Nachhaltigkeit und bewusstes Konsumverhalten sind mittlerweile auch in der Mode angekommen. Doch obwohl ein Bewusstsein von Fair Fashion und Slow Fashion bei Endverbrauchern vorhanden ist, tun sich viele schwer, ihr Kaufverhalten tatsächlich zu ändern. Zu groß ist die Verführung, den schnelllebigen Modetrends zu verfallen und die für wenig Geld ergatterten Outfits schnell wieder wegzuwerfen.
Eine Einstellung, die drei jungen Frauen so richtig gegen den Strich ging. Pola Fendel (links im Foto) und Thekla Wilkening (rechts) hatten deshalb vor rund sechs Jahren die Idee, die Kleiderei zu gründen, ein Fashionladen, in dem man in Hamburg gegen eine monatliche Flatrate Kleider ausleihen kann. In Köln eröffnete die gemeinsame Freundin Lena Schröder (Mitte) die zweite Kleiderei. evidero-Redakteurin Jutta Echterhoff hat Lena Schröder in ihrem Laden besucht und stellt sie in ihrer Rubrik echtSTARK! vor.
Liebe Lena, was ist Slow Fashion und wie wichtig ist sie in der heutigen Wegwerfgesellschaft?
Slow Fashion ist natürlich in erster Linie das Gegenteil von Fast Fashion, also schnellen Trends, die nach einer Saison veraltet sind und kaum getragen in die Müllsammlung wandern. Slow Fashion ist aus sorgfältig ausgewählten Rohstoffen hergestellt, sodass uns das Produkt lange begleiten wird. Die Produktionskette sollte möglichst kurz und überschaubar sein und mit so wenig chemischer Ausstattung wie möglich.
Ich finde es sehr wichtig, dass die Nachfrage nach guten Produkten steigt, nicht nur bei Bekleidung. Wenn die Käufer bereit sind, für gute Produkte mehr Geld zu zahlen, sind wir auch den fairen Löhnen der Textilarbeiter näher. Aber vor allem müssen die Konsumenten kritisch nachfragen und die Modefirmen so zu mehr Transparenz zwingen. Nichts verbessert sich, wenn man sich selbst nicht bewegt.
Wie kam es zu der Idee der Kleiderei?
Vor sechs Jahren kam den beiden Gründerinnen Pola Fendel und Thekla Wilkening der Gedanke, wie schön ein Laden wäre, in dem man sich Outfits ganz einfach ausleihen kann – so wie man eben auch unter Freunden Sachen tauscht und leiht.
Eigentlich mehr aus einer Laune heraus wurde die Kleiderei geboren und entsprach genau dem Zeitgeist der Sharing Economy und dem Interesse an einem nachhaltigen Lebensstil. Wir hatten wahnsinnig schnell deutschlandweit Interessenten und durch enorm viel Presse hat sich die Kleiderei zu einem bekannten Start-Up entwickelt.
Die beiden Gründerinnen kommen ursprünglich aus Köln und wir sind befreundet. Thekla war vor einigen Jahren, direkt nach meinem Modedesign-Diplom, die erste Praktikantin meines Fair Fashion Labels „Trinkhallen Schickeria“.
Seit der Gründung 2012 habe ich jede Entwicklung der Kleiderei verfolgt. Die Idee fand ich super und da ich mich mit einem eigenen Vintage Laden und dem Fashion Label gut in der Branche auskannte, entstand der Gedanke, zusammen eine Filiale in Köln zu eröffnen.
Erkläre uns kurz das Konzept der Kleiderei!
Die Kleiderei ist ein unendlicher Kleiderschrank, der dem Prinzip der Bücherei nachempfunden wurde, nur dass man nicht Bücher, sondern Kleider ausleiht. Wir sind quasi ein Second-Hand-Shop, mit der Besonderheit, dass man bei uns Mitglied werden kann. Für einen Beitrag von 25 Euro/Monat (22 Euro Studierende) kann man dann unseren Laden wie einen ausgelagerten Kleiderschrank betrachten.
Immer 4 Teile aus unserem Sortiment können gleichzeitig ausgeliehen werden. Sobald ein Kleidungsstück zurückgegeben wird, kann man sich ein anderes aus dem Laden aussuchen.
Das Angebot ist perfekt für Menschen, die gerne Abwechslung im Kleiderschrank haben und sich trotzdem nicht dem Konsum hingeben wollen. Zuhause haben sie mehr Platz, bei uns die große Auswahl! So probiert man auch schneller mal Neues aus. Unser Motto: Sich den Spaß an Mode nicht verbieten, und trotzdem nachhaltig handeln.
Wir bieten hauptsächlich Alltagskleidung an, haben aber auch ein paar Abendkleider, Hochzeitsgast-Outfits oder Witziges für Mottopartys. Außerdem haben wir Kooperationen mit fairen Modelabels, die uns aktuelle Kollektionen für den Verleih zur Verfügung stellen.
So kann jeder Fair Fashion ausprobieren und nach dem Probetragen auch das kaufen, worin er sich wirklich wohlfühlt und was er wirklich nutzt.
Du gehörst der Generation Y an und bist groß geworden mit H&M, Zara & Co. Die Verführung, günstige Kleider zu kaufen muss groß gewesen sein. Wann war der Zeitpunkt für dich erreicht, aus dem Fashion Waste auszusteigen?
Meine Generation ist leider auf Schnäppchen und Lockangebote im Einzelhandel programmiert. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 hat sich die Anzahl der Kleidungsstücke, die jeder von uns besitzt fast verdoppelt, unser zur Verfügung stehendes Budget ist allerdings nahezu gleich geblieben.
Man hat das Gefühl verinnerlicht, wenn man zu einem niedrigeren Preis mehr bekommt, ist das auf jeden Fall ein guter Deal und somit besser. Aber irgendwer zahlt dafür immer den Preis.
Glücklicherweise habe ich schon relativ früh meine Leidenschaft für Flohmärkte und Second Hand entdeckt. Seit bestimmt 10 Jahren habe ich nicht bei H&M oder Zara Neues gekauft. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass mir der Ausstieg aus dem konventionellen Shoppen natürlich leichter fällt, weil ich mich beruflich viel auf Flohmärkten bewege oder auf Veranstaltungen war, auf denen ich tolle, faire Labels kennenlernen konnte.
Nach meiner Textiltechnik plus Modedesign Ausbildung kenne ich mich auch gut mit Stoffen aus, kann Qualität sofort erkennen und weiß, wovon ich lange etwas haben werde. Mein Tipp für den schnellen Entzug: Einfach keine Filiale einer Modekette mehr betreten. Wenn man sich nicht in Versuchung bringt, muss man ihr auch nicht widerstehen.
Sehr gerne können bei uns in der Kleiderei Köln Kleiderspenden aller Art abgegeben werden. Die Kleiderei kooperiert z.B. mit der deutschen Kleiderstiftung, einem Textilverwerter, der transparent arbeitet und nach dem Verhaltenskodex von „Fairwertung“ für gemeinnützige Zwecke sammelt.
Stellst du in der jüngeren Generation ein Umdenken fest? Seit ihr kritischer geworden?
Das ist eine Frage, an der ich verzweifle. Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind soweit und beobachte, dass viele sich informieren. Ich gehe dann auch immer davon aus, dass es für gut Informierte kein Zurück mehr gibt. Aber die Zeit ist absolut von Konsum im Überfluss geprägt. Auf Instagram wird dir jede Sekunde was Neues vor die Nase gehalten, was du brauchst, damit du es auch schön und gut hast.
Und dann werden Produkte #handmade für 5 Euro angeboten, damit du dir dein gutes Gefühl auch immer leisten kannst. Aber wo bleibt bei 5 Euro der faire Lohn und wie wurden die Produkte produziert? Die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Textilindustrie in den Herstellungsländern sind oftmals menschenunwürdig.
Ich habe das Gefühl, dass Nachhaltigkeit ein riesen Thema ist, aber dass sich kaum jemand dafür einschränken möchte.
Ein großer Teil unserer Kunden, die aus der Mitgliedschaft aussteigen, obwohl sie das Konzept und unsere Auswahl toll finden, nennen uns den Grund, dass sie es nicht oft genug zu uns schaffen und sich deswegen eine Mitgliedschaft nicht lohnen würde. Dabei ist doch der wichtigste, größte Mehrwert, dass man nachhaltiger nicht konsumieren kann!
Erst letztens habe ich in einer Diskussionsrunde auf der Fair Trade Night in Köln gehört, dass der Konsum von Fair Fashion im letzten Jahr sieben Prozent zurückgegegangen ist.
Da kann man sich nur ratlos fragen. Warum? War es nur ein Trend? Oder ist durch Green-Washing die kauffreudige Zielgruppe wieder zerstreut? Da geht auf jeden Fall noch VIEL mehr!
Was würdest du dir von den Konsumenten hierzulande wünschen?
Bewusster Konsum ist wichtig und wie oben schon erwähnt, sollte jeder die Produkte, die er kauft, hinterfragen. Man kann auch einfach mal im Geschäft kritische Fragen stellen und Transparenz einfordern.
Am wichtigsten finde ich allerdings, und das wird leider oft vergessen, Langlebigkeit. Das ist ja auch unser Ansatz mit der Kleiderei: Kleidung, die schon da ist, solange gemeinschaftlich nutzen, wie sie noch genutzt werden kann.
Je älter ein Kleidungsstück, desto nachhaltiger: Alle neun Monate reduziert sich sein Verbrauch an CO₂, Wasser und Abfall um 20 bis 30 Prozent, so eine Studie der englischen Organisation WRAP.
Stücke lange tragen, reparieren, weiterverkaufen, tauschen oder spenden – erst ganz zum Schluss kommt eigentlich Recycling, denn das braucht eine Menge Energie und verschwendet Ressourcen.
Richtiges Waschen zum Beispiel wäre der einfachste Anfang.
Vielen Dank für das Gespräch, Lena