Hast du schon einmal einen enttäuschenden Urlaub erlebt? Bestimmt. Und dabei ist Urlaub doch nun wirklich nicht zum Ärgern da, sondern zum Entspannen. Das kann aber kniffelig sein – und mit genau diesen Schwierigkeiten setzt sich Martin Hecht in seinem Buch “Das hatten wir uns aber anders vorgestellt” auseinander.
Im Gespräch hat er uns bereits erklärt, was den heutigen Urlaub ausmacht. Nun sprechen wir darüber, was für Erwartungen wir an den Urlaub haben – und welche davon dieser erfüllen kann.
Urlaubstipps – So klappt es mit der Erholung
- Keine falschen Ansprüche setzen. Urlaub hat nichts mit Glücksphantasien zu tun
- Smartphone und Laptop auch mal auslassen
- Mindestens einmal im Jahr einen Urlaub von mindestens zwei Wochen machen – am besten sogar drei
- Nicht zu viel planen! Man kann viele schöne Dinge entdecken und erleben, wenn man nicht jeden Programmpunkt schon vorher festlegt
- Gerne auch mal alleine in den Urlaub fahren. Dabei lernt man sich selbst viel besser kennen
- Zeit nehmen für gepflegtes Nichtstun! Genau dafür ist Urlaub da und das ist besonders erholsam
Herr Hecht, oft bringen Urlaube nicht die erwünschte Erholung. Wo haben wir denn vielleicht Ansprüche an den Urlaub, die gar nicht wirklich umsetzbar sind?
Es ist oft so, dass diese Kulissen, in die wir uns hineindenken, gar nicht so toll und glück-spendend sind, wie wir das vorher erwartet hatten. Ich denke, diese Erfahrung hat jeder schon einmal gemacht. Die ganzen tropischen Inseln, auf denen sich Glücksphantasien ja meist abspielen, sind mittlerweile für sehr viele von uns erreichbar.
Aber es kann eben auch sein, dass man da ankommt, und es nicht so ist, wie man es sich vorgestellt hatte. Und dann gibt es nach ein oder zwei Tagen den ersten Knatsch.
Der Punkt ist also: Urlaub muss bereits im Kopf beginnen und nicht die falschen Ansprüche voraussetzen. Ich tausche nicht nur meine Außenwelt aus, sondern lasse mich auch innerlich auf die neue Umgebung und Situation ein.
Dazu gehört auch, mal für eine Weile nicht in die Heimat zu kommunizieren, sei es nun übers Smartphone, über Skype oder über eine Telefonzelle. Wenn ich im Urlaub bin, bin ich im Urlaub. Wenn ich das schaffe und in meinem Urlaubsort wirklich ankomme, dann kann auch ein entspannender Urlaub beginnen.
Wie lang sollte Urlaub sein?
Und wie lang sollte ein Urlaub sein, um aus dem Alltagstrott herauszukommen?
Auch das ist nicht pauschal zu beantworten. Manchmal kann man schon bei einem Nachmittagsspaziergang von zwei Stunden richtig abschalten. Manche brauchen dafür sechs Wochen. In meinem Buch unterscheide ich drei Typen von Urlaub:
- Den Wochenend-Trip. Das wäre ein Ortswechsel mit ein oder zwei Übernachtungen, meistens verstehe ich darunter einen Städtetrip, zum Beispiel nach Paris oder Berlin.
- Wochenurlaube. Zum Beispiel eine Wanderwoche oder eine Fahrradtour.
- Der Jahresurlaub. Der hat dann meist schon 3-4 Wochen.
Ich würde aber sagen: Wenn man nicht nur von seiner Arbeit, sondern auch vom Alltag, den Routinen und generellen Sorgen Abstand nehmen will, dann kann es interessant sein, mal 4-5 Wochen Urlaub zu machen, um wirklich Veränderung zu erleben.
Ich war zum Beispiel mal einen Monat in Vietnam oder einen Monat in den USA. Da stellen sich dann so grundsätzliche Veränderungen ein, dass man als ein anderer Mensch nach Hause kommt.
Hier gilt natürlich wieder: Abstand vom Alltag geht nicht, wenn ich jeden Tag 50 Emails oder SMS nach Hause schicke. Wenn man loskommen möchte, dann muss man auch loslassen. Und dann kann ich mich im Urlaub verändern, das ist das Spannende.
Sollte man sich auf einen Urlaub denn in irgendeiner Form vorbereiten?
Organisatorisch würde ich über ein gewisses Maß nicht hinausgehen. Man kann das Hotel oder Ferienhaus buchen und die Tickets kaufen und sich natürlich auch ein paar Gedanken machen, wie ich das schon erläutert habe. Aber da sollte man dann auch aufhören.
Diese ganze Planerei übers Internet führt nämlich nur dazu, dass wir im Vorhinein zu viel Zeit investieren und während des Urlaubs dann nicht richtig abschalten können, denn wir müssen ja dieses noch ansehen und jenes noch erledigen. Ist denn auch alles so, wie es im Text stand? Besser ist es, einen Ort unbefangen kennenzulernen, für sich selbst zu erkunden.
Und dann kann man sich natürlich auch innerlich vorbereiten: Einen klaren Schnitt machen, einen Abschied feiern und — noch einmal — loslassen. Das ist nicht immer ganz einfach, jeder kennt ja diese Sorgen: Ist der Herd noch an, ist die Haustür auch wirklich abgeschlossen, gibt es einen Rohrbruch während ich weg bin? Da muss man raus und sich einfach ein bisschen treiben lassen.
