Die Molkerei Weihenstephan beschwört die eigene Qualität. Doch hinter der idyllischen Verpackung zeigt sich das Unternehmen von einer anderen Seite.
Die Vögel zwitschern und trällern, ein strahlend weißes, herrschaftliches Gebäude liegt unter strahlend blauem Himmel im satten Grün von Büschen und Bäumen. Auf der Homepage zählt Idylle pur. Über dem Häuserdach ist für den geneigten Betrachter gleich noch ein Alpenkamm montiert, ganz so, als befände sich die Molkerei Weihenstephan am Rand von Garmisch-Partenkirchen. Und nicht an der Milchstraße 1 in Freising, knappe 100 Kilometer von den bayerischen Voralpen entfernt.
Marketing ist alles bei der blau-weißen Marke, die – stolz auf „1000 Jahre Tradition“ – Milchprodukt ein „Premiumqualität“ anbietet, wie das Unternehmen nicht müde wird zu betonen. Die inzwischen zum Firmenimperium von Theo Müller (Müllermilch) gehörende Molkerei hat es dennoch nicht leicht: Von Stiftung Warentest über Verbraucherzentralen bis Greenpeace wird immer wieder Kritik laut, die dann nicht selten barsch beantwortet wird.
Was wäre eine nachhaltige Molkerei?
Mehrere Wochen werden wir hingehalten, unsere Fragen zur Nachhaltigkeit seien angekommen und würden baldmöglichst bearbeitet. Nach mehrmaligem Nachfragen bleiben die Antworten am Ende dürftig: Zwei Pressemitteilungen, die ohnehin im Internet zu finden sind, werden zu „allen Informationen“ geadelt , die erschöpfend Auskunft geben sollen. Ein schwaches Bild, das so gar nicht zum überladenen Heile-Welt-Image des Unternehmens passt.
Für eine Molkerei gibt es gar nicht so viele Bereiche, in denen man sich um Nachhaltigkeit und eine intakte Umwelt bemühen kann – also umgekehrt vielleicht auch nicht so viele Herausforderungen? Da ist zum einen der Rohstoff Milch, der idealerweise von glücklichen Kühen stammt, die ökologisch einwandfreies Futter bekommen. Dann geht es um die Verwendung von Konservierungsstoffen und Aromen, die sich auf das Konsumentenwohl auswirken können. Und schließlich sollte die Produktion möglichst energiesparend erfolgen und die Lieferwege sollten kurz sein.
Warnung vor Gentechnik? – Ist Augenwischerei
Molkereien von Theo Müller wird seit langem vorgeworfen, „Genmilch“ zu verkaufen. Greenpeace etwa kritisiert, dass unter anderem Gen-Soja aus Südamerika als Kraftfutter für Milchkühe der Weihenstephan-Lieferanten dient. Die Molkerei bestreitet dies in ihrer Presseerklärung auch gar nicht, sondern wiegelt erst einmal ab: „Von ‚Gen-Milch’ ist in diesem Zusammenhang die Rede. Dieser Begriff ist plakativ, aber fehlleitend, weil Milch nicht gentechnisch verändert ist.“
Das ist zwar korrekt, aber wiederum fehlleitend: Deutsche Verbraucher beachten zunehmend, dass gentechnisch veränderte Monokulturen – also die Herstellung der Futtermittel – das Problem darstellen, nicht unbedingt eine direkt gesundheitsschädigende Wirkung des Endprodukts. Abgesehen davon sind Futtermittel aus Regenwaldregionen in Übersee ohnehin ein ökologisches No-Go.
