Vegane Ernährung ist ein Statement zur Ernährung mit nachhaltigen Folgen für die Tierzucht, die Umwelt und jeden Einzelnen. Warum es aber nicht nur aus politischen oder gesundheitlichen Gründen gut ist, sich fleischlos zu ernähren, sondern unsere Küche auch vielfältig geschmacklich bereichert, das erklärt uns Surdham Göb, Autor des Buches “Vegan Daily”.
Das Interview führt Annette Coumont
Lieber Herr Göb, in Ihrem neuen Buch “Vegan Daily” stellen Sie Rezepte für die vegane Küche für jeden Tag vor. Viele assoziieren mit vegan immer noch Verzicht. Inwiefern bereichert uns die vegane Küche ganz im Gegenteil?
Die vegane Küche ist die größte Bereicherung, die man sich mit Essen wohl schenken kann. Leichtes Essen, das gewaltfrei und lebendig den Weg in unsere Körper findet. Steckt man einen Kürbis wieder in den Boden, oder einen Apfel, dann kommt mit ein bisschen Pflege ein neuer Kürbis, ein Apfelbaum zum Vorschein. Steckt man ein Schnitzel in den Boden, passiert einfach nichts.
Tierisches Protein soll gesund und wichtig sein, das versucht uns die Medizin immer noch beizubringen, auch wenn sie mittlerweile zugibt, dass Wurst Krebs verursacht und die Fleischqualität so schlecht geworden ist in unseren Betrieben, dass die Nährwerte einfach nicht mehr stimmen.
Alle Gewürze dieser Welt sind vegan, alle Farben im Essen sind vegan, das heißt, dass Geschmack und Farben aus den Gemüsen dieser Welt kommen. Fleisch ist braun, politisch und kulinarisch einfach ein no-go…langweilig, leblos, tot.
Der Umstieg ist anfangs schwer, einfach weil man sich total umstellen muss und seine Gewohnheiten hinter sich lassen muss. Zutatenlisten der Lebensmittel müssen studiert werden, viele Zusatzstoffe sind nicht erkennbar als Fisch, Fleisch, Käse oder Ei. Da gibt es Gelatine, Vollei, Lactose und E-Stoffe, die tierischen Ursprungs sind.
Das ist kein Verzicht, sondern eine Umstellung der Gewohnheiten, wie ein neuer Job, eine neue Beziehung, eine neue Wohnung. Am Anfang ist man unbeholfen und denkt an die alten Zeiten zurück, aber ist man verliebt in das Leben und erkennt die Vorteile, wie mehr Energie, leichte Verdauung, Sauberkeitsgefühle im Körper der Küche und im Verstand, ist der Verzicht ein großer Zugewinn, langfristig!
Vegan Kochen ist nicht kompliziert
Eine abwechslungsreiche vegane Ernährung braucht doch sehr viele frische Zutaten und Zeit, diese zuzubereiten. Ist es nicht sehr aufwendig, jeden Tag ein anderes rein veganes Gericht zu zaubern?
Meistens warte ich beim Kochen darauf, dass die Nudeln oder der Reis endlich gar sind. Klar, ein Käsebrot ist schnell belegt, aber wenn man sich Tahini und getrocknete Tomaten als Abendbrot macht, geht das genauso schnell. Gemüse kocht im allgemeinen viel schneller als Tierisches. Selbst ein Ei braucht vier Minuten beim Kochen. Eine Zucchini ist nach zwei Minuten gar. Das sind alles Ideen im Kopf, denen es an Logik fehlt.
Klar, wenn man gewohnt ist, Fertigprodukte zu essen, Knödel aus der Packung, fertig gewaschenen Salat, fertig filetierte Hühnerbrüste, dann erscheinen Kochrezepte immer als aufwendig. Der Unterschied liegt hier aber nicht bei veganer oder tierischer Kost, sondern darin, ob man Fabriknahrung oder frische Nahrung zu sich nimmt.
Wenn man kocht, ist die vegane Kost um einiges schneller als man meint und sicher schneller als die Fleischalternative. Aber das Umdenken und das echte Verstehen der Kochkunst ist schon gefragt.
Sie sprechen in Ihrem Buch von Planung, guter Ordnung und Struktur in der Herangehensweise. Sind das nicht eigentlich die Gegenspieler von Inspiration und Kreativität, die Ihre vegane Küche sonst beschreiben?
