Wer richtig Laufen will, ohne Einschränkungen durch Schmerzen in Achillessehnen, Knien, Hüfte oder Rücken, für den gibt es eine einfach Übung: Die tiefe Hocke. Was für Kinder und Naturvölker so einfach ist, haben wir meist durch falsches Schuhwerk und zu viel Sitzen verlernt. Wie man die tiefe Hocke übt und ihre Bedeutung für das Barfußlaufen, zeigt uns heute im dritten Teil der 6-teiligen Barfußlaufschule Laufcoach Per-Olof De Marco.
Tiefe Hocke und Barfußlaufen: Lernen von Naturvölkern und Kindern
Wir möchten barfuß laufen, weil es das Natürlichste zu sein scheint. Unserer eigenen Natur am nächsten kommt. Aber wenn wir gerade nicht laufen oder stehen, setzen wir uns womöglich ins Auto, sitzen in Besprechungen oder liegen auf dem Sofa.
Dies entspricht nicht unbedingt dem Verhalten von Naturvölkern, welche hauptsächlich barfuß unterwegs sind und uns beim Barfußlaufen häufig als Vorbild dienen. Naturvölker verbringen dagegen einen großen Teil ihrer Zeit in der tiefen Hocke. Beim Kochen, bei Unterhaltungen, beim Arbeiten oder einfach nur zum Ausruhen. Stühle findet man da selten.
Schaut man kleinen Kindern zu, so fällt auf, dass auch kleine Kinder die tiefe Hocke beim konzentrierten Spielen und Erforschen bevorzugen. Kinder heben auch seltener Dinge aus dem Rücken, sondern begeben sich in die tiefe Hocke. Spätestens im Kindergarten werden sie an Stühle gewöhnt. Doch durch langes Sitzen auf Stühlen und vor Computern besteht die Gefahr ein Hohlkreuz oder einen Rundrücken zu entwickeln, oder sogar beides in Kombination.
Sitzen und falsches Schuhwerk verursachen Haltungsschäden und Rückenschmerzen
Viele Menschen haben Haltungsschäden. Der Rücken ist laut DAK (Deutsche Angestellten Krankenkasse) 2015 erneut der Hauptgrund von Krankschreibungen. Dies liegt natürlich auch an der immer höher werdenden Stressbelastung im Berufsleben. Der Rücken ist eben, ähnlich wie der Fuß, eine Meldezentrale für psychosomatische Erkrankungen.
Wenn wir viel auf zwei Beinen unterwegs sind, was ich in einem anderen Text empfohlen hatte, dann müssen wir selbstverständlich auch viele Pausen machen. Zu viel (!) Stehen ist genau so ungesund, wie zu viel auf Stühlen sitzen. Das Sitzen auf Stühlen zum Pausieren ist eine halbgare Sachen. Sind wir beim Stehen und Gehen in vollständiger Streckung, so sind wir beim Sitzen überall nur halb gebeugt.
Tiefe Hocke als beste Vorbereitung für Läufer
Die tiefe Hocke, wie sie von den Naturvölkern vorgelebt wird, staucht uns nahezu ins Gegenteil der Streckung zusammen. Sprunggelenk, Kniegelenk, Hüftgelenk sind in stärkerer Beugehaltung. Es entsteht jedoch nicht viel Belastung auf die Gelenke, da keine starken Hebelkräfte auftreten.
Diese Übung ist essenziell, um den richtigen Fußaufsatz beim Laufen zu gewähren. Kann man nicht in der tiefen Hocke mit den Fersen auf dem Boden sitzen, ist der Fuß auch beim Laufen nicht in der Lage, richtig zu dämpfen.
Nach längerem Üben Entspannung in der tiefen Hocke finden statt zu Sitzen
Wenn wir uns hinhocken, sollten wir dabei entspannt sein und viel Zeit zum Üben nehmen. Nicht jeder kann problemlos in die tiefe Hocke gehen. Aber selbst wenn man erstmal gar nicht in die tiefe Hocke kommt, so ist schon das Üben an sich eine gute Aufgabe. Sie bereitet den Körper optimal auf das Barfußlaufen vor.
Wir möchten dabei lernen, unseren Körperschwerpunkt konstant über unserem Fußballen zu halten. Wer gar nicht erst runterkommt, nimmt sich einfach ein Handtuch, rollt dieses zu einer Wurst zusammen und stellt sich mit den Fersen darauf. Dann geht es für die meisten von uns problemlos.
Die Füße können geradeaus zeigen, aber auch bis 15 Grad nach Außen gedreht sein. Die Fersen sind mit am Boden. Die Beine sollten etwa schulterbreit auseinander stehen. Die Knie sind komplett gebeugt und sollen nicht nach innen fallen. Das Steißbein zeigt zum Boden, das Gesäß braucht nicht nach hinten gestreckt werden, wie es bei sportlichen Kniebeugen schon mal gemacht wird.
Der Rücken kann komplett rund sein und die Arme oder Achseln ruhen auf den Knien. Es ist eine Ruheposition, das heißt man sollte sich auch fallen lassen. Später dann kann man versuchen, den Rücken aufzurichten und weitere Übungen zu integrieren, aber in erster Linie dient die Übung der Entspannung.
Ich kann nicht in die tiefe Hocke: Geduld anwenden oder fachmännische Hilfe suchen
Es gibt diverse Gründe, warum die tiefe Hocke nicht funktioniert. Manche sind körperlich, manche sind eher fehlende Technik oder fehlender Entspannung geschuldet. Wenn das Sprunggelenk nicht ausreichend mobil ist (weil das Sprungbein zu weit vor steht), oder die Schienbeinmuskeln aufgrund des Dehnungsreizes stark anspannen, wird es schwer sein, entspannt in die tiefe Hocke zu kommen.
Auch unzureichende Hüftmobilität und verkürzte Rückenmuskeln, oder eine Kombination aus allem Genannten, kann die Hocke erschweren. Beständiges Üben verbessert die Hocke dennoch in den meisten Fällen. Wenn sich gar nichts tut, kann man die Hilfe eines Fachmann oder einen anderen guten Trainer für Mobilität und fasziales Training suchen.
Weitere Erkenntnisse über die tiefe Hocke und ihre Vorteile:
- Die Haltung beschleunigt die Verdauung und dadurch entsteht weniger Kotstau, welcher die Entstehung von Darmkrebs und Appendizitis begünstigen kann.
- Die tiefe Hocke schützt die Nerven, welche die Blase, Gebärmutter und die Prostata versorgen.
- Sie unterstützt die natürliche Versiegelung der Ileozäkalklappe und schützt dadurch den Dünndarm vor Verunreinigung.
- Sie trainiert den Puborektalmuskel, der für die Kontinenz von Bedeutung ist.
- Ein Hämorrhoidenleiden kann durch sie Linderung erfahren.
- Frauen in der Schwangerschaft profitieren ebenfalls von der täglichen Hocke. Sie bereitet auf eine natürliche Geburt vor.
- Sie verbessert die Mobilität in Sprunggelenk, Knie, Rücken und Becken.
Als Einstieg in die tiefe Hocke empfiehlt sich, die von Ido Portal entwickelt 30/30 Squat Challenge: An 30 Tagen für mindestens 30 Minuten täglich (gerne fraktioniert) in die tiefe Hocke gehen.