Leise Menschen sind gewöhnlich keine Gattung, die sich gerne in den Vordergrund drängt. Lieber verrichten sie ihre Arbeit sorgsam und mit höchster Präzision, um dann zum richtigen Zeitpunkt mit tollen Ergebnissen zu glänzen.
Dabei ist es kein Geheimnis: Feinfühlige sind ein großer Gewinn für jedes Unternehmen – trotzdem tun sie sich bei einer beruflichen Neuorientierung manchmal schwer, weil sie eher tief stapeln und damit in der Konkurrenz mit extrovertierten Zeitgenossen in den Hintergrund rücken. Das muss nicht sein. Hier ein paar erfolgreiche Jobstrategien speziell zugeschnitten auf leise Menschen.
Überlege dir vorher, wo und wie du arbeiten willst
Wenn du ebenfalls ein leiser Mensch bist, wirst du vielleicht auch schon die Erfahrung gemacht haben, an einem Arbeitsplatz tätig gewesen zu sein, an dem du dich unwohl fühltest. Das kann viele Gründe haben: Schlechtes Arbeitsklima, mobbende Kollegen, eine Tätigkeit, welche dir nicht entspricht oder vielleicht sogar mangelnde Freiheit oder Sinnerleben.
Gerade leise Menschen brauchen Tätigkeiten, die nicht nur in Bezug auf den Arbeitsinhalt zu ihnen passen, sondern auch angemessene Rahmenbedingungen bieten.
Das verhält sich so, weil das Nervensystem von leisen Menschen grundsätzlich sensibler ist, das heißt, du nimmst viel mehr um dich herum wahr und brauchst länger als ein Normalsensibler, um diese ganzen Eindrücke zu verarbeiten.
Das kann bedeuten, dass du schneller unter Stress gerätst und dann vielleicht nicht mehr so effektiv wie sonst arbeiten kannst. So sitzen möglicherweise zwei Menschen im Callcenter nebeneinander und der extrovertierte Zeitgenosse geht in seiner Tätigkeit auf, während der Zurückhaltende daneben überfordert ist von der Vielzahl an Kontakten.
Um diese Situationen zu vermeiden, ist es wichtig, von vornherein in sich zu gehen und zu überlegen
- Wo will ich arbeiten?
- Mit wem will ich arbeiten?
- Wie will ich arbeiten?
- Unter welchen Bedingungen will ich arbeiten?
Mache dir hier am besten eine Liste und brainstorme, was dir zu diesen Fragen einfällt. Das führt uns schon zum zweiten Punkt unserer Jobstrategien für Leise.
Nutze deine Gaben für den Bewerbungsprozess
Wenn du ein zartbesaiteter Mensch bist, besitzt du viele wunderbare Gaben, die du perfekt im Bewerbungsprozess einsetzen kannst. Dabei musst du dich nur trauen, es auf deine Art und Weise zu tun.
Was ich damit meine? Ich spreche davon, dass du mit größter Wahrscheinlichkeit ein Mensch bist, der sehr zielgerichtet arbeitet und lange an einer Sache dranbleiben kann. Gekoppelt mit einem guten Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, intuitiv wahrzunehmen, ob das Gegenüber zu dir passt, bist du bestens ausgestattet, um deinen neuen beruflichen Wirkungskreis auszuwählen.
Zielgerichtet arbeiten bedeutet im Bewerbungsprozess, genau zu erkunden, welche Optionen mir zur Verfügung stehen, um die gewünschte Stelle zu angeln. Da Feinfühlige alles andere als offensive Bewerbungsschaumschläger sind, bietet es sich an, alternative Wege zum neuen Job zu gehen.
Hier ein paar Optionen
- Erzähle deinen Freunden und Bekannten, dass du dich beruflich verändern möchtest bzw. welche Tätigkeit du dir vorstellst. Vielleicht ist ja der eine oder andere dabei, in dessen Firma gerade jetzt ein Platz frei wird. Selbsterklärend, dass deine Konkurrenz bei einer möglichen Bewerbung dann gering wäre.
- Gib ein Stellengesuch auf und lasse dich von interessierten Firmen finden. Mittlerweile ist jede Zeitung online und offline unterwegs und dein Gesuch erreicht über alle Kanäle deinen künftigen Chef. Wenn dieser von deiner Anzeige beeindruckt ist, wird er dich kontaktieren – und du kannst dir dann ganz entspannt das Jobangebot aussuchen, welches dir entspricht.
