Ganz gleich welchen Alters oder Gesundheitszustandes: In jedem von uns steckt das Potenzial, gesund zu werden oder besser noch – gar nicht erst krank zu werden. Jeder Mensch verfügt bereits über die Ressourcen, die er benötigt, um ein gesundes und zufriedenes Leben zu führen. Doch wie können wir den „inneren Arzt“ aktivieren? Eine zentrale Rolle in Tobias Eschs Buch “Der Selbstheilungscode – Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit” spielt die Verbindung von Körper von Geist.
Körper und Geist wurden lange Zeit als eine Einheit betrachtet. Erst durch die duale Sichtweise, der Trennung von Körper und Geist (und auch Psyche und Seele) durch René Descartes im 17. Jahrhundert festigte sich die Idee zweier voneinander getrennter Bereiche.
Eine fatale Trennung, die sich bis ins heutige Gesundheitssystem niederschlägt. Körperliche Symptome werden meistens isoliert betrachtet. Emotionale und kognitive Aspekte bleiben bei der Diagnose und Therapie oft ungeachtet. Dabei wäre es so wichtig, immer den ganzen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – so wie es vor der dualen Sichtweise Jahrtausende der Fall war.
Die Wissenschaft hat festgestellt, dass viele Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Bluthochdruck, Diabetes und Rückenschmerzen zwar mit der modernen Schulmedizin behandelt werden können, dem Geist – oder anders ausgedrückt der psychischen Verfassung – sowie dem Lebensstil wenig Beachtung geschenkt wird. Erst langsam weicht die Denkweise hin zu einer integrierten Medizin, die Körper und Geist berücksichtigt, wieder auf.
Mind-Body-Medizin als Ergänzung zur modernen Medizin
Tobias Esch ist ein großer Verfechter der integrativen Medizin, insbesondere der Mind-Body-Medizin, die in seinen Augen eine gleichwertige Ergänzung zum modernen Ansatz und auch der Naturheilkunde darstellt.
Ihr Augenmerk richtet sich auf die Gesunderhaltung des Körpers und bezieht auch „weiche“ Faktoren wie Gedanken, Emotionen, Hormone und Verhalten eines Menschen mit in die Therapie ein. Sie haben einen enormen Einfluss auf den Gesundheitszustand. Sogar der Beziehung zwischen Arzt und Patient kommt eine neue Bedeutung – auf Augenhöhe – zu.
In seinem Buch liefert er viele wissenschaftlich fundierte Argumente für eine solche Medizin, die einen ganz wesentlichen Aspekt der Gesundung in den Mittelpunkt stellt: die größtmögliche Mobilisierung der Selbstheilungskräfte.
Das Phänomen der Selbstheilung
Der Mensch ist von Natur aus darauf eingestellt, gesund zu sein. Gesundheit regelt sich quasi von selbst, denn evolutionär gesehen möchte der Mensch vor allem eins: leben bzw. überleben. Also wird der Körper alle autoregulativen Prozesse in Gang setzen, um sich in ein überlebensfähiges Gleichgewicht zu bringen und falls nötig, auch selbst zu heilen.
Selbstheilung bedeutet also Autoregulation. Auf rund 40 Prozent seines Gesundheitszustandes, schätzt Tobias Esch, kann der Mensch Einfluss nehmen, der Rest wird von den Genen und der Sozialisation bestimmt. Es lohnt sich also, sich die 40 Prozent ganz bewusst vorzuknöpfen und sie nicht dem Schicksal oder der Schulmedizin allein zu überlassen.
„Selbstheilung ist ein äußerst komplexes Phänomen, das in der Forschung noch lange nicht vollständig erklären können. Doch genau diese Komplexität ist es am Ende auch, die uns allen die vielfältigen Ansatzpunkte liefert, selbst positiven Einfluss auf unserer Gesundheit zu nehmen.“ T. Esch
Dieses Konzept der Selbstwirksamkeit, also der Glaube daran, dass der Körper in der Lage ist, von sich aus gesund zu werden, ist also neben der Autoregulation ein weiterer Baustein des Selbstheilungscodes. Das Problem ist: Der Glaube an die eigenen Selbstheilungskräfte (und das Wissen ihrer Existenz) ist bei den meisten Menschen gar nicht vorhanden. Sie sehen es als selbstverständlich an, bei gesundheitlichen Problemen zum Arzt zu gehen, Medikamente verschrieben zu bekommen und gut ist (oder auch nicht!).
Eine sehr verkürzte Sichtweise, die dem Kern des Problems im Sinne einer Mind-Body-Medizin nicht auf den Grund geht. Deshalb bedeutet Selbstheilung für den Menschen auch, Eigenverantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen; Wissen, Verstehen und Vertrauen (in den Körper und in den Arzt!) statt Fremdbestimmung und Ausgeliefertsein sind für die Selbstheilung von enormer Bedeutung, beteuert Tobias Esch zurecht immer wieder.
Selbstheilung hat einen modernen Feind
Selbstheilung ist also zunächst ein biologisches Prinzip, an das Menschen glauben sollten und sogar eigeninitiativ stärken können. Eine wichtige Voraussetzung für die Aktivierung der selbstheilenden körpereigenen Kräfte ist die Entspannung.
Neurobiologisch gesehen wirkt sich die Produktion von bestimmten Hormonen und Botenstoffen im entspannten Zustand (z.B. Serotonin, Acetylcholin) positiv auf das Immunsystem aus. Ein entspannter Organismus ist die beste Basis für die Selbstheilung – sogar die Voraussetzung!
Und genau hier fängt das Problem an: Wir leben in einer Zeit, die alles andere als entspannt ist. Leistungsdruck, permanente digitale Verfügbarkeit, globale Unsicherheit, Komplexität, Überforderung und Ängste prägen die Psyche des Menschen und lösen Stress aus – den größten Feind der Selbstheilung.
Chronischer Stress ist der größte Saboteur
Stress und Stressbewältigung spielen in “Der Selbstheilungscode” eine zentrale Rolle. Es ist bekannt, das schlechte Gedanken und negative Erfahrungen massiven Stress auslösen können. Wer ständig unter Spannung steht, wirbelt sein vegetatives Nervensystem, das Hormon- und Immunsystem kräftig durcheinander.
Evolutionär gesehen ist kurzfristiger Stress zwar durchaus auch positiv zu sehen, weil er gegen Gefahren wappnet, dauerhafter Stress hingegen ist Gift für den Körper. Das „Stresshormon“ Cortisol unterdrückt das Immunsystem geradezu. Chronischer Stress wirkt sich bis in die tiefen Ebenen des Organismus aus. Neurogenerative, immunologische, psychologische und psychiatrische und andere Krankheiten stehen mit Stress in Verbindung.
Tobias Esch geht in seinem Buch ausführlich auf die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Stress ein und betont, dass laut WHO rund die Hälfte aller Krankheiten im Jahr 2020 auf chronischen Stress zurückzuführen sind. Ein erschreckendes Szenario für Mensch, Gesellschaft und das Gesundheitssystem.
Positiv denken durch Achtsamkeit
Stress wird in erster Linie von den Gedanken und Verknüpfungen, die im Gehirn entstehen, ausgelöst. Das muss aber nicht so bleiben. Und das ist die gute Nachricht: jedermann kann lernen, die Kontrolle über stressauslösende Gedanken und Emotionen wiederzuerlangen und eine Entspannungsreaktion ganz bewusst herbeizuführen.
Denn genauso wie es möglich ist, durch negative Gedanken Stress auszulösen, ist es umgekehrt auch möglich, Kraft der Gedanken Entspannung und Regeneration zu bewirken und damit den Selbstheilungskräften freie Bahn zu machen.
Achtsamkeit, ein viel strapazierter Begriff, aber dennoch wichtiger Trend, wie Tobias Esch einräumt, kommt hier eine zentrale Bedeutung zu. Achtsamkeit gehört seiner Meinung nach zur Grundausstattung der Selbstregulation. Durch sie lernt der Mensch, seine körperlichen Empfindungen wieder besser wahrzunehmen und in Verbindung mit Geist und Körper zu treten. Meditation und Entspannungsübungen sind hier äußerst hilfreich. Entlastung, Innehalten, Selbstreflexion und Ankommen sind tiefe Bedürfnisse des Menschen.
Achtsamkeit als Haltung gegenüber dem ganzen Leben
In dem Moment, in dem der Mensch ganz im Hier und Jetzt lebt, wird dem Körper Sicherheit signalisiert und Entspannung tritt ein. Achtsamkeit als Haltung gegenüber dem Leben, der Gesundheit, und auch weiteren Lebensbereichen wie Bewegung, Ernährung, Gemeinschaft und Spiritualität ist eine Grundvoraussetzung für Selbstheilung.
Dazu liefert Tobias Esch im letzten Teil des Buches zahlreiche praktische Übungen und motivierende Tipps.
„Wer um seine Optionen weiß, die prinzipiell jedem zur Verfügung stehen, hat einen größeren Spielraum, hat mehr Werkzeuge im Koffer, kann sich des Ressourcenreichtums, auf den unsere Gesundheit zurückgreifen kann, bewusst sein. Dabei geht es am Ende nicht um die kleinsten theoretischen Detailfragen, sondern um das Zutrauen, das Anfangen, das Machen.“ T. Esch
Fazit: Deine Gesundheit braucht dich – und das Buch!
Hinter dem Begriff Code steckt keine Formel, wie man es vielleicht erwarten könnte, sondern vielmehr ein grundsätzliches Verständnis, die Selbstheilungskräfte zu reaktivieren oder zu stärken.
Das Buch trägt in hohem Maße dazu bei, dass der Leser an seine Selbstwirksamkeit glaubt, Vertrauen in sich und andere setzt, wenn Gefühle von Hilflosigkeit und Fremdsteuerung Überhand nehmen. Der Zusammenhang von Achtsamkeit, Gehirn und gesundem Körper ist, wenn auch die Idee nicht ganz neu ist, wissenschaftlich fundiert, unterhaltsam, nachvollziehbar und motivierend auf den Punkt gebracht.