Es gibt einen wachsenden Markt von grünen und nachhaltigen Produkten. Doch reicht das aus, damit die Konsumenten ein nachhaltiges Leben führen können?
Um es gleich am Anfang zu sagen: Ich möchte keiner Marketing-Zielgruppe angehören – schon gar nicht, wenn es um Themen geht, die weltanschaulich oder politisch sind. In den Milieus der Sinus Markt- und Sozialforschung kann ich mich aber eindeutig einem Zielgruppen-Milieu zuordnen, bei dem die so genannte Öko-Moral als „stark überrepräsentiert“ dargestellt wird.
Solche Menschen interessieren sich besonders für ökologische Themen und kaufen gerne und häufig Bio-Produkte.
Ist Nachhaltigkeit nur ein Trend von vielen?
In den regelmäßigen Studien des Sinus-Instituts werden anhand der Lebens- und Konsumgewohnheiten verschiedener sozialer Schichten derartige Milieus als Zielgruppenbeschreibung für kommerzielle Zwecke abgeleitet. Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang als Konsum-Trend definiert. Als ein Trend unter vielen steht er neben „Wertewandel“, „Downaging“ oder „Gesundheit“ und erlangt seine Bedeutung vor allem aufgrund seines Potenzials zur kommerziellen Auswertung.
Die Marktforscher erstellen die Studien meist in Auftrag von Unternehmen oder Branchen, damit diese noch besser ihre Zielgruppen für ihre neuen Marken und Produkte erreichen können.
Nach einer aktuellen Studie der zeb Managementberatung liegt das bisher „ungehobene Potenzial“ der Zielgruppen, die “sozial-ökologisch orientiert” sowie “nachhaltigkeitsinteressiert” sind, bei 16 Millionen Menschen in Deutschland. So hat es jedenfalls Johannes Korten von der GLS Bank auf dem dritten Green-Marketing-Roundtable in München formuliert.
Dort haben 25 Marketingentscheider und Unternehmensführer über die neuen Erkenntnisse des „Green Marketings“ diskutiert. Beim Green Marketing gehe es vor allem darum, sich von innen nach außen zu entwickeln. Es müsse zunächst eine gesunde Unternehmenskultur aufgebaut werden, um erste Schritte zu gehen. “Wir müssen von einer economy zu einer good economy kommen, von einem Verständnis von brand zur good brand.” so Jörg Westfeld von der Kommunikationsagentur greenpartner.
Wichtig sei dafür auch das persönliche Commitment der Inhaber bzw. des Geschäftsführers. Und Johannes Korten ergänzt in seinem Fazit zur Markenbildung ökologisch orientierter Unternehmen: “Zum Positionieren braucht man eine Position!”
Echte Nachhaltigkeit statt Greenwashing
Genau, so sehe ich das auch. Denn der kritische und informierte Kunde schaut genau hin und wünscht sich von Unternehmen, dass sie erst nachhaltig handeln bevor sie derlei kommunizieren. Greenwashing ist nicht. Das wird von Konsumenten und ökologisch orientierten Institutionen wie der deutschen Umwelthilfe, Foodwatch oder Greenpeace direkt bemerkt und mit Häme bestraft.
Greenpeace hat dazu sogar einen eigenen Lügendetektor entwickelt. Damit stellt die Umweltorganisation immer wieder die neuesten Grünfärbereien von Unternehmen an den Pranger.
Die Produktvielfalt mit Öko-Appeal wächst aber dennoch stetig. Wer sich dafür interessiert kann sich auch auf dem Öko-Zielgruppen-Portal LOHAS über „grüne Produkte“ am Markt informieren. LOHAS steht für „Lifestyle of Health and Sustainibility“ und will die Leute erreichen, die gesund und nachhaltig leben wollen.
Das will ich auch, beides gehört zu meinem Lebensstil. Aber mir geht’s dabei nicht nur um Gesundheit. Und ich habe schon gar keinen „Lifestyle“ – das ist mir zu albern. Der Anglizismus aus der Marketingsprache impliziert eine rein trendorientierte Lebensweise. Dafür eignet sich das Thema Nachhaltigkeit einfach nicht, es ist nämlich kein Trend. Warum bloß dieser Marketing-Jargon – kann man das nicht einfach in deutscher Sprache sagen?
Ökologisch leben ist nicht einfach nur ein “Lifestyle”
Mein Problem ist: Ich kenne den ganzen Marketing-Klimbim. Aber mit meiner Haltung zur Umwelt meine ich es ernst. Wenn es um dieses wichtige Thema geht, will ich nicht mit Marketing-Schlagworten, scheinheiliger Werbung und pseudo-grünen Produkten konfrontiert werden. Das ist wie „neuer Wein in alten Schläuchen“.
Ich möchte meine begrenzten Möglichkeiten, für ökologische Themen aktiv zu werden, aber vor allem nicht durch Konsum kompensieren. Auch nicht zwingend durch wahrhaftig nachhaltige Produkte. Ökologisch zu handeln resultiert in meinen Augen aus einer Haltung. Und die ist für mich nicht an Konsum – von was auch immer – gekoppelt.
Die Marken und die Werbung besetzen aber zunehmend generische Begriffe wie „Umwelt“, „grün“ oder „ökologisch“. Auf diese Weise werden Umweltthemen immer mehr in direktem Zusammenhang mit bestimmten Marken und Produkten wahrgenommen. Und dann steht irgendwann nicht mehr das eigentliche Thema im Vordergrund, sondern nur noch das Produkt.
Prima, dann muss man ja gar nicht mehr selber nachhaltig handeln, sondern man kauft einfach entsprechend. Es beruhigt auch durchaus das Gewissen, grüne Produkte zu konsumieren, denn irgendwie will sich ja jeder Mensch eher umweltfreundlich verhalten. Und warum nicht mit dem richtigen Einkauf? Es ist doch toll, wenn man mit dem Kauf ökologischer Produkte auch noch das Wachstum der Wirtschaft ankurbelt.
Umwelt ist wichtiger als Profit
Die Unternehmen möchten das jedenfalls, sie stehen mächtig unter Druck. Sie müssen sich der Nachhaltigkeit stellen. Dies bedarf einer starken Veränderung ihrer Kultur. Ansonsten konterkariert die Kommerzialisierung von Umweltthemen deren eigentlichen Sinn. Die Nachhaltigkeit verkommt so zum Vermarktungs-Vehikel für Marken und Produkte. Wie soll es denn sonst gehen? – werde ich dazu oft gefragt. Auf diese schwierige Frage gibt es in meinen Augen leider keine einfache Antwort.
Im Rahmen einer Studie von KarmaKonsum („Indien/Spiritualität“ ist ja auch ein toller Marketing-Trend) und der Sinus Gesellschaft „LOHAS: Mehr als Green Glamour. Eine soziokulturelle Segmentierung“ wurden sogar Videos einzelner Zielgruppen-Prototypen erstellt, die man sich auf der Homepage des Portals anschauen kann.
Nun kann sich jeder, der mag, selber zuordnen. Viel Spaß! Für alle, die sich da fremdschämen: Im Marketing ist das mit den Zielgruppen halt nun mal so. Aber sonst ist man doch wohl ein freier Mensch, oder? – Naja, zumindest so lange, wie man durch seinen Konsum nicht selber zu einem Abziehbild des Zielgruppen-Modells von Unternehmen wird.