Die Suppe ist eine Ur-Mahlzeit in der Menschheitsgeschichte. Bereits unsere Vorfahren saßen gemeinsam um den heißen Topf und löffelten die warme Speise. Warum Suppen aber immer noch und sogar mehr denn je zeitgemäss sind erklärt uns Martina Schurich, Gastrosophin und Autorin von “Suppen machen glücklich”.
Sehr geehrte Frau Schurich, Sie sind Gastrosophin. Was genau machen Sie in Ihrem Beruf?
Unter Gastrosophie versteht man die Betrachtung von Essen und Trinken aus unterschiedlichsten Sichtweisen. Dabei geht es nicht nur um medizinisch-gesundheitliche Themen, sondern auch um ethische, soziologische oder kulturhistorische Erkenntnisse. Als Gastrosophin möchte ich sichtbar machen, was beim Kochen, Essen und Genießen alles mitspielt, ohne, dass wir es bewusst wahrnehmen. Ich erkenne die Zusammenhänge und kann diese dann miteinander vernetzen.
Zum Beispiel gehe ich der Frage nach, warum man in anderen Ländern andere Essensgewohnheiten pflegt, oder was der Grund für unterschiedliche Geschmacksvorlieben sein könnte.
In dieser Frage befindet sich zum Beispiel auch irgendwo die Erklärung für den unberechtigt schlechten Ruf der Englischen Küche. Ich verbringe viel Zeit in England und beschäftige mich dort mit kulinarischen Themen, die durch englische Kulturgeschichte geprägt wurde. Derzeit entwickelt sich eine neue Brotkultur. Und das finde ich sehr spannend.
Wieso machen uns Suppen glücklich?
Wer mit dem Löffel in der Hand vor seinem duftenden Teller Suppe sitzt, den umhüllt meist ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Mit Suppe verbinden wir viel Positives. Interessanterweise wird auf der ganzen Welt Suppe gegessen. Und ein Blick auf unsere Menschheitsgeschichte gibt uns eine mögliche Erklärung dafür: Erst mit der Erfindung des Feuers konnten Nahrungsmittel erhitzt werden. Über dem Feuer köchelten Zutaten wie Getreidekörner, Wildgemüse und manchmal Fleisch.
Gekochte Mahlzeiten waren besser zu verdauen und haben wesentlich zur Menschheitsentwicklung beigetragen. Diese wärmende, kräftigende Ur-Suppe hat unsere Vorfahren Tausende von Jahren genährt. Um diesen Topf über dem Feuer sammelten sich die Menschen, um gemeinsam zu essen. Das Wohlgefühl hat sich im Laufe der Evolution nicht verändert. Wir lieben diese Mahlzeit heute noch genauso wie damals unsere Vorfahren. Suppe ist mit vielen positiven Gefühlen verknüpft und umhüllt uns mit Glück.
Eine Suppe ist auch für Kinder eine tolle Mahlzeit, die alle wichtigen Bestandteile der kindlichen Ernährung abdecken kann. Wie können wir für sie Suppen attraktiver machen?
Kreative Suppeneinlagen, wie die alt bewährten Buchstabennudeln oder selbstgemachte Backerbsen wecken Vorfreude und regen die Phantasie an – Backerbsen könnten schwimmende Eisschollen im Meer sein, die man aufisst. Kleine Geschichten, die vom Essen etwas ablenken, können wirken.
„Heute gibt’s Piratensuppe“ – mit dieser Ankündigung lassen sich die meisten Buben an den Tisch locken, und die oft unbeliebten Zutaten der Suppe werden zur Nebensache. Kinder lieben außerdem Farben. Mit dem entsprechenden Gemüse kann man auch bunte Suppenwelten kreieren.
Sollte das alles nicht helfen dann kann ich beruhigen. „Wir essen nicht das oft, was wir gern essen, sondern wir essen das gern, was wir oft essen“, formuliert die Foodtrendforscherin Hanni Rützler. Essen ist ein Lernprozess. Die vertraute Form von Nahrung muss erlernt werden. Also nicht die Geduld verlieren und immer wieder probieren.
Warum empfehlen Sie bereits zum Frühstück Suppen?
Brot und Brötchen gehören fest zu unserer Frühstückskultur. Ich werde davon aber müde. Eines Tages fand ich heraus, dass ich mit einem warmen Getreidebrei, zum Beispiel Haferbrei (Porridge) mit Früchten oder gekochter Hirse mit geriebenen Äpfeln und Nüssen, besser in den Tag starten kann. Es muss nicht viel davon sein – eine kleine Portion reicht als Energieschub bereits aus.
