Anlauf, Salto, Tritt, runter auf die Hände, abstoßen, Sprung, Schraube, Schraube, Stand. Klingt anspruchsvoll, oder? Die Rede ist hier vom Trendsport Tricking. Trainer Michael Guddat, der uns bereits Parkour vorgestellt hat, erklärt uns heute, für wen Tricking geeignet ist und was die Gesellschaft von dieser Sportart lernen kann.
Tricking ist nicht gleich Tricking, denn es gibt im Prinzip zwei Formen dieser Sportart, die unter dem gleichen Namen laufen:
- Das amerikanische Tricking, vor allem eine Show-Form der Martial-Arts-Künste
- Das europäische Tricking, eine Vermischung aus vielen unterschiedlichen (Trend-) Sportarten. Dazu gehören etwa: Kampfkunst, Capoeira, Breakdance, klassisches Turnen und Tanzen
Das europäische Tricking ist also ein sehr innovativer und moderner Sport. Es geht bei uns vor allem um Kreativität und darum, offen zu sein für neue Einflüsse und solche neuen Ideen auch auszuprobieren.
Ein Tricker, so nennt man jemanden, der Tricking ausübt, drückt sich also selbst mit seinem Körper aus und macht nicht einfach nur vorgefertigte Bewegungen nach. Und wenn mal ein Trick nicht klappt und man zum Beispiel mit dem falschen Bein wieder aufkommt, kann daraus auch ein neuer Trick entstehen, der einfacher oder schwieriger ist als der andere.
Tricking lernst du am besten mit einem Trainer
Natürlich gibt es auch Standard-Bewegungen, aber diese können individuell stark variiert werden. Tritte, die Dehnfähigkeit der Beine, Saltos und Schrauben gehören so oder so ins Basis-Paket. Aktuell ist es dann “in”, dass ein guter Tricker einen Doppel-Salto rückwärts springen können sollte. Das kennt man auch vom Kunstturnen bei Weltmeisterschaften. Oder auch, möglichst viele Schrauben hintereinander auszuführen und danach wieder auf den Füßen zu landen. Beim letzten “Big Trick”, einem der größten Tricking-Wettbewerbe, hat zum ersten Mal ein Europäer eine dreifache Schraube mit Landung geschafft.
Das ist nicht nur körperlich beeindruckend, bei dieser Leistung konnte man auch gut sehen, dass es in der Tricker-Gemeinschaft um Fairness und die Anerkennung des Anderen geht. Als der Tricker seinen Sprung geschafft hatte, stürmten Dutzende der Zuschauer auf ihn zu, Freunde wie Gegner, und beglückwünschten ihn neidlos. Davon sollte sich die Gesellschaft eine Scheibe abschneiden: Top!
Kinder sollten beim Training von Tricking aufpassen
Allerdings birgt Tricking auch eine Gefahr, genau wie das Boden- oder Kunstturnen. Wer zu früh “Vollgas” gibt, der riskiert, sein Wachstum zu beeinträchtigen. Das ist keine neue Erkenntnis: Wenn die Dehnfugen in unseren Gelenken noch während der Wachstumsphase zu stark belastet werden, werden sie zusammengepresst und man wird nicht so groß. Dafür hat man in jungem Alter natürlich eine bessere Dehnfähigkeit und kann also ganz anders trainieren, als jemand, der erst später mit dem Tricking beginnt. Man könnte sagen:
- Im Kindesalter haben wir eine hohe Dehnfähigkeit und nur wenig Angst, es ist das richtige Alter um Grundlagen für Kraft, Koordination und Ausdauer zu legen, aber bitte nicht übertreiben
- Während und nach der Pubertät werden die Gelenke durch mehr Muskulatur unterstützt, jetzt kann ich mich wirklich steigern
Ein Zusatz-Problem liegt in der Verbreitung von Videos zum Thema Tricking. Wer sie sich anschaut, denkt vielleicht: Das kann ich auch – und versucht es dann einfach ohne Trainer oder Unterweisung nachzumachen. Das kann den Knien schaden. Abspringen und landen muss man lernen. Ein Trainer kann auch mal die Reißleine ziehen.
Aber keine Angst, eigentlich ist Tricking ein sehr unfallarmer Sport, da man ja nicht gegeneinander spielt, sondern jeder seine Tricks einzeln ausübt und man also nicht gegen das Schienbein getreten wird wie beim Fußball oder den Ellenbogen ins Gesicht bekommt wie beim Basketball. In den Move Artistic Dome Köln kommen jeden Monat etwa 1.000 Sportler. Davon verletzt sich im Schnitt nur einer. Häufigste Verletzung: Verknackstes Fußgelenk. Aber bloß, weil man den Sport nicht in der Mannschaft ausübt, heißt das nicht, dass man nicht gegeneinander antreten kann.
Wettbewerb und Gemeinschafts-Feeling beim Tricking
Der größte Tricking-Wettbewerb in Europa ist der “Big Trick”, der bei uns im Move Artistic Dome Köln stattfindet. Da gibt es unterschiedliche Disziplinen, in denen dann jeweils etwas bestimmtes bewertet wird:
- “The Biggest Trick”: Der schwierigste und spektakulärste Trick, zum Beispiel die dreifache Schraube
- “Best Combo”: Wie viele Drehungen, Saltos und Tritte kann jemand miteinander verbinden
- “Team Battle”: Hier geht es um Team-Choreographien, zum Beispiel Tricks mit Partner oder synchron ausgeführte Tricks
Das wichtigste bei der Tricking-Ausführung ist die Koordination. Also die Möglichkeit, komplexe Sachverhalte des Körpers blitzschnell umzusetzen. Das heißt, Tricking fördert meine Aufmerksamkeit und ich lerne meinen Körper besser einzuschätzen, weil ich mich durch die Drehbewegung im Raum immer wieder neu orientieren muss. Damit kann ich auch komplexe Alltagssituationen wie zum Beispiel das Verkehrsgeschehen einfacher einschätzen. Besonders die Hand-Auge-Koordination und die Hand-Fuß-Koordination werden verbessert.
Dabei ist Tricking auch sehr kommunikativ. Im Gegensatz zum Parkour, wo es ja auch Hardliner gibt, die lieber für sich bleiben, lebt das Tricking vom Austausch untereinander und dem Üben in der Gruppe. Denn je nachdem, aus welcher Richtung jemand kommt, werden seine Bewegungen und Tricks ganz anders ausfallen als bei den anderen.
Wer beispielsweise mal Kung Fu ausgeübt hat, hat eine ganz andere Basis als jemand, der vom Taekwondo kommt. Und jemand, der überhaupt keinen Kampfsport ausgeführt hat, muss sich alles ganz neu erarbeiten, kann aber aus der Bandbreite aller Möglichkeiten wählen. Es herrscht ein offener Austausch und niemand wird ausgeschlossen. Das ist sehr erfrischend und vor allem: sportlich!