Achtsamkeitsmeditation findet immer mehr Interesse und Aufmerksamkeit. Einerseits durch die Resonanz, die sie in den tief berührten Menschen selbst erzeugt, andererseits durch eine zunehmende Anzahl von ernstzunehmenden Studien, die die Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Praxis auch klinisch belegen. So ist die Wirkung achtsamkeitsbasierter Therapien insbesondere bei der Prävention von wiederkehrenden Depressionen gut belegt. Und es gibt eine Reihe von Forschungsergebnissen, die darauf hinweisen, dass Achtsamkeitsmeditation nicht nur im Kontext von klinischen Depressionen, sondern allgemein bei seelischen Verletzungen und akuten depressiven Verstimmungen helfen kann.
Das bedeutet Achtsamkeit für unser Glück und Wohlbefinden
Im Wesentlichen geht es bei dem Begriff der Achtsamkeit um das Kultivieren von geistiger Präsenz – eine Geistesgegenwart im Augenblick, getragen von einer aufmerksamen Haltung, die stets freundlich, offen akzeptierend und mitfühlend gegenüber den eigenen Wahrnehmungen ist. Eine Präsenz ist dann gegeben, wenn wir im Augenblick leben, wach und klar, ohne ungewollte geistige Abschweifungen.
Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte, und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern – Thich Nhat Hanh
Eine Studie der Harvard University hat herausgefunden, dass wir uns umso glücklicher fühlen, je präsenter wir sind. Wir spüren uns klarer und besser. Und der Effekt dieser positiven Selbstwahrnehmung kulminiert im Laufe der Zeit, so dass eine stete Achtsamkeitspraxis ganz entscheidend zu einem gesunden und gelingenden Leben beitragen kann.
Das Problem des ruminativen Grübelns für die psychische Gesundheit
Im Gegensatz zur geistigen Präsenz stehen die abschweifenden Gedanken eines unruhigen Geistes. Schädlich kann das Abschweifen der Gedanken dann werden, wenn diese negativ sind und repetitiv werden, also ständig und wiederholt auftreten. Man nennt diese negativen Gedankenschleifen dann auch auch ruminatives Grübeln.
Menschen, die zu Depressionen und starker seelischer Verletzlichkeit neigen, sind besonders von der nachteilhaften Wirkung des Grübelkarussels betroffen. Denn diese nicht hilfreichen Denkmuster können besonders einfach und schnell durch immer subtilere Ereignisse im Leben ausgelöst werden.
Diese Welt ist nichts anderes als eine Leinwand für unsere Vorstellungen – Henry David Thoreau
Wenn wir eine negative Stimmung durchleben, ist der Glaube an die Richtigkeit der negativen Gedanken oft so stark, dass wir sie im Moment für wahr halten. Glaubenssätze wie “Ich bin so schwach”, “Ich schaff das nie”, “Ich bin einsam” werden ständig wiederholt (repetiert) und verstärken noch den Glauben an die hausgemachte Wahrheit.
Diese Denkmuster betreffen vor allem Menschen, die ein Risiko für eine depressive Erkrankung haben. Es ist aber davon auszugehen, dass auch die allgemeine Verletzlichkeit durch ständiges ruminatives Grübeln erhöht wird. Gleichzeitig setzt wie ein natürlicher Überlebensmechanimus ein Wegschieben dieser Gedanken und damit verbundenen Zustände ein, die dazu führen, das sie sich weiter ausbreiten können.
Der Zusammenhang von Selbstwert und äußeren Ereignissen für unsere Psyche
Bei Menschen mit hohem Risiko für Depressionen finden sich häufig sehr strenge Annahmen und Glaubenssätze. Damit definieren sie ihren Selbstwert stets in Abhängigkeit von äußeren Ereignissen, was meist problematisch wird, wenn diese nicht entsprechend eintreten.
Wenn ein Mensch glaubt, er werde nur geliebt, wenn er schön genug ist oder ausreichend erfolgreich, aber die eigene Bewertung kann dies nicht bestätigen, dann entstehen starke innere Diskrepanzen.
Werden diese Probleme versucht durch mentale Reflektion aufzulösen, z.B. indem nach neuen Lösungswegen für das Problem gesucht wird, um das Selbstbild und äußere Ereignisse in Einklang zu bringen, dann besteht die Gefahr, wiederum in ruminatives Grübeln zu verfallen.
Dann beschäftigen sich Betroffene wiederholt mit ähnlichen Problemen und negativen Gedanken, ohne je eine zufriedenstellende Lösung zu erreichen. So wird eine negative Stimmung eher aufrecht erhalten, statt aufgelöst. Die Verletzbarkeit und die Neigung zu Depression nehmen dadurch eher zu.
