Ein aktives und leidenschaftliches Liebes- und Sexualeben ist etwas Wunderbares. Aber wenn der Drang nach ständiger Befriedigung außer Kontrolle gerät, ist Schluss mit Spaß, Romantik und Liebe. Dann geht es nur noch um den nächsten Kick – und zwar immer öfter und immer intensiver. Als hypersexuell oder auch sexsüchtig werden Männer und Frauen bezeichnet, deren Gedanken und Taten stets um das eine Thema kreisen. In der Gesellschaft wird diese Form der Sucht allerdings noch nicht als solche wahrgenommen und bedarf deshalb der Aufklärung.
Am Anfang scheint alles noch recht harmlos. Ein aktives sexuelles Verhalten gilt besonders bei Männern als äußerst männlich und wird bei ihnen selbst oder bei Freunden eher positiv oder als besonders potent bewertet. Der Begriff des Donjuanismus, ein Synonym für Sexsucht, wird in diesem Zusammenhang gerne benutzt.
Für hypersexuelle Frauen, die weniger offensiv ihre Neigung vor anderen zeigen, steht der Begriff der Nymphomanin. Die Grenzen zwischen permanenter Lust und der Last der Nebenwirkungen sind allerdings fließend und werden dann zum Problem, wenn der Sexualtrieb für die Betroffenen nicht mehr kontrollierbar ist.
Süchtig oder nur aktiv?
Die Zwanghaftigkeit des sexuellen Verlangens ist daher ein wesentliches Anzeichen für eine Sexsucht. Was meistens mit sexuellen Phantasien, Onanie und den Konsum von pornographischen Material anfängt, kann schleichend außer Kontrolle geraten und sich zu einem Zwang entwickeln. Aber ab wann lässt sich die Diagnose “sexuelle Impulskontrollstörung”, wie die Hypersexualität in der Fachsprache auch genannt wird, stellen?
In der Wissenschaft ist noch nicht eindeutig definiert, ab wann genau eine Sucht vorliegt: ab wieviel Stunden täglichen Pornokonsums? Der Anzahl an Höhepunkten am Tag oder in der Woche (mit oder ohne Partner)? Der Kontakt zu verschiedenen oder unbekannten Partnern?
Das alles ist schwierig in Zahlen zu fassen. Einigkeit besteht zumindest in der Zwanghaftigkeit des Triebes: Solange das Verhalten unter Kontrolle ist und Betroffene dem sexuellen Impuls widerstehen kann, kann man eher von einer Suchtgefährdung als von einer Sucht sprechen.
Existenzbedrohende Konsequenzen
Entscheidend ist aber auch der Grad des individuellen Leidens. Sexsüchtige können wie andere substanzabhängige Süchtige (z.B. Alkohol, Medikamente, Drogen) und substanzunabhängige Süchtige (z.B. Computerspiele, Glücksspiel, Shopping) alles verlieren.
Das ganze soziale und finanzielle Gefüge gerät aus den Fugen. Die Konsequenzen sind geradezu existenzgefährdend: vom Verlust des Arbeitsplatz, der Wohnung und Freunden bis hin zum Scheitern der Ehe.
Verführt vom Internet?
Die Ursachen für eine Hypersexualität liegen meistens in der Vergangenheit der Betroffenen. Unbewältigte Traumata aus der Kindheit oder Jugend und auch biologische Gründe können vorliegen. Begünstigt wird das Ausleben dieser Sucht aber vor allem durch das unglaublich große Angebot an Möglichkeiten im Internet.
In der Anonymität des Netzes und dem leichten Zugang immer und überall durch PC oder Smartphone finden Betroffene, was sie suchen: Cyber-Sex, Pornographie, Austausch über Webcams, Chaträume, Dating-Plattformen und auch die Möglichkeit, innerhalb von kurzer Zeit reale Partner zu finden, sind mit dem Internet erst möglich geworden. Die Online-Sexsucht wird von Wissenschaftlern bereits als eigene Spielart der Sexsucht diskutiert.
Die therapeutische Behandlung von Hypersexualität
Für Betroffene ist es wichtig, sich zunächst einzugestehen, dass sie süchtig sind. Selbsthilfegruppen sind ein guter Anfang. Anzuraten ist auch eine individuelle Psychotherapie, in der die Ursachen ergründet werden. Die Ursachen für ein hyperaktives sexuelles Verhalten sind vielfältig. Dahinter verbergen sich oft Bedürfnisse nach Nähe, Zuwendung und einer klaren Orientierung.
Mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Maßnahmen lernen Betroffene, ihre eigentlichen wahren Bedürfnisse zu erkennen und schließlich ihre Sucht und das hyperaktive sexuelle Verhalten zu überwinden. In einer Therapie lernen Süchtige:
- den Zwang zur übermäßigen Beschäftigung mit Sex aufzugeben
- die Bedürfnisse nach Zuwendung und Anerkennung zu entsexualisieren
- Menschen zu finden, die sie akzeptieren
- mit Ärger und Wut umzugehen
- Hemmungen zu überwinden
Am Ende der Therapie steht das Ziel, ein zufriedenes Leben mit einer erfüllenden Beziehung und Sexualität zu führen.