Weihenstephan findet Gentechnik aber auch in Ordnung, weil sie ohnehin nicht aufzuhalten sei: „Einige Futterbestandteile aus gentechnisch veränderten Pflanzen haben sich auf dem Weltmarkt als Standardware etabliert. Bei den meisten deutschen Landwirten sind sie zum festen Bestandteil der Tierfütterung geworden. […] Molkereiprodukte können neuerdings mit dem Label ‚Ohne Gentechnik’ gekennzeichnet werden. […] Dass diese Kennzeichnung immer eine absolute ‚Gentechnikfreiheit’ zur Folge hat, ist jedoch ein Irrtum.“
Gemeint sind hier Vorprodukte wie gentechnisch verändertes Lab, das bei der Käseherstellung eingesetzt wird – aber nichts mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu tun hat. Und dann wird Weihenstephan ganz vertraulich und behauptet: „Niemand ist heute in der Lage zu versprechen, dass alle in einem veredelten Produkt verarbeitenden Rohstoffe, alle von Bauern, Fruchtverarbeitern, Zuckerherstellern und anderen gelieferten Zutaten jeden Tag und mit Sicherheit 100 % ‚ohne Gentechnik’ sind. […] Insofern handelt es sich bei der Kampagne gegen grüne Gentechnik, besonders auch bei veredelten Milchprodukten, um eine Verbrauchertäuschung.“
Apropos Täuschung … Die Alpenmilch kommt gar nicht aus den Alpen!
Bei den Milchkühen für Weihenstephans Käse handelt es sich um konventionell gehaltene Tiere von Vertragslieferanten. Das hat das Unternehmen mittlerweile zugegeben, nachdem es vor einigen Jahren noch mit „artgerechter Haltung“ geworben hatte. Die Organisation foodwatch deckte den Schwindel 2008 auf.
Ebensowenig handelt es sich bei dem Rohstoff Milch um „Alpenmilch“, ein nicht geschützter Begriff. Die Verbraucherzentrale Hamburg kritisiert Anfang Juli, „die Milcherzeugnisse des im bayerischen Freising ansässigen Unternehmens stammen nicht aus dem Einzugsgebiet, das Verbraucher unter den Alpen verstehen.“ Konsumenten sollten lieber ein regionales Produkt kaufen.
Künstliches oder echtes Aroma? Ungeklärt
Vor etwa einem Jahr prüfte die Stiftung Warentest Erdbeerjoghurts – der Weihenstephaner Rahmjoghurt gehörte zu denen mit der schlechtesten Bewertung. Laut Warentest war die Deklaration irreführend, weil mehr als fünf Prozent des zugesetzten Aromas nicht von natürlichen Erdbeeren stammten. Weihenstephan reagierte, indem es die gesamte Wissenschaftlichkeit der Studie in Frage stellte: „Wir können die unwissenschaftliche Vorgehensweise der Stiftung Warentest nicht nachvollziehen und stellen fest, dass unser qualitativ hochwertiges Produkt zu Unrecht auf diese Teststufe abqualifiziert wurde.“
Ob es sich hier tatsächlich um einen Fehler oder eine Spitzfindigkeit der Tester handelt, ist von außen schwer zu beurteilen. Fakt bleibt, dass der preislich in der Oberklasse liegende Weihenstephaner Joghurt nicht an vergleichbar teure Biojoghurts heranreicht – und die kommen gänzlich ohne zugesetztes Aroma aus.
Fazit: Produkte von Weihenstephan kaufen?
Wie geschildert, hat Weihenstephan nicht konkret auf die Fragen zur Nachhaltigkeit reagiert. Das Unternehmen wirtschaftet laut seiner Website nach dem Umweltmanagementsystem DIN EN ISO 14001. In welchem Bereich spezielle Erfolge zur effizienteren Produktion gemacht wurden, bleibt damit unbeantwortet. Ebenso gibt es keine Angaben zum ökologischen Fußabdruck der Produkte, etwa in Bezug auf Transport oder Verpackung.
Der Gesamteindruck ist nicht nachhaltig, anstatt sich hin zu ökologischen Produkten zu verändern werden argumentativ Zusammenhänge verdreht, um ohne Anstrengung wie gewohnt weitermachen zu können. Die vielbeschworene Qualität entpuppt sich dabei besonders als Marketinginstrument, selbst mit dem „einzigartigen Weihenstephan Genuss-Siegel“ zertifiziert sich das Unternehmen lediglich selbst. Das ist zu wenig.