Wirkung der Achtsamkeitstherapie bei Depression und seelischer Verwundbarkeit
Im Mittelpunkt der modernen Achtsamkeitstherapie steht das Konzept der MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapie), ein 8-Wochen Programm, welches bei der Therapie von Depression bereits erfolgreich angewendet wird. Dabei werden Elemente der MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) nach Jon Kabat-Zinn mit neuesten Erkenntnissen aus der Psychotherapie zu einer Verhaltenstherapie verknüpft. Die Methode ist vor allem in der Rückfallprophylaxe der Depression genauso wirksam, wie Medikamente.
Psychotherapie und Achtsamkeit sind für die Seele so nützlich wie Messer und Gabel zum Essen – Akincano Marc Weber
Die Therapie zielt darauf ab, hinderliche Denkmuster zu erkennen und sich davon zu lösen. Dabei stehen allerdings nicht (nur) die Gedanken selbst, sondern vor allem die dadurch ausgelösten körperlichen Empfindungen und Veränderungen im Vordergrund. Die Übungen erzeugen einen neuen Fokus der Aufmerksamkeit, der mit der dauerhaften negativen Beschäftigung mit erinnerten oder rein imaginären Vorstellungen bricht.
Dabei ist es sogar im Laufe einer Therapie förderlich, die Aufmerksamkeit auf die negativen Muster selbst zu richten, sich mit unangenehmen Gefühlen und Gedanken zu konfrontieren, um diese zu verarbeiten. Eine erst einmal unangenehme Vorstellung für die meisten Menschen.
Negativen Gefühlen mit Freundlichkeit und Offenheit begegnen
Leid und Schmerz in unserem Leben können wir nicht vermeiden. Ignorieren wir das Leid und die daraus folgenden Emotionen gar, kommt es zu der paradoxen Situation, dass sich negative Emotionen verselbstständigen und bestehen bleiben, statt abzunehmen. Mit achtsamer Betrachtung können wir jedoch lernen, den Schmerz selbst und das daraus folgende weitere Leid voneinander zu unterscheiden. Denn es hängt wesentlich von unserem Umgang mit Schmerzen oder psychischen Leid ab, wie stark wir tatsächlich daran (weiter-)leiden.
Der Begegnung solcher Themen mit einer achtsamen offenen Haltung und akzeptierender Freundlichkeit hat sich als hilfreiche Reaktionsweise auf unangenehme Gefühle etabliert. So lernen auch Menschen mit depressiven Erkrankungen, wieviel Leid sie als Reaktion auf die negativen Gefühle zulassen wollen.
- Wiederholten depressiven Phasen
- Chronischer Depression
- Akuter Depression
- Ängsten
Inhalte und Übungen der MBCT – achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie
Zu Beginn eines MBCT Programms oder Kurses werden zunächst Übungen praktiziert, die die Aufmerksamkeit und das Körperbewusstsein stärken. Dabei geht es vor allem um die achtsame Wahrnehmung konkreter Empfindungen und deren Veränderungen mit einer offenen akzeptierenden Haltung.
Dazu gehört auch die achtsame Konzentration auf den Atem, wodurch es den Teilnehmern möglich wird, immer wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Durch schrittweise Erweiterung der Wahrnehmungsobjekte (Gedanken, Gefühle, Geräusche, etc.) und Übergang zu einem offenen Bewusstsein für alles, was im Hier und Jetzt geschieht, wird der Übende vertraut mit den Abläufen in seinem Geist und Körper.
Im zweiten Schritt des MBCT-Kurs Programm liegt der Schwerpunkt auf der Bewältigung konkreter Schwierigkeiten, z.B. von konkreten belastenden Gefühlen und Gedanken. In diesem Teil wird die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie wirksam. In anschließender Reflektion mit dem Therapeuten, können die Eindrücke und Schwierigkeiten angemessen bearbeitet werden.
Voraussetzungen für ein Achtsamkeitstraining oder die Meditation
Menschen, die stark zum Grübeln neigen, unter negativen Gefühlszuständen leiden, oder gar depressiv erkrankt sind, sollten sich zu Beginn an einen ausgebildeten MBSR- oder MBCT-Fachmann wenden. Die Meditation unter therapeutischer Aufsicht und die anschließende Möglichkeit zur Reflektion ist wichtig für einen guten Start in die Achtsamkeitspraxis.
Das Achtsamkeitstraining MBCT ist keine Psychotherapie. Es stellt aber eine wirksame Alternative dar, die den Betroffenen angeboten werden kann, da auch Psychotherapien und Medikamente nicht jedem langfristig helfen.
Vor allem die fortgeschrittene Einsichtsmeditation, also die Konzentration und Bearbeitung von Schwierigkeiten in der Achtsamkeitsmediation, sollten möglichst nur unter ärztlicher bzw. psychotherapeutischer Anleitung durchgeführt werden. Wer sich also zur Zeit belastet fühlt und unter akuten Gefühlsstörungen leidet, sollte sich in jedem Fall zunächst an einen qualifizierten ärztlichen Therapeuten wenden.