Wir Deutschen neigen ja leider oft zur Über-Organisation mit Reiserücktritts-Versicherungen und allem drum und dran. Das ist gar nicht gut. Um das Treiben-lassen zu üben, kann man auch mal an einem Wochenende durch die Gegend fahren und einfach irgendwo den Blinker setzen und schauen wo man ankommt. Genauso kann man auch seinen Urlaubsort erkunden: Vor die Tür gehen und loslaufen und schauen, wo man ankommt.
Natürlich kann man auch mal einen Reiseführer zur Hand nehmen, wenn einem langweilig wird, oder sich ein paar Ausflugsziele suchen. Die richtige Mischung macht’s!
Kann es dann nicht auch Leerlauf geben?
Doch, ich glaube aber, dass solche Leerräume ganz wichtig sind. Das sind Situationen, in denen sich etwas abspielt, übrigens auch zu zweit. Wenn man als Paar Urlaub macht, dann sind das eigentlich die beglückendsten Phasen, wenn man nur die Natur um sich hat, die Landschaft genießen kann und nicht von einem Event zum nächsten hechelt. Sieben Kathedralen in zwei Tagen oder so etwas.
Man muss sich natürlich trauen, diese Freiräume zuzulassen, denn schnell kommt da dann das Gespenst Langeweile hervorgekrochen. Deswegen sage ich immer: Ein Urlaub ist ein guter Gradmesser, wie es um eine Beziehung steht. Entweder es wird ganz prickelnd, weil man endlich ganz viel Zeit für sich hat, oder man muss feststellen, dass man gar nichts miteinander anfangen kann und nur eine Wüste vor einem liegt. Das kann eine wertvolle Erfahrung sein, im Positiven wie im Negativen.
Was ist der Vorteil vom alleine reisen?
Macht es denn auch Sinn, mal alleine in den Urlaub zu fahren?
Auf jeden Fall, ich habe das auch schon öfters gemacht. Solche Trips können sehr lohnenswert sein. Etwa, wenn man in einer Krise steckt, es einem nicht gut geht oder man eine schwere Aufgabe vor sich hat. Wenn ich nicht weiß, wie es weitergehen soll in meinem Leben, dann kann ein Urlaub alleine gewinnbringender sein als mit Freunden oder dem Partner. Denn dann muss ich mich mit mir selbst konfrontieren und Unklarheiten können sich auflösen.
Ich vergleiche das mal mit einer von diesen Schneekugeln, die man schütteln kann und dann schweben die Flocken in der Kugel herum. Doch irgendwann legen sie sich dann wieder, das Wasser wird klar und man kann wieder alles erkennen. Genau so kann auch ein Solo-Urlaub wirken. Als eine Art Klärungsprozess, ein bisschen wie Meditation, man lässt den Geist zur Ruhe kommen. Und dann erholt sich auch der Körper.
Viele denken immer, in einer Horde auszurücken wäre das pure Glück, das glaube ich nicht. Es kann natürlich eine schöne Form sein, mit Freunden in den Urlaub zu fahren. Sagen wir mal: alleine zu fahren ist eher etwas für Fortgeschrittene. Es ist anspruchsvoller, mit sich alleine zu sein, anstatt immer Ablenkung um sich herum zu haben.
Aber wenn man das schafft, dann kann man auch Dinge erfahren, die jemand, der immer nur in der Gruppe reist, nie erleben wird.
Zum Schluss nun: Was finden Sie beim Thema Urlaub besonders wichtig?
Im Grunde genommen gehört das Thema Urlaub ja in das übergeordnete Thema “Freizeitgestaltung” hinein. Was tun wir, wenn wir mal nicht arbeiten müssen? Alle träumen von Freizeit, doch häufig, wenn sie dann da ist, wissen sie nichts mit ihr anzufangen. Und dann schlägt man nur irgendwie die Zeit tot. Dabei ist freie Zeit doch eigentlich das schönste, was der Mensch hat, und er sollte herausfinden, wie er sie erfüllen kann.
Das ist im Prinzip auch das Plädoyer von meinem Buch, denn es ist kein Ratgeber, sondern es soll Probleme aufzeigen, damit die Menschen sich darüber Gedanken machen können und so den Weg zu einem besseren Urlaub finden. Das Plädoyer ist also: Müßiggang, Loslassen, herausfinden was zu einem passt. Es einfach mal riskieren, sich die Zeit nicht komplett zu verplanen, sondern sie auf sich zukommen zu lassen und zu schauen was passiert.
Also ein gepflegtes Nichtstun, die Antennen ausfahren und etwas neues, ungeplantes entdecken. Das verändert einen. Dazu kann man zum Beispiel auch mal einen Meditationskurs besuchen oder für eine Woche ins Kloster gehen. Dann kommt man aus dem Modus des ständigen Aktiv-Seins heraus und kann tatsächlich den Augenblick genießen. Und dann stellt man fest, dass es wirklich egal ist, ob man nun in der Dominikanischen Republik unter einer Palme sitzt, oder in der Eiffel unter einer Tanne.
Wenn Sie die innere Gestimmtheit mitbringen, dann kann jeder Urlaub überall zu einem wunderschönen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte: Manuela Hartung