Dr. Sven Bode ist Wirtschaftsingenieur und Umweltökonom. Er hat das arrhenius Institut für Energie- und Klimapolitik als Head of Research mit gegründet. Heute ist er Geschäftsführer der flightright GmbH. Das Gespräch führte Rasmus Elsner für evidero.
Macht Photovoltaik als Energieträger in Deutschland überhