Alle kennen ihn nur als Richy Müller, dabei wurde der Schauspieler 1955 in Mannheim als Hans-Jürgen Müller geboren. Seinen Spitznamen erhielt er erst durch seine Rolle als „Richy“ in dem Kinofilm „Die große Flatter“ (1979). Seit 2008 ermittelt er als Kommissar Thorsten Lannert am „Tatort” Stuttgart. Aktuell ist er im Kinofilm „Anleitung zum Unglücklichsein” zu sehen. Was ihn privat bewegt und wobei der Vater von zwei Kindern Glücksgefühle bekommt, erklärte er evidero-Autorin Liane Rapp im Interview.
Sind Sie ein Bauchmensch?
Ja, bin ich, ohne blindlings mit großen Augen wie ein Kind durchs Leben zu rennen …. Aber ich entscheide nach Bauch und nicht nach Intellekt. Wenn ich ein Drehbuch lese, lese ich es zuerst mit dem Bauch.
Was bedeutet es für Sie, glücklich zu sein?
Nicht unglücklich zu sein.
Das genügt Ihnen?
Ja. Da bin ich eher bescheiden. Gesundheit gehört für mich dazu. Steve Jobs etwa hatte zwar Milliarden auf dem Konto, musste aber in meinem Alter gehen. Man ist nicht vor Schicksalsschlägen gefeit. Aber so ein Leben zu leben wie ich es tue — wer könnte da nicht glücklich sein? Ich hab herausgefunden, was ich kann und bin in der glücklichen Lage, damit mein Geld zu verdienen. Das ist Glück pur, das gelingt nicht jedem.
Autofahren, das verursacht auch Glücksgefühle?
Das kann passieren, ja. Es ist vor allem dieses Gefühl, nicht fremdbestimmt zu sein, anhalten, wo und wann man will, nicht den Flieger umbuchen müssen, weil man seine Reisepläne geändert hat, das macht mich glücklich. Ich bin viel mit meinem eigenen Auto unterwegs, selbst lange Strecken, einmal quer durch Deutschland. Das macht mir nichts aus.
Beim Dreh sind Sie nicht ganz so frei …?!
Man ist da gewissen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Aber eine Rolle, die mir keine schauspielerischen Entfaltungsmöglichkeiten bietet, nehme ich eben nicht an. Auch ein Glücksmoment — sich die Arbeit aussuchen zu können.
Sie haben solche Jobs auch ausgeschlagen, als Sie mal 200.000 D-Mark Schulden hatten …
Das erfolgte aus einer gewissen jugendlichen Kraft heraus — die war unerschütterlich. Ich weiß nicht, ob ich das heute schaffen würde. Damals habe ich es einfach gemacht. Die Schulden hatten sich angehäuft, weil ich immer ein bisschen mehr Geld ausgab als ich verdiente. So wurde es eben nach zehn, fünfzehn Jahren ein riesiger Berg, der sich vor mir auftürmte. Da ich aber gut geführt bin von oben, bin ich da wieder rausgekommen, ohne mich dabei zu verkaufen.
Stichwort „verkaufen“ — Sie lassen sich auch nicht gern verbiegen …?
Das kann man aber auch falsch verstehen. Ich sage nicht, so bin ich und ich ändere mich nicht. Ich kann schon gut zuhören und auch Ratschläge annehmen, so sie mir sinnvoll erscheinen. Aber ich lasse mich nicht benutzen, im Sinne von ausnutzen, der Schauspieler als Ware — das versuche ich zu vermeiden.
Das heißt, Sie wollen lieber selbst „machen“?!
(überlegt kurz) Ich bin eigentlich kein Macher, ich bin ein „Ausführer“. Wenn ich einen Auftrag bekomme, führe ich den nach bestem Wissen und Gewissen aus. Aber ich treibe nicht ständig Dinge voran. Lieber lege ich auch mal die Füße hoch und tue nichts im Sinne von: das Leben genießen.
Sie haben 27 Jahre in Berlin gelebt, heute wohnen Sie mit Ihrer Lebensgefährtin und deren Kindern ländlich am Chiemsee, Heimweh nach Berlin?
Nein, überhaupt nicht. Berlin war nie meine Heimat. Da ist meine Tochter groß geworden, lebt dort wieder, nachdem sie in Paris studiert hat. Und da lebt auch mein achtjähriger Sohn. Insofern bin ich ab und zu dort. Aber es zieht mich sonst nichts dahin. Das brauche ich nicht mehr. Ich bin auf dem Land großgeworden, in Seckenheim zwischen Mannheim und Heidelberg, und insofern hat es mich aufs Land zurückgezogen. Den Rest der Zeit bin ich eh viel unterwegs, insofern genieße ich es in der Natur zu sein. Da spürt man sich deutlicher, da ist das Leben unverstellt.
Woher kommt Ihre Ablehnung gegenüber Ratgeber-Büchern?
Das hab ich schon gelernt, als meine Kinder noch klein waren. Da schreiben Leute, was man tun soll, dabei wird komplett ignoriert, dass jedes Kind, jeder Mensch anders ist. Gut, es gibt so grobe Übereinstimmungen, jeder wächst, jeder braucht Schlaf, aber es hört schon auf bei: Wenn ihr Kind mal Blähungen hat … völliger Quatsch, nur Geldmacherei und Panikmache. Interessiert mich nicht. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. Insofern bin ich froh über Geschmacksvielfalt. Sonst würde ja jeder das Auto fahren, das ich fahre … das wäre ja langweilig …
Sie beherrschen als Schauspieler die Kunst „Gefühle körperlich auszudrücken”…
Ich sehe die Herausforderung darin, dem Zuschauer eine Projektionsfläche zu bieten — dass er nachempfinden kann, was ich verkörpere. Ich will es nicht spielen, ich will es in mir entstehen lassen. Jeder kann dann weiterspinnen, was er damit verbindet. Denn jeder ist anders traurig, also spiele ich nicht „traurig“. Ich will in der Situation eine Neutralität finden. Insofern bin ich kein Mime. Ich kann nur ganzkörperlich einen bestimmten Zustand annehmen.
Hilft Ihnen dabei das Kunstturnen, das Sie acht Jahre als junger Mann betrieben haben — diese körperliche Präsenz auszustrahlen?
Ich weiß nicht, ob das noch vom Turnen kommt. Oder was da von der Seele mitschwingt … Beim Turnen hab ich sicherlich gelernt, auf den Punkt zu kommen, kompakt meinen Körper einzusetzen.
Heute treiben Sie keinen Sport mehr aktiv?
Nein, nichts mehr. Wenn ich Zeit habe, setze ich mich aufs Rad oder ich gehe Bergwandern. Am liebsten eben draußen an der Luft.
Die Fragen stellte: Liane Rapp