- Wenn du eine schriftliche Bewerbung abgibst, ist es immer von Vorteil, persönliche Referenzen als Bonus beizulegen – das tun bislang noch die wenigsten Bewerber. Gibt es zum Beispiel ehemalige Chefs, die von dir und deiner Arbeit begeistert waren? Engagierst du dich ehrenamtlich für eine bestimmte Sache und jemand kann das bestätigen? Möchte eine bestimmte Autoritätsperson vielleicht sogar gerne telefonische Nachfragen zu deiner Person beantworten? Wenn du hier etwas vorweisen kannst, wirst du beim neuen Arbeitgeber definitiv schon von Vornherein punkten.
Stellen wir uns vor, deine Aktivitäten tragen nun Früchte und du erhältst eine Einladung zum persönlichen Vorstellungsgespräch. Jetzt könntest du Muffensausen bekommen und dich selbst niedermachen, weil du befürchtest, nicht zu genügen.
Hier aber möchte ich dich beruhigen: Du bist gut so wie du bist und musst auch nichts anderes darstellen. Wie jeder Mensch hast du bestimmte Fähigkeiten, von denen es gilt, sie bestmöglich im Job einzusetzen. Deswegen Tipp 3:
Stehe zu deiner Person
Nicht wenige zurückhaltende Bewerber sind versucht, Jobangebote anzunehmen, bei denen sie sich innerlich denken „eigentlich traue ich mir das gar nicht zu“. Grund dafür ist die Angst, im umkämpften Bewerbermarkt kein anderes Angebot mehr zu erhalten.
Dabei nutzt es nichts, sich eine Tätigkeit zu angeln, die eigentlich gar nicht zum eigenen Wesen passt (siehe Eingangsbeispiel Callcenter). Ein Schiffbruch ist hier höchstwahrscheinlich vorgezeichnet und dient weder dem Arbeitgeber noch dem Arbeitnehmer.
Um dies zu vermeiden, ist es sinnvoll, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen – ohne sich jedoch kleinzumachen. Eine gute Möglichkeit, sich dahingehend zu präsentieren, ist die in Vorstellungsgesprächen oft gestellte Frage nach den individuellen Stärken und Schwächen.
Überlege dir hier optimalerweise vorab, was du antworten willst. Beispiel: „Ich kann gut im Zweiergespräch auf Menschen eingehen“ bzw. „es liegt mir eher weniger, vor großem Publikum Vorträge zu halten.“ So beugst du der Gefahr vor, auf eine Stelle gesetzt zu werden, die dir höchstwahrscheinlich gar nicht entspricht.
Wenn alles gut läuft, merkst du wahrscheinlich schon im Gespräch, ob der Arbeitgeber dazu tendiert, dich einzustellen. Wenn du feststellst, dass du das auch möchtest, sage trotzdem nicht sofort zu. Lieber schlage deinem Gegenüber einen Probearbeitstag vor – so könnt ihr beide herausfinden, ob ihr wirklich zueinander passt. Das führt uns zum letzten Tipp der ungewöhnlichen Jobstrategien für Leise:
Mache dich mit deinem künftigen Arbeitsumfeld vertraut
Ein Probearbeitstag ist meiner Meinung nach Gold wert – sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer. Beide können sich einen Eindruck vom anderen verschaffen, wie er sich im Arbeitsalltag gibt. Auch gibt es die Möglichkeit, sich mit der zukünftigen Tätigkeit und dem neuen Kollegenkreis vertraut zu machen.
Wie vorhin schon erwähnt sind feinsinnige Menschen häufig mit einer sehr guten Intuition und Menschenkenntnis ausgestattet, deswegen nutze diese wunderbare Gelegenheit, um zu überprüfen, ob du dich im neuen Wirkungskreis und mit der Tätigkeit auch tatsächlich wohlfühlst.
Mir ist es schon des Öfteren passiert, dass ich ein klasse Bewerbungsgespräch hatte und drauf und dran war, ja zu sagen – bis ich beim Probearbeitstag meiner neuen Kollegin vorgestellt wurde und es auf den ersten Blick zwischen uns einfach nicht passte. Glück für mich, denn da konnte ich trotz Wehmutstropfen rechtzeitig gegensteuern und mich nach einer ansprechenderen Alternative umschauen!
Fragen, die du dir an diesem Probearbeitstag stellen könntest
- Fühle ich mich an diesem Ort/mit dieser Person/mit dieser Tätigkeit wohl?
- Welchen Eindruck habe ich von dieser Firma – herrscht eine eher bedrückte Stimmung oder begegnen mir auch lächelnde Gesichter?
- Stimmt die Arbeit hier mit meinen persönlichen Wertvorstellungen überein?
All diese Tipps können Feinfühligen helfen, die passende Arbeitsstelle für sich zu finden. Was sie hierfür brauchen ist Zeit, Geduld, die richtigen Strategien, ein gesundes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und eine gute Menschenkenntnis: Dann wird der gewünschte Arbeitgeber sicherlich bald am Bewerberhorizont auftauchen.
Viel Erfolg!