Wassersparen wird in Deutschland großgeschrieben. Den Hahn dreht man beim Zähneputzen zu, duschen ist besser als baden und zu lange duschen sollte man auch nicht. bei der Klospülung gibt es manchmal sogar getrennte Abzugs-Schalter für viel oder wenig Wasser. Macht das wirklich Sinn? evidero-Bloggerin Annette Bonse hat sich mit dem Thema auseinander gesetzt.
Wenn ich als Kind beim Zähneputzen das Wasser laufen ließ, kam meist prompt einer meiner Eltern zum Waschbecken gehechtet, um den Hahn zuzudrehen und den baldigen Weltuntergang aufgrund von Dürrekatastrophen zu prophezeien. Inzwischen habe ich das Wasser-Sparverhalten so verinnerlicht, dass mir allein der Gedanke an einen tropfenden Wasserhahn schlaflose Nächte bereiten kann. Doch vor kurzem las ich einen Artikel, der mein vom Spartrieb geprägtes Öko-Ich bis in die Grundfesten erschütterte. In dieser Reportage einer großen deutschen Wochenzeitung hieß es, dass Wassersparen in Deutschland unsinnig sei.
Wie bitte?! Zunächst kam mir diese Aussage so absurd vor, als erzähle mir jemand, dass Rauchen die Gesundheit fördert (einmal davon abgesehen, dass das definitiv die beste Nachricht des Jahres wäre!). Doch die weiteren Ausführungen in dem Artikel waren erstaunlich nachvollziehbar. Dort hieß es erstens, dass man Kinder in Afrika nicht vor dem Verdursten retten kann, wenn man hier in Deutschland Wasser spart. Denn wie sollte das in Deutschland eingesparte Wasser bitteschön nach Afrika gelangen? Soweit hatte ich bisher noch nie gedacht – aber dass man keine Abermillionen Tonnen Wasser täglich nach Afrika einfliegen kann, fand ich dann doch nachvollziehbar.
Ist Wasser sparen eher schädlich, als nützlich?
Zweitens aber – und hier wurde der Artikel richtig interessant – hieß es, dass der Deutschen Lust am Wassersparen in vielen Fällen eher kontraproduktiv sei. Wir hätten unseren Wasserverbrauch inzwischen so weit reduziert, dass die Wasserleitungen und die Kanalisation einiger Städte nicht mehr ordentlich durchspült würden. Die Folge sei die Bildung von Keimen, Verunreinigungen und schädlichen Ablagerungen. Einige Städte, hieß es, müssten inzwischen zusätzliches Frischwasser durch die Rohre pumpen, um eine ordentliche Durchspülung zu gewährleisten.
So richtig Glauben schenken wollte ich dem Artikel trotz einer nicht zu verleugnenden Logik immer noch nicht. Genauso ging es den Leuten, denen ich von meinen neuen Erkenntnissen erzählte. Die meisten reagierten, als wäre ich dabei, eine Verschwörungstheorie zu verbreiten. Deshalb habe ich im Internet recherchiert. Und musste einsehen, dass die Nachteile übermäßigen Wassersparens zunehmend anerkannt und beklagt werden.
Wasser – und auch das haben wir schon als Kinder gelernt – ist Teil eines Kreislaufs und wir im wasserreichen Deutschland verbrauchen laut Aussagen des Wissenschaftlers und Wasserexperten Hans-Jürgen Leist nur 20 Prozent der Menge, die sich jährlich erneuert.
Heißt das jetzt, wir können in Zukunft sorgenfrei das Wasser laufen lassen, so lange wir wollen?! Abgesehen vom Preis: Im Prinzip ja – nur einen Haken hat die Sache: Das Erhitzen von Wasser kostet trotzdem Energie. Tägliches Wannenbaden sollte also weiterhin tabu bleiben – es sei denn, man hat entsprechende Ökotechnik im Haus – oder entscheidet sich fürs Kaltbad.
Ob ich es in Zukunft schaffen werde, das Wasser beim Zähneputzen laufen zu lassen? Ich glaube nicht – manche Angewohnheiten sitzen einfach zu tief.