In Asien wird zum Frühstück Miso-, Reis- oder Nudelsuppe gegessen. Es ist eine leichte Mahlzeit, die den Organismus optimal versorgt aber nicht belastet. In unserer Gegend würde ich eher eine Kartoffel-, Einbrenn- oder Grießsuppe empfehlen. Sie ist aus heimischen Zutaten, versorgt uns mit Flüssigkeit und regt sanft die Verdauung an. Sie wärmt den Magen und gibt dem Körper Energie. Je nach Geschmack kann man sich die warme Mahlzeit süß oder pikant zubereiten. Einfach mal am Wochenende ausprobieren.
Bei Erkältung die richtige Suppe essen – warum ist das gut und wie geht das?
Der Ausdruck Kraftbrühe kommt nicht von ungefähr. Die Kraft einer Rindssuppe soll auf unseren Körper übergehen und positiv wirken. Sie ist warm, gekocht und flüssig – somit eine quasi vorverdaute Speise, die ganz leicht verstoffwechselt werden kann ohne den Körper zusätzlich zu fordern. Die Hühnerbrühe ist ja das bekannteste Beispiel für die Heilwirkung von Suppe, die übrigens erwiesen ist. Eine Mindestkochdauer von 90 Minuten ist jedoch erforderlich um all die wichtigen Stoffe zu gewinnen.
Bereits Hippokrates und später Hildegard von Bingen haben Kranken Suppen verabreicht.
Wenn man sich nicht wohl fühlt, empfehle ich, in sich hinein zuhören und zu erspüren, nach welcher Nahrung sich der Körper sehnt. Noch besser ist es, wenn uns jemand mit Liebe eine Suppe kocht. Dann tut das der Seele besonders gut. Wir fühlen uns umsorgt, in Wärme gehüllt und schon fast wieder gesund.
Regional und saisonal kochen ist Ihnen sehr wichtig. Welche Zutaten eignen sich in der kalten Jahreszeit für die heiße Suppe am besten?
Das Schöne ist, dass man nicht viele Zutaten benötigt, um eine schmackhafte Suppe zubereiten zu können. Die im Herbst und Winter erhältlichen Wurzel- und Kohlgemüse eignen sich alle bestens dazu. Würzt man dann je nach Geschmack mit Ingwer, Meerrettich, Curry oder Chili, dann wärmt die Suppe mit ihrer Extraportion Schärfe noch zusätzlich.
Für eine andere Wärme sorgt die Rote Bete Suppe, die uns visuell mit ihrem intensiven Rot „Feuer“ macht. Auch die samtige Textur einer Maronisuppe bringt den Suppenliebhaber an kalten Tagen ins Schwärmen. Generell ist jede heiße Suppe für kalte Tage geeignet. Ich persönlich liebe Eintöpfe, die pikant gewürzt sind und eine gewisse Schärfe haben.
Die heutige Schnelllebigkeit beeinflusst auch unser Essverhalten. Nicht selten kommt aus Zeitgründen ein Fertigessen auf den Tisch. Wie schaffe ich es gesundes Essen mit wenig Zeit zu vereinbaren?
Natürlich kommt bei uns auch Pizza auf den Tisch – das allerdings eher weil wir Lust drauf haben, als aus Zeitgründen. Wenn ich es eilig habe, dann mache ich mir und meiner Familie entweder Sandwiches – das geht schnell und schmeckt gut – oder koche eine Suppe. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Es ist eine warme Mahlzeit die aus frischen Zutaten zubereitet wird.
Zwiebel und Gemüse schälen und klein schneiden, anrösten, aufgießen, mit Kräutern nach Geschmack würzen und etwa 20 Minuten köcheln lassen, das war´s schon! Viele meiner Suppen im Kochbuch sind nach 30 Minuten fertig. Der Stabmixer oder „Zauberstab“ hilft als Kochbeschleuniger oder wenn die einzelnen Zutaten noch nicht miteinander verschmolzen sind. Ein Klacks Crème fraîche, geriebene Kürbiskerne oder geschnittener Schnittlauch zum Schluss über die Suppe – dann ist die schnell gekochte Mahlzeit sogar noch eine Augenweide.
Mit frischen Zutaten selbst kochen oder sich einen gekauften Snack einverleiben ist eine Sache der Priorität. Einer selbst zubereiteten Suppe schenkt man mehr Aufmerksamkeit und genießt jeden Löffel davon.
Und welche Suppe ist Ihre absolute Lieblingssuppe?
Meine Lieblingssuppe ist immer die, die dampfend vor mir steht und darauf wartet, von mir ausgelöffelt zu werden.
Vielen Dank für das Interview!
Die Fragen stellte: Melina Ammazzagatti