Im Alltag bewerten wir ständig alles mögliche – andere Menschen, Situationen oder Dinge. Diplom-Psychologin Sara Schneider erklärt, wieso es in der Achtsamkeit wichtig ist, sich im “nicht-bewerten” zu üben und etwas auch mal neutral zu betrachten.
Wenn wir, was in letzter Zeit immer häufiger und in den unterschiedlichsten Medien geschieht, über Achtsamkeit lesen, so finden wir meist die Warnung vor Bewertungen. Es heißt fast immer, man solle Nicht-Bewerten üben, um eine achtsame Haltung einnehmen zu können. Dieser Ansatz stammt aus der buddhistischen Tradition der Achtsamkeit und hat sicher eine gewisse Plausibilität.
Dennoch „scheitern“ viele Übende eben an dieser Aufforderung zum Nicht-Bewerten. Es kommt sehr häufig vor, dass Menschen mir sagen: „Ich schaffe es nicht, achtsam zu sein, ich bewerte immer wieder. Das ist falsch.“ Oder gar: „Das kann ich nicht, das ist zu schwierig für mich.“
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Achtsamkeit ist aber eben gerade nicht schwierig, da sie das geschehen lässt, was in eben diesem Augenblick geschieht – und manchmal bewerten wir nunmal. Es wäre unachtsam, dies nicht tun zu wollen, denn dann würden wir ein Ziel verfolgen (nämlich nicht zu bewerten). Und letztlich geben wir uns die Schuld, wenn wir dieses Ziel nicht erreichen. Wir bewerten uns dann selbst negativ, weil wir bewerten.
Wir bewerten im Alltag (wie auch in außergewöhnlichen Situationen) oft und rasch. Dabei verwenden wir in der Regel Maßstäbe wie „richtig – falsch“, „schön – hässlich“, „gut – böse“ und so weiter. Bewertungen sind häufig sinnvoll und notwendig. Wie sollte man sich entscheiden, welche Schuhe man sich kauft, ohne zu bewerten? Wie sich eine Meinung zu einem Buch, einem Musikstück etc. machen?
Manchmal führen Bewertungen jedoch zu vorzeitigen Kontaktabbrüchen und einem Sich-Verschließen gegenüber dem gegenwärtigen Moment mit all seinen Facetten. Dann ist Achtsamkeit nicht mehr möglich, da diese eine offene Haltung gegenüber dem gegenwärtigen Geschehen impliziert.
Achtsamkeit bedeutet Offenheit statt Urteilen
In der Haltung der Achtsamkeit kommt es darauf an, solche spontanen Bewertungen zu erkennen und in einem offenen Kontakt mit den Dingen, Menschen, Prozessen zu bleiben, also weiter zu spüren, wahrzunehmen, zu beschreiben, was geschieht, egal, ob es uns gerade angenehm oder unangenehm ist. Das ist der tiefere Sinn der Achtsamkeit.
Dieser kleine aber feine Unterschied stellt erfahrungsgemäß für viele eine Erleichterung in ihrer Übungspraxis dar.