„Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten auf guten Informationen beruht.“ Den Satz hat der Schauspieler und Autor Peter Ustinov gesagt. Klingt erst mal sympathisch gegen den Strich gebürstet. Aber stimmt das wirklich?
Neulich las ich die These, Mut sei erblich. Weil eben gute Teile unserer Persönlichkeit auf vererbten Merkmalen beruhen. Demzufolge wäre Mut kein Mangel an Einsicht, wie Ustinov sagt, sondern in vielen Fällen einfach Teil unserer Persönlichkeit. Es gibt Studien, die nahelegen: da könnte was dran sein! Offenbar haben die Gene der Eltern ebenso Auswirkungen auf unseren Wagemut wie der mütterliche Hormonspiegel während der Schwangerschaft.
Mut ist erblich
Von anderen Säugetieren bis hin zu Fischen und Spinnen gibt es weit über den Menschen hinaus den Unterschied zwischen Mutigen und Ängstlichen, Risikobereiten und Sicherheitsorientierten. Es gibt Kinder, die von Anfang an, ohne Zögern jede Mutprobe angehen. Und es gibt die, die sich eher zurückhalten und das Risiko meiden.
Meine Lebenserfahrung sagt mir: am mutigsten sind nicht diejenigen, die schon immer die verrücktesten Dinge tun. Mutig sind die, die an ihrem Mut arbeiten. Ich kenne Menschen, die sich vom Angsthasen zu sehr couragierten Personen entwickelt haben, manchmal in nur wenigen Jahren. Warum? Weil sie sich bewusst entwickeln und ihre Komfortzone Stück für Stück verlassen!
Wirklich mutig sind die Angstbezwinger
Ich erinnere mich an einen Coachee. Als ich ihn kennenlernte, schien er stets wie in seiner eigenen Angst gefangen. Die Angst, die Kollegen zu verschrecken. Die Angst, beim Chef für die eigenen Interessen und Werte einzustehen. Die Angst, seinen Wünschen und Interessen nachzugehen. Nach und nach fing der Mann an, kleine Experimente zu starten – und seine Angst immer häufiger zu überwinden. Er machte dabei immer mehr positive Erfahrungen, auch wenn es anfangs vielleicht etwas schwierig war. Eines Tages sagte er zu mir: „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich früher Mut gebraucht habe, für die Verhaltensweisen, die ich heute ganz normal finde!“
War dieser Mann mutig? Aber wie! Und das, obwohl er auch nach vielen Monaten noch zu denen gehört hat, die lieber doppelt nachdenken, bevor sie ein Risiko eingehen. Aber er hat sich so oft mit seiner eigenen Angst konfrontiert und überwunden – was ist mutig, wenn nicht das?!
Mut ist für jeden etwas anderes
Tatsächlich würde ich so weit gehen, meinen Coachee als mutiger zu bezeichnen, als diejenigen, die schon immer wagemutig waren – und regelmäßig die verrücktesten Dinge tun. Sei es sich mit einem Gummiband an den Füßen von einer hohen Brücke zu stürzen oder einen lebendigen Wurm zu essen. Mut ist relativ. In anderen Worten: was für den Einen wie eine enorme Herausforderung scheint, findet die andere lachhaft. Egal, wie groß die Mutprobe am Schluss ist – ich finde jeden mutig, der im ganz „normalen“ Alltag seinen Ängsten entgegentritt, sich aus seinen Verhaltensmustern wagt und am eigenen Leib erfährt, welche Erlebnisse jenseits der Komfortzone liegen.
Moment: jeden? Natürlich nicht. Es gibt Menschen, die suchen den Adrenalinkick so zwanghaft, dass sie die übelsten Gefahren in Kauf nehmen. Das ist nicht mutig! Denn diese Leute haben eigentlich Angst vor Routine und Alltag. Mutig sind diese erst dann, wenn sie die Herausforderung des ganz normalen Lebens meistern! Insofern hat Peter Ustinov vielleicht doch recht…