Die Frau von heute ist emanzipiert. Unabhängig, tough, vielleicht sogar größer als ihr Partner. Aber hat sie auch guten Sex? Und steht das in Zusammenhang miteinander? evidero-Bloggerin Svena Steinbrecher ist der Frage auf den Grund gegangen.
Neulich habe ich ein Interview mit einer Sexualtherapeutin gelesen, in dem über den Einfluss von Emanzipation auf das Sexualleben von Frauen gesprochen wird. Die Therapeutin sieht einen Zusammenhang zwischen Emanzipation und der Schwierigkeit von Frauen, sich beim Sex fallen zu lassen.
Ich musste darüber nachdenken, ob es da tatsächlich einen Zusammenhang geben könnte und habe mich gefragt, ob es nicht vielmehr so ist, dass vor der Emanzipation überhaupt gar nicht über den Sex von Frauen nachgedacht wurde, zumindest über das Vergnügen von Frauen bei ebendiesem. War Sex für Frauen nicht nur innerhalb der Ehe möglich, es sei denn, man war eine Prostituierte? Und sollte Sex nicht alleine der Fortpflanzung dienen?
Die Frauenbewegung hat vieles verändert – auch unser Verhältnis zum Sex
Auf der Suche nach Antworten bin ich durchs Netz gesurft und musste feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, Information zu Emanzipation und der Qualität vom weiblichen Sex zu finden, wobei man, wenn man nur „Sex“ eingibt, knapp 3 Milliarden (!) Hits bekommt. Ich wollte wissen, wie das vor den 1970er Jahren war, vor der sexuellen Befreiung der Frau, vor „wer zweimal mit dem selben pennt, gehört schon zum Establishment“.
Aber so richtig fündig bin ich nicht geworden. Natürlich habe ich viel zum Thema Frauenbewegung gefunden, von den Suffragetten angefangen bis hin zu den „roaring twenties“ und der Befreiung vom Korsett, aber ob die Frauen zu der Zeit guten oder schlechten Sex hatten, darüber habe ich so gut wie nichts gefunden.
Natürlich gab es in den USA den Kinsey Report, der das prüde Amerika aufgewühlt hat und das erste Mal über das sexuelle Verhalten von Männern und Frauen berichtet hat. Alfred Charles Kinsey, eigentlich Zoologe, hat mit Hilfe von Fragebögen mehrere Tausend Männer und Frauen zu ihrem Sexleben befragt und damit eine Welle der Empörung ausgelöst, aber gleichzeitig auch den Weg zur sexuellen Emanzipation der Frauen geebnet, in dem er veröffentlichte, dass Frauen auch ein sexuelles Interesse haben.
Fragebögen waren auch das Forschungsinstrument der Stanford Professorin Clelia Mosher, die schon im Viktorianischen Zeiten Frauen zu ihrem Sexleben befragt hat. Ihre Ergebnisse waren Jahrzehnte im Stanford Archiv verschollen und wurden erst in den 1970er Jahren entdeckt und ausgewertet. Wirklich repräsentativ war diese Umfrage allerdings nicht, da Mosher nur gebildete, weiße Mittelklasse Frauen befragt hat. Aber dennoch ist es interessant.
Was heißt denn “guter Sex”?
Also halte ich mich an die Gegenwart und schaue, wo wir Frauen heute stehen. Haben wir tatsächlich schlechten Sex und was heißt das überhaupt? Hat sich der Druck auf die Frauen in den letzten Jahrzehnten erhöht und müssen wir jetzt, nach der Befreiung durch Pille und Emanzipation, guten Sex haben? Und, was ist denn überhaupt guter Sex?
Mit der Frage nach gutem Sex beschäftigen sich seit Jahrzehnten diverse Frauenmagazine, Männermagazine und Bücher, die immer wieder andere Antworten finden. Das Bild von der männerhassenden Feministin, die den sexuellen Akt mit einem Mann als Unterwerfung ansieht, ist zum Glück schon in die Jahre gekommen.
Doch heißt guter Sex heute, dass man (oder Frau) es geil finden muss, sich den Hintern versohlen zu lassen? Ist es zur Pflicht geworden, alles nachspielen zu müssen, was man in den Medien oder in Pornos serviert bekommt? Sind wir Frauen, ebenso wie die Männer, nicht einem ungeheuren Druck ausgesetzt gut zu performen? Wie alles im Leben, gibt es auch darauf keine einfache Antwort.
Für Männer scheint es oft leichter zu sein, erregt zu werden und sich beim Sex fallen zu lassen, den Kopf auszuschalten. Und wenn Mann Probleme mit der Potenz hat, gibt es dank Viagra auch Abhilfe… Der Sex von Frauen hingegen spielt sich hauptsächlich im Kopf ab. Oftmals reicht nur eine kleine Ablenkung, sei es ein piksender Bart oder das falsche Licht, um den zarten, schüchternen Schmetterling der Erregung wieder zu verscheuchen.
Um sich beim Sex richtig fallenlassen zu können, muss schon ziemlich viel zusammenkommen. Der richtige Partner, bei dem Frau sich wohl fühlt, die richtige Stimmung, nicht das Gefühl, seinen Bauch einziehen zu müssen, nicht der Gedanke, der Körper sei nicht perfekt oder die Beine stoppelig…
Natürlich könnte man sich einen Schwips antrinken, um seine Hemmungen fallenzulassen, doch ist das auf Dauer garantiert nicht gesund. Weder für den Körper, noch für die Seele. Guter Sex hängt auch immer mit dem Verhältnis zu sich selber zusammen. Und das gilt für beide Geschlechter. Ist man mit sich im Reinen? Hat man ein gutes Körpergefühl und weiß, was einem gefällt und was nicht? Wenn man das erreicht hat, ist man schon einen riesen Schritt in Richtung erfüllter Sex gekommen. Dazu kommt dann noch die richtige Portion Respekt und Liebe füreinander und Offenheit und dann kann es losgehen.
Sex ist wie Essen
Ich denke, dass die Emanzipation auf jeden Fall dazu beigetragen hat, dass wir Frauen, und mit uns die Männer, unsere Sexualität freier entdecken und ausleben können. Um für sich herauszufinden, was gut oder schlecht ist, bedarf es viel Übung und Selbstliebe.
Oder um meine weise Mutter zu zitieren: Sex ist wie Essen. Entweder man lernt, gut zu kochen und nimmt sich viel Zeit, um ein leckeres Essen mit den besten Zutaten zu kochen, das man gemeinsam genießt, oder man geht zu McDonalds und isst Fastfood. Manchmal muss es einfach ein schneller Burger sein, aber richtig genießen kann man eigentlich nur ein gut gekochtes Essen.