagt eigentlich alles darüber aus, was ich versuche, mit meinen ganz eigenen Worten zu beschreiben.
Für die ersten sechs Monate einer Schwangeren stehen im Ayurveda die Regeneration von Körper, Geist und Seele im Vordergrund
Dazu kommt, dass in den Jahrtausenden Jahre alten Texten geraten wird, dass die Regeneration von Körper, Geist und Seele in den ersten sechs Monaten an erster Stelle steht. Bei uns nannte man dies irgendwann einmal Wochenbett, heute heißt es in den meisten Fällen: ich habe zwei Wochen Zeit, bis ich wieder arbeiten gehen muss, damit meine Arbeitsstelle nicht anderweitig vergeben wird oder weil wir es uns einfach nicht leisten können, dass einer länger zu Hause bleibt.
Oft denke ich darüber nach, wie viel das Muttersein in unserer Gesellschaft noch Wert ist, in der die Stimmen der Frauen immer leiser werden, die nur Hausfrau und Mutter sind! Ich bin der Überzeugung, dass es keinen wertvolleren, anstrengerenden und mutigeren Job gibt, als seine Kinder mit viel Liebe und Herzblut großzuziehen und da zu sein, in allen Lebenslagen.
Ganz egal ob das die ersten Zähne, das erste Wort, die ersten Schritte, der erste Kindergartentag mit drei Jahren, das erste blaue Auge auf dem Schulhof, eine sechs in Mathe, oder die erste Freundin ist.
Oh, du Glückliche! Eine indische Ode an das wahre Mutterherz
Ich wünsche mir, dass genau diese Stimmen wieder lauter werden, liebe Frauen, die noch Mütter werden wollen, liebe Mamas, liebe Omas, werdet wieder laut!
Ihr seid es Wert.
Möge die Milch aus deinen Brüsten fließen wie die vier Meere und den Wachstum des kleinen Wesens dienen. Oh, du Glückliche! Wie die Götter Unsterblichkeit erlangen, wenn sie den Nektar trinken, so soll dein Baby lange leben, weil es deine nektargleiche Milch trinkt. (Indisches Sprichwort)