Als ich vor zwei Jahren vor meinen Abschlussprüfungen stand und unter einem kleinen Bonn-Lagerkoller litt, beschloss ich spontan, für einen Monat zu verreisen. Danach wollte ich mich – frisch, erholt und motiviert (so der Plan …) – meiner Magisterarbeit widmen. Es war Januar, meine Freunde waren alle zu beschäftigt, um als Reisebegleiter in Frage zu kommen — und viel Geld zum Verreisen hatte ich auch nicht. Schließlich gab mir eine Freundin den Tipp, es doch mit Wwoofing zu versuchen.
Wwoofing?! Was klingt wie die englische Lautmalerei von Hundegebell, ist eine Abkürzung und steht für „World Wide Opportunities on Organic Farms“. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk, das inzwischen weltweit existiert und eine etwas andere Form des Reisens ermöglicht: Bio-Bauern auf der ganzen Welt bieten Freiwilligen an, bei ihnen eine Zeit lang zu arbeiten und im Gegenzug freie Kost und Logis zu erhalten. Ein gutes Konzept für Menschen auf Reisen, die nicht viel Geld ausgeben wollen, gerne neue Leute kennenlernen, ökologisches Bewusstsein schätzen und die sich beim „Aktivurlaub“ besser entspannen können, als wenn sie ihren Urlaub 24/7 im Strandkorb verbringen.
Da alle diese Kriterien auf mich zutrafen, entschied ich mich spontan, den kompletten Monat März als Wwooferin in Portugal zu verbringen. Darauf, dass ich dort eine der abenteuerlichsten Zeiten meines Lebens verbrachte und sich dieser eine Monat Auszeit in jeder Hinsicht gelohnt hat, will ich an dieser Stelle nicht eingehen. Vielmehr möchte ich hier der Frage nachgehen, wie es um die Nachhaltigkeit des Wwoofing steht. Denn die ist schließlich schon dem Namen nach eines der Hauptanliegen hinter der Idee.
Die Wwoofing-Nachhaltigkeits-Bilanz: Top oder Flop?
In Portugal sind die meisten Bio-Höfe im Besitz von Aussteigern aus anderen Ländern. Dies war auch bei den Farmen der Fall, auf denen ich meine ersten Erfahrungen als Wwoofer sammelte: Ich verbrachte zunächst einige Zeit in Zentral-Portugal bei einer holländischen Familie, die dort mehrere Hektar Land bebaute. Außerdem arbeitete ich zwei Wochen bei einem englischen Ehepaar, das in der Nähe der Algarve ein Bio-Resort eröffnet hatte. Beide Familien flogen mehrmals jährlich zurück in die Heimat, um dort ihre Freunde und Verwandten zu besuchen. Ihre persönliche CO-2-Bilanz war dadurch wohl eher überdurchschnittlich hoch – genau wie die vieler ihrer Wwoofer, bei denen es sich häufig um sehr reisefreudige Menschen handelte.
Negativ auf das CO2-Konto meiner Hosts schlug mit Sicherheit auch die Tatsache, dass ihre Anwesen sehr abgelegen waren und man somit für jede Kleinigkeit ein Auto brauchte. Allein die Fahrt zum nächsten Supermarkt dauerte da oft schon eine halbe Stunde. Beispiele dafür, dass eine im Prinzip umweltfreundliche und nachhaltige Idee sich längerfristig nicht unbedingt als solche erweist, konnte ich während meiner Wwoofing-Zeit ziemlich viele sammeln.
Geld gegen Arbeit – Aktivurlaub für ein besseres Umweltbewusstsein
Die tatsächliche Ökobilanz – die in den Fällen, die ich erlebt habe, oft weit schlechter ausfiel, als es dem eigentlichen Anliegen entsprach – ist die eine Seite. Auf der anderen Seite glaube ich trotzdem, dass durch Wwoofing nachhaltiges Denken und Handeln sehr gefördert werden kann. Da wäre zunächst der Aspekt der Selbstversorgung: Meine englischen Hosts an der Algarve konnten sich und ihre Wwoofer größtenteils mit selbst angebautem Obst und Gemüse versorgen. Und auch den kompletten Bau der Anlage erledigten sie selbst und mit Hilfe der Freiwilligen.
Mir wurde als Wwoofer immer wieder bewusst, wie unselbstständig man als Stadtmensch häufig ist, weil man sich alle Dinge im Super-, Bau-, oder sonstigen -Markt um die Ecke kaufen kann und gar nicht erst auf die Idee kommt, etwas selbst zu machen. Wwoofing fördert also definitiv das kreative und handwerkliche Potenzial in uns. Nachhaltig ist Wwoofing aber vor allem auch in sozialer Hinsicht: Auf vielen Farmen kommen Helfer aus der ganzen Welt zusammen. Man muss ein toleranter Mensch sein (oder sich zwingen, schleunigst einer zu werden), wenn man in so einer Selbstversorger-Gemeinschaft zurechtkommen will. Die Idee hinter solchen Gemeinschafts-Projekt-Erfahrungen ist nicht neu, aber sie lohnt sich immer wieder aufs Neue.
Zusammengefasst fällt die Nachhaltigkeits-Bilanz des Wwoofing (zumindest nach meinen Erfahrungen) also etwas zwiespältig aus. Die tatsächliche Ökobilanz ist vielleicht in vielen Fällen eher enttäuschend (also kaum oder gar nicht besser als eine „normale“ Touristenreise), aber vor Ort ermöglicht es dem einzelnen, wertvolle Erfahrungen zu machen, die vermutlich einen sehr viel nachhaltigeren Eindruck hinterlassen als die Pauschalreise nach Mallorca.