Alle reden vom Burn-Out und dem Stress, dem wir heutzutage ausgesetzt sind. Aber was ist mit dem Gegenteil, der Unterforderung? Der Begriff dafür lautet “Boreout”. Peter Werder, einer der Buchautoren von “Diagnose Boreout”, erklärt uns, was man sich darunter vorstellen kann.
Kurz und knapp gesagt ist Boreout die Kombination von Unterforderung, Desinteresse, Langeweile und Verhaltensstrategien, sich all das nicht anmerken zu lassen. Es gibt tatsächlich viele Möglichkeiten, wie es dazu kommen kann, die aber zum Großteil in zwei Gruppen aufgeteilt werden können:
- Probleme, die durch die Person selbst hervorgerufen werden, zum Beispiel:
- Es wurde etwas gelernt, das gar nicht den eigenen Interessen entspricht
- Es wurde ein Job angenommen, der nicht zu den eigenen Kenntnissen / Fähigkeiten passt
- Probleme, die durch das Unternehmen hevorgerufen werden, zum Beispiel:
- Es werden überqualifizierte Arbeitnehmer gesucht
- Es werden zu viele Mitarbeiter eingestellt
Boreout ist eine Unterforderung im Job
Es gibt keine empirischen Daten, wie viele Menschen an Boreout leiden. Es gibt aber Untersuchungen über Stress, die besagen, dass 30 Prozent der Arbeitnehmer nicht das Gefühl haben, gestresst zu sein. Von diesen 30 Prozent könnte ein Teil also für Boreout anfällig sein. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass man entweder gestresst oder gelangweilt ist! Im Dienstleistungsbereich gibt es aber Schätzungen, dass bis zu 15 Prozent der Arbeitnehmer im Beruf unterfordert sind.
An sich sind die meisten natürlich erst einmal froh, wenn sie keinen Stress haben und es nicht ganz so viel zu tun gibt. Das muss aber ausgeglichen sein. Mal hat man mehr zu tun, mal weniger, das ist völlig normal. Problematisch wird es, wenn man konstant zu wenig zu tun hat.
Warum? Weil man sich unter Umständen unnütz vorkommt. Nicht gebraucht. Das hat sicher auch etwas mit der Persönlichkeit der Person zu tun, nicht jeder Mensch leidet darunter, zu wenig zu tun zu haben. Es gibt also kein Schema und keine Spirale, die anzeigt, dass bestimmte Voraussetzungen immer zu einem Boreout führen.
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Mache den Test und erfahre, ob du am Boreout leidest
Beantworte eine Frage mit “Ja”, wenn der genannte Umstand mehrmals im Monat auf dich zutrifft. Wenn du mehr als vier Fragen mit “Ja” beantwortest, leidest du wahrscheinlich an einem Boreout:
- Erledigst du private Dinge während der Arbeit?
- Fühlst du dich unterfordert oder gelangweilt?
- Tust du ab und zu so, als ob du arbeiten würden – tatsächlich hast du aber nichts zu tun?
- Bist du am Abend müde und erschöpft, obwohl du überhaupt keinen Stress hattest?
- Bist du mit deiner Arbeit eher unglücklich?
- Vermisst du den Sinn in deiner Arbeit, die tiefere Bedeutung?
- Könntest du deine Arbeit eigentlich schneller erledigen, als du dies tust?
- Würdest du gerne etwas anderes arbeiten, scheust aber den Wechsel, weil du dabei zu wenig verdienen würdest?
- Verschickst du während der Arbeit private E-Mails an Kollegen?
- Interessiert dich deine Arbeit nicht oder wenig?
Stress wird gesellschaftlich gewünscht
Ein besonderes Merkmal von Boreout ist, dass die betroffene Person versucht, das Problem zu vertuschen. Im Grunde genommen liegt das auf der Hand, wer möchte schon gerne zugeben, dass er gar nicht gebraucht wird, zumal am Arbeitsplatz? Das ist sozial nicht erwünscht. Stress wird gesellschaftlich anerkannt. Jemand, der gestresst ist, ist wichtig. Wie vermeidet man also, dass die Kollegen bemerken, dass man unterfordert ist? Dafür gibt es verschiedene Strategien, zum Beispiel:
- Arbeit langsamer erledigen als möglich
- Arbeit zwar schnell erledigen, aber erst später präsentieren
- Am Computer etwas tippen, das mit der Arbeit aber gar nichts zu tun hat
- Toiletten-, Kaffee- und Raucherpausen
- Private Telefongespräche wirken lassen wie geschäftliche
In gewisser Weise ist dies eine Form der Manipulation, denn aus der Ferne kann ja niemand erkennen, was man am Rechner gerade tut oder mit wem man gerade telefoniert. Man darf diese Vertuschung aber nicht mit Faulheit verwechseln, das ist ganz wichtig!
Jemand, der an Boreout leidet, ist nicht faul, er wird faul gemacht. Eigentlich möchte diese Person arbeiten, aber sie hat nicht ausreichend Arbeit zu erledigen. Jemand, der tatsächlich faul ist, leidet auch nicht darunter, nichts zu tun zu haben.
Und jetzt kommt das Paradoxe an der Sache: Zu vertuschen, dass man nichts zu tun hat, ist enorm energieaufwendig! Es ist so anstrengend, dass man abends vielleicht sogar müder ist, als wenn man tatsächlich gearbeitet hätte. Und das wiederum kann zu weiteren Problemen führen.
Boreout ist das Gegenteil vom Burnout
Boreout ist in dem Sinne keine Krankheit wie beispielsweise ein Burn-Out (wobei natürlich auch ein Burn-Out offiziell gar nicht als Krankheit geführt wird, es wird aber gesellschaftlich eher als Krankheit angesehen). Dennoch kann ein Mensch je nach Persönlichkeit sehr darunter leiden, sodass Krankheiten wie Depressionen ausgelöst werden können. Es ist also wichtig, dass man ein Boreout nicht auf die leichte Schulter nimmt, sondern sich damit auseinandersetzt und versucht, das Problem zu lösen. Welche Strategie die beste ist, hängt natürlich davon ab, was der Auslöser für das Boreout ist.
Letztlich liegt es in der eigenen Verantwortung, ein Boreout zu erkennen, das Problem festzustellen und nach einer Lösung zu suchen und nicht einfach den Kopf in den Sand zu stecken und alles so weiterlaufen zu lassen. Wir sind für uns selbst verantwortlich.
Was können Unternehmen tun, damit ihre Angestellten nicht unterfordert sind?
Unternehmen können jedoch auch versuchen, einem Boreout der Mitarbeiter vorzubeugen. Beispielsweise durch eine ehrliche Stellenausschreibung, in der nicht übertrieben wird. Oder, indem keine Qualifikationen von Mitarbeitern verlangt werden, die diese gar nicht benötigen. Auch die richtige Teamgröße spielt eine Rolle. Ein großes Team symbolisiert Status, aber es macht keinen Sinn, mehr Personen anzustellen, als Arbeit verfügbar ist.
In diesem Sinne wünsche ich dir: Frohes Schaffen!
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Aufgezeichnet von: Manuela Hartung