Die Tiny Houses Bewegung aus den USA inspiriert auch hierzulande Menschen, ihre Häuser und Wohnungen aufzugeben, um in einem winzigen Haus zu wohnen. Es ist mit allem ausgestattet, was man zum Leben braucht, man spart jede Menge Miete und Unterhaltskosten und man kann es quasi überall abstellen. Nur eine vierköpfige Familie findet dort doch nicht den notwendigen Platz, sagt Christian Bock. Deshalb lebt er zwar nicht in seinem Tiny House, aber er war so fasziniert von der Idee, dass er sich prompt eins baute. Der Tischlermeister berichtet evidero von seinen Erfahrungen.
Tiny Houses sind mobil, ursprünglich und asketisch
Lieber Herr Bock, wie sind Sie das erste Mal auf die Tiny Houses aufmerksam geworden?
Ich hatte immer schon den Wunsch, mir eine mobile Behausung zu bauen, die möglichst ursprünglich und gemütlich sein sollte. Begonnen habe ich mit einem Bauwagen, der allerdings vor der Fertigstellung eine andere Aufgabe erfüllen musste. Er dient jetzt als Sattelkammer. Ich habe mich dann immer weiter mit dem Thema beschäftigt und bin dabei vor drei Jahren auf das Haus Ebu von Jay Shafer aus den USA gestoßen. Das hat mich beeindruckt und inspiriert.
Und dann haben Sie sich überlegt, ich baue mir selbst so ein Tiny House?
Ja! (Lacht) Ich habe zwei Jahre geplant, gerechnet, gezeichnet, einige Modelle gebaut und im November 2014 endlich angefangen zu bauen. Der Bau war dann auch für uns als Team noch mal ein interessanter Prozess. Trotz intensivster Planung gab es immer wieder Dinge, die wir neu überlegt haben. Gerade im Gespräch mit meinen Mitarbeitern sind viele Details noch mal überarbeitet worden, so dass es noch besser wurde als geplant. Fertig geworden sind wir im Mai 2015.
Was waren die größten Herausforderungen beim Bau?
Die größten Schwierigkeiten sind in Deutschland das zulässige Gesamtgewicht. Bei 3,5 Tonnen ist nun mal Ende. Gerade wenn man wie wir mit ökologischen Baustoffen arbeitet und auch bei der Dämmung keine Kompromisse eingehen möchten, muss man sich in der Größe beschränken. Das ist nicht tragisch, schließt aber Projekte für vierköpfige Familien wie in Amerika aus. Dann muss man eben zwei Häuser bauen.
Wieviel kostet ein Tiny House?
Und wie hoch sind die Kosten?
Die Kosten für das Tiny House, so wie wir es gebaut haben, liegen bei netto 35.000 Euro. Ohne den Gussofen und die Komposttoilette. Die Kosten sind aber abhängig von dem Ausbau je nach Nutzung. Man könnte auch günstiger bauen, müsste dann aber mit einigen Kompromissen leben.
Wie ist Ihr winziges Heim ausgestattet?
Unser Tiny House hat eine Küchenzeile mit Schränken, mit Kochfeld in Kombination mit einer Spüle und einer sehr einfachen Wasserinstallation. Es gibt zwei Einbauschränke mit unterschiedlichen Aufteilungen. Eine mit einer Schiebetür abgetrennte Komposttoilette.
Der “große” Wohn und Essbereich hat einen sehr schönen Gussofen, einen Sessel, einen Esstisch, der sich zum Schreibtisch umbauen lässt und noch Regale. In Planung sind noch kombinierbare Sitzgelegenheiten, die im Innenbereich Stauraum haben und sich vom Sessel zum Sofa oder auch zum Gästebett umbauen lassen.
Im “Dachgeschoss” befindet sich das “Schlafzimmer” mit einem Doppelbett, dazu noch weiterer Stauraum. Vor dem Tiny House gibt es noch eine kleine Veranda, um den Eingang vor dem Wetter zu schützen.
Tiny House oder Wohnwagen?
Die Idee des mobilen Wohnens ist nicht neu. Was ist der Unterschied zu einem Wohnwagen-Anhänger?
Der große Unterschied ist, dass es ein richtiges Haus ist. Wände und das Dach sind nicht wie im Wohnwagen aus Kunstoff mit Styropordämmung, sondern aufgebaut wie bei einem ökologischem Holzhaus. Außen mit hinterlüfteter Lärchenverschalung, Holzweichfaserdämmung, Massivholzwandverkleidung. Das wirkt sich natürlich auf das Raumklima aus. Natürlich ist so ein Haus dafür um einiges schwerer als ein vergleichbarer Wohnwagen. Während beim Wohnwagen der Schwerpunkt auf Mobilität liegt, ist es beim Tiny House die Wohnqualität.
Mobil wird das Tiny House dadurch, dass ich es auf einen Trailer gesetzt habe, außerdem verzichte ich auf einen Frischwasser- und einen Abwasseranschluss. Eine andere Möglichkeit wäre, das Tiny House auf Schwimmpontons zu bauen, um auf dem Wasser mobil zu sein (auf Binnengewässern).
Kann man in so einem Tiny House auch richtig wohnen?
Ob man im Tiny House über einen längere Zeit wohnen mag, hängt stark von den eigenen Bedürfnissen ab. Ich habe viele Anfragen von Leuten, die ihr Leben vereinfachen wollen. Sich einzuschränken kann durchaus ein Plus an Lebensqualität bedeuten. Es ist aber alleine einfacher, als mit einer vierköpfigen Familie. Ich nutze das Tiny House zur Zeit als Ausstellungsfahrzeug.
Was wären in dem Fall die Vorteile?
Vorteile wären auf jedem Fall ein einfaches, ein vereinfachtes Leben, die Möglichkeit, sich die Umgebung selbst auszusuchen, und sie nach einiger Zeit auch mal zu wechseln. Man bleibt flexibel: Ein neuer Job in einer entfernten Stadt. Das Schneckenhaus reist einfach mit.
Die Kosten für die Lebenshaltung bleiben überschaubar. Es ist möglich, mit weniger Geld auszukommen, und die Zeit anders zu nutzen. Das Leben ist ursprünglicher: wenn es kalt ist, mach ich Feuer im Ofen. Es ist sicher nicht für jeden ideal, aber ich habe den Eindruck, dass sich immer mehr Menschen nach einer Vereinfachung ihres Lebens sehnen.
Und was sind die Nachteile?
Der größte Nachteil ist in meinen Augen das relativ hohe Gewicht. Das bedeutet, man benötigt ein relativ schweres Zugfahrzeug und sollte unbefestigte Flächen meiden, da die Gefahr besteht, sich festzufahren.
Was raten Sie Tiny House Interessenten, was müssen sie beachten, worüber sollten sie sich im Klaren sein?
Jeder muss sich selbst überlegen, was für ihn wichtig ist. Ob das Leben in einem Tiny House reizvoll ist oder nur Entbehrung bedeutet. Es gibt aber auch noch die Möglichkeit, das Tiny House für begrenzte Zeit zu nutzen. Als Wochenend- oder Urlaubsquartier, für eine begrenzte Lebensphase, zum Beispiel Studium, Trennung, Neubesinnung, für die Arbeit während der Woche an einem anderen Ort, als Gästezimmer oder Homeoffice oder einfach als Rückzugsort. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
Und wie geht es mit der Tischlerei Bock und den Tiny Houses weiter?
Wir sind zur Zeit an der Planung des ersten Tiny House für einen Kunden aus Süddeutschland. Wir sind gespannt, wo die Reise hingeht. Es gibt einige Anfragen und uns macht der Tiny House Bau viel Spaß. Ich bin sicher, wir werden noch einige Tiny Houses bauen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte: Melanie Lotz