Ganz im Gegenteil, echte Freiheit und Kreativität gibt es nur, wenn man sich an Regeln hält, die Freiheit ist viel größer, wenn man sich an die Regeln hält und sich dann in diesem Rahmen und Verständnis frei bewegen kann. Es ist wie beim Autofahren. Wenn man sich an die Verkehrsregeln hält, dann ist man frei, bis nach Frankreich oder das andere Ende der Welt zu fahren. Fährt man wie ein Wahnsinniger, kommt man nicht besonders weit und landet wohl eher im Gefängnis oder am nächsten Baum.
Es ist nicht einfach zu verstehen, wie das mit der Freiheit und der Kreativität im Rahmen der Struktur verhält. Bei einem Zen-(Meditations)-Retreat zum Beispiel ist der ganze Tag durchstrukturiert: wann wird aufgestanden, wann wird gegessen, wann wird meditiert, wann wird sich um das Haus und seine Bewohner gekümmert. Doch wenn man sich an die Struktur hält, dann ist man frei, seinen Gedanken und seinen Fantasien nachzugehen, sich total hinzugeben und frei in die Tiefe des Seins zu sinken.
Bleiben wir an der oberflächlichen Kreativität und Individualität hängen, kommen wir nicht weit. Dann bleibt das Blatt Papier einfach weiß, weil man sich nicht traut oder man anfängt über den Rand hinaus zu malen, dabei entsteht kein Bild, dabei entsteht keine Nahrung. Und in den Regeln ist man frei, zu tun und zu lassen was man will und wie man es gerne möchte.
Wochenpläne von Surdham Göb: Ein geregelter Tagesablauf
Ihre Rezepte fassen Sie in Wochenpläne, die eine feste Planung und Struktur für jeden Tag vorgeben. Was hat der ritualisierte Tagesablauf für eine Bedeutung in Ihrem Konzept der veganen Ernährung?
Das ist eigentlich nur für die Menschen, die gewohnt sind, drei Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen. Ich esse selber maximal zwei mal am Tag und fasse Mittag und Abendessen zusammen, aber nur zeitlich. Inhaltlich koche ich mir dasselbe.
Rituell ist es einfach schön, sich selber und seinen Körper mit guter Nahrung zu versorgen und damit die Familien und Freunde wieder zusammen zu bringen. Beim gemeinsamen Essen blühen die Herzen auf und alleine kocht sich niemand dreimal am Tag warmes Essen.
Für die vegane Ernährung ist es nicht wichtig, aber für unser Menschsein und unsere Herzen, Gedanken, Gefühle und für unser Sein im Allgemeinen. Das wünsche ich auch denen, die daran festhalten, verstorbene Lebewesen als Nahrung zu sich zu nehmen.
Kann man Ihrem Konzept auch folgen, wenn man den Zeit- und Wochenplan nicht einhält?
Auf alle Fälle, das ist einfach eine Hilfestellung. Mit den Plänen kann man einfach sein Hirn ausschalten und sich dem Essen und Genießen hingeben. Die Planung fällt weg und alles was wichtig ist für einen gesunden Körper, ist im Essen. Wenn noch ein bisschen Bewegung und Liebe mit dazu kommt, hat man ein tolles Leben. Aber es ist ein Kochbuch, das man einfach so benutzen kann, wie man es kennt.
Einfach als Bilderbuch, von dem man sich inspirieren lässt, neue Zutaten und Variationen auszuprobieren. Ein Buch, aus dem man vereinzelt mal was Veganes mit auf den Speiseplan nimmt. Ein Buch um zu lesen und zu schmökern.
Mir geht es hauptsächlich darum, Bio zu kaufen und zu essen, vegan ist toll und jeder ist eh viel mehr vegan als er denkt. Und ich möchte einfach nur zeigen, wie einfach es ist, umzusteigen, wenn man es möchte. Aber ich liebe die Menschen so, wie sie sind.
In unseren Breitengraden sind wir auf Tierisches nicht mehr angewiesen und können einfach Blattgrün das ganze Jahr über zu uns nehmen. Das schaut bei den Bewohnern der Wüsten dieser Welt anders aus, ohne Tiere können sie nicht überleben. In den Bergen, in Höhenlagen, am Meer, wo es zu salzig ist für Gemüse. Vegan zu Leben muss sinnig sein, nachvollziehbar, ein Zugewinn, eine Bereicherung, sogar ein Luxus.
Warum ist für Sie das gemeinschaftliche Kochen besonders wichtig, um die vegane Küche noch besser genießen zu können?
Ach, das ist einfach, dass gemeinsam alles leichter von der Hand geht. Der innere Schweinehund leichter überwunden wird und man Spaß dabei hat. Man sich gegenseitig unter die Arme greift und man sich gegenseitig mitbringt, was sonst vielleicht im Müll landen würde. In den Küchen sind wir immer gerne, die besten Partys sind immer in der Küche, die besten Gespräche sind beim Essen oder beim Kochen.
Warum sollte man ohne Zwiebeln und Knoblauch kochen?
Zwiebeln und Knoblauch gelten gemeinhin als sehr gesund, werden aber in Ihrem veganen Konzept ausgeschlossen, warum?
Lacht:… ja ich weiß, das mit dem Zwiebeln und Knoblauch ist für die Menschen viel schwerer nachzuvollziehen als das vegane.
Es ist einfach ein Erfahrungswert von mir. Ich habe kein Konzept beim Essen, alles ist erlaubt im Leben. Jeder soll essen, was ihm gut tut, ob das Paleo oder vegan ist, ob das Mc Donalds oder slow food ist. Das ist wirklich eine so individuelle Sache, die sich wohl auch im Laufe eines Lebens immer wieder ändern wird.
Bei Zwiebel und Knoblauch ist es so, dass es sehr intensive Gewürze und Gemüse sind, die einen einheitlichen Geschmack kreieren. Vor allem in der vorgefertigten Convenience Küche gibt es wohl nichts außer Schokolade und Keksen, wo nicht Zwiebelpulver und Knoblauchpulver mit drinnen ist. Es ist wie Salz, die Pulver werden als Geschmacksverstärker benutzt, was dabei raus kommt ist einfach ein Einheitsbrei, so dass einfach alles immer nach Zwiebeln und Knoblauch schmeckt. Praktisch, da grüne Gewürze nicht so gerne pasteurisiert werden und dabei stark an Geschmack und Farbe verlieren.
Zwiebeln und Knoblauch sind einfach langweilig. Ich habe nichts gegen sie. Ich esse sie auch, aber bin froh, dass ich, wenn ich selber koche, die Wahl habe, diese Langweiler mal auf die Seitenbank zu verbannen und mich neuen Geschmäckern zu öffnen. Diese Bereicherung möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten. Beispielsweise Thymian mal einfach original zu schmecken, ohne ihn mit Zwiebel und Knoblauch zu verpantschen, ist ein echter Zugewinn.
Dazu kommt, dass, wenn ich mal krank bin, Zwiebelsaft und Umschläge viel besser wirken, als wenn ich jeden Tag diese natürlichen Antibiotika zu mir zu nehme. Und der Heißhunger auf Süßes verschwindet ganz von allein. Selbst wenn man viele Kohlehydrate gegessen hat und der Insulinspiegel ein bisschen verrückt spielt.
Können frische Zutaten aus Zeitgründen auch mal durch vegane Fertigprodukte ersetzt werden?
Klar, das soll jeder nach seinen Möglichkeiten machen, wie er es kann und schafft und sich Zeit nehmen kann. Doch braucht es keine Rezepte, meiner Meinung nach, wie man eine Dose Mais öffnet oder Spinat aufgetaut wird. Es ist schon so, dass frisch einfach frisch ist und alles anders schmeckt, und ist man mal eine höhere Qualität gewohnt, geht man nicht gerne zurück auf eine niedrigere.
Aber Gott behüte, jeder nach seiner Facon und seinen Möglichkeiten und Wünschen. Das ist ein Angebot und die Möglichkeit, das Brot selber zu backen, bevor man ein Rezept auf Chefkoch sucht, das dann wieder nicht so richtig ausgearbeitet ist und dann nur frustriert, da es nicht so funktioniert.
Lieber Herr Göb, wir danken Ihnen für das Interview!
Sehr sehr gerne und Ihnen alles Gute auf dem Weg, die Nahrung für sich zu finden, die Ihnen so richtig gut tut.