Miss Peppermint hat im ersten Teil bereits begonnen, das “Einmaleins der Achtsamkeit” zu testen. Im zweiten Teil geht es weiter mit Tag vier.
Achtsam leben bedeutet, Verantwortung zu übernehmen
Samstag. Vierter Tag meines Selbstversuches. Und es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Was hat das mit Achtsamkeit zu tun? Außerdem frage ich mich, ob das unbedingt auf einen Samstag fallen muss. Samstag ist seit je her Blogtag. Da schreibe ich, nehme Kontakt zu anderen auf und suche neue Themen.
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt irgendetwas spüre, wenn ich stundenlang vor dem Rechner sitze. Außer vielleicht Kopfschmerzen. Ach, Moment mal — da klingelt es doch an der Tür. Die Unlust! Die bekommt die Tür allerdings gleich wieder vor der Nase zugeknallt. Auf die habe ich nämlich keine Lust. Genug des Innehaltens, der Blog wartet.
Nach drei Stunden sind alle übrig gebliebenen Emails sowie Kommentare beantwortet und Stichpunkte für die nächste Post sind auch gemacht. Da habe ich ja noch den halben Tag, um am Layout zu basteln. Ich beschließe dieses eine Gadget, das ich schon so lange mal einfügen wollte, auf den Blog zu bringen. Ich habe es fast geschafft. Noch ein paar Änderungen und das Gadget fügt sich perfekt ein. Es klingelt — die Vorfreude. Setz dich schon mal hin, ich komme gleich. Während ich hochkonzentriert am Code rum bastele, schleicht mir mein Kater um die Beine.
Der Arme hat lange zurück stecken müssen. Ich beschwichtige ihn und verspreche, eine Runde Nassfutter zu schmeißen. Ich weiß nicht, welche Emotion da gerade an seiner Tür klingelt, aber es kann eigentlich nur die Bösartigkeit sein. Mit einem Satz ist der Kater nämlich auf meinem Schoß. Allerdings nur mit den Hinterbeinen. Vorne ist er damit beschäftigt, nach Katzenmanier immer brav die Pfötchen im Wechsel, den Code neu zu erfinden.
Wie soll man mit Gefühlen umgehen?
Ich schmeiße den Kater von meinem Schoß und die Vorfreude vor die Tür. Ach wie schön — die Raserei ist schon da. Schnell wie sie ist, kommt sie herein und macht ein riesiges Chaos. Währenddessen beschimpfe ich den Kater und fluche, dass der Sanftmut — wäre er hier — rote Ohren kriegen würde. Ich beschließe, den wohlbehüteten Wohnungskater einfach vor die Tür zu setzen. Da kann er dann mit der Vorfreude sitzen und heulen.
Aber zeugt das von Verantwortungsbewusstsein? Laut dem Einmaleins habe ich die Freiheit der Wahl und somit die Verantwortung für den Ausdruck meiner Gefühle. Während mir vor Wut der Schweiß aus den Poren tritt, überlege ich mir die Möglichkeiten.
Ich könnte also den Kater vor die Tür setzen. Dann ist Ruhe. Allerdings darf ich dann auch nicht heulen, wenn er tatsächlich einen Weg nach draußen findet und verschwunden ist. Blöde Idee also.
Eine gute Alternative wäre, den Kater an den Kratzbaum zu fesseln und mit seiner Spielzeugmaus zu knebeln — Oh, da gewinnt die Wut langsam wieder die Oberhand. Das ist natürlich keine Option.
In Tränen auszubrechen bringt mir auch nichts. Ich füttere also Nassfutter. Eine extra große Portion. Nachdem er die verdrückt hat, ist er so voll gefressen, dass er erst mal schlafen geht. Und ich setze mich wieder an den Code. Bis zum Abend habe ich ihn sicher fertig.
Triff Entscheidungen und überwinde Hindernisse
Fünfter Tag meines Selbstversuches. Ich soll achtsame Entscheidungen treffen und freue mich, denn gestern habe ich bereits damit angefangen. Und zwar, als ich die Konsequenz auf mein mögliches Handeln — den Kater vor die Tür zu setzen — bedacht habe. Ich habe den Eindruck, ich lebe doch achtsamer, als ich geglaubt habe.
Ich bin nämlich ganz groß darin, zu bedenken, was alles möglicherweise passieren könnte. Schon alleine was die Faulheit alles anrichten kann, wenn man gerade auf dem Weg aus der Wohnung ist. Keine Lust, das Fenster zu schließen — Katzen weg. Keine Lust, die Badezimmertür zu zumachen — Katzen räumen den Badmülleimer aus. Keine Lust die Katzenklos zu reinigen — die Katzen ruinieren den Fußboden.
Aber nicht nur im Bedenken der möglichen Folgen meinerseits bin ich gut. Das kann ich auch bei anderen! „Natürlich kannst du es sein lassen, den Abwasch zu machen, mein Schatz, aber dann gibt es heute Abend nichts zu essen.“
Wie Gewohnheiten unsere Gefühle bestimmen
Es ist Montag — sechster Tag. Heute geht es um die Hindernisse, denen wir im Umgang mit Gefühlen begegnen. Eines davon sind die Gewohnheiten. Diese behindern den Umgang mit unseren Gefühlen nämlich ungemein. Und was in diesem kleinen Büchlein hier beschrieben steht, kenne ich nur allzu gut.
Es ist nämlich so, dass immer, wenn ich gerade den Fußboden absauge und mein Freund auf der Couch liegt, diese Wut kriege. Das Gefühl ist so stark, dass ich die Wut sogar spüre, wenn ich nur davon erzähle. Warum ist das so?
Könnte anerzogen sein. Das wäre super, dann haben nämlich meine Eltern Schuld daran, dass ich meinen Liebsten regelmäßig mit bösen Blicken strafe. Aber darauf darf ich mich ja nicht ausruhen. Ich habe gelernt, Verantwortung für das Handeln als Folge meiner Gefühle zu übernehmen.
Das probiere ich gleich mal aus. Staubsauger an und ab ins Wohnzimmer. Und da liegt er, die Lautstärke des Fernseher bereits hoch gedreht. Dank Turbinenkraft bin ich aber lauter! Socken liegen auf dem Teppich. Keine Reaktion seinerseits. Ich wünschte, mein Staubsauger könnte seine Socken aufsaugen. Das wäre mal eine gerechte Strafe! Ich hole die da nämlich nicht raus. Soll er sich doch selber durch Katzenhaare und Einstreu wühlen!
Moment — die Wut schäumt schon wieder über. Innehalten. Die Wut ist da. Mein Herz klopft schneller. Wenn ich jetzt versuche, seine Socken aufzusaugen, dann unterstellt er mir nur, ich hätte das mit Absicht getan. Er sieht es ja an meinem Blick, dass ich koche. Aber dann klingelt sicher die Schadenfreude an der Tür und gemeinsam könnten wir dann mit der Wut eine Mords-Party feiern. Aber das würde nur Streit bedeuten und darauf habe ich keine Lust. Also reiße ich mich zusammen und mische meinem inzwischen gesammelten Wissen über den achtsamen Umgang mit meinen Gefühlen noch eine Prise Strategie in Sachen Partnerschaft hinzu.
Also Gesichtszüge entspannen, Lächeln auflegen und los. „Schatz, hebst du bitte mal deine Socken auf? Ich kann sonst nicht saugen. Und bring sie doch bitte am besten gleich in die Wäsche. Dann hast du sie morgen wieder.“ Er steht auf, bringt die Socken weg und kommt nicht wieder. Typisch. Ist ja hier auch zu laut! Jetzt spielt er wahrscheinlich auf dem Fernseher im Schlafzimmer. Und ich darf die ganze Bude wieder mal alleine aufräumen…
Ziemlich wütend komme ich aus dem Wohnzimmer und mein Freund gerade in die Wohnung. Staubsauger aus. „Wo warst du?“ Er hat die Wäsche schon mal angestellt. Und jetzt bringt er die Küche in Ordnung. Muss ja nicht sein, dass ich immer alles alleine mache. Hä?!
Achtsam mit Gefühlen umgehen erfordert Übung
Dienstag. Der letzte Tag meines Selbstversuches. Und die Aufgabe heute lautet einfach nur — weiter machen!
Und das werde ich. Oft ist mir gar nicht bewusst, was genau ich eigentlich gerade fühle. Es passiert irgendetwas, ich bin mitten in der Situation und reagiere. Aber auf was genau und warum eigentlich? Und dazu kommt hinterher oft noch der Gedanke, dass ich vielleicht mal kurz hätte nachdenken sollen, bevor ich das gesagt oder getan hätte.
Ich denke, mit dem Verinnerlichen, die eigenen Gefühle bewusst zu spüren, zu bewerten und erst dann zu handeln, werde ich vielen Konflikten aus dem Weg gehen können. Und auch das Gefühl, nach einer solchen Situation nicht mehr Herr der Lage zu sein, wird von ganz alleine die Tür von außen schließen.
Aber ganz ehrlich, manchen Gefühlen möchte ich einfach hilflos ausgeliefert sein. Was gibt es schöneres, als hemmungslose Liebe und wie befreiend ist ein Wutausbruch manchmal!
Ich bin eben auch nur eine verliebte junge Frau mit zu vielen Katzen in einer zu kleinen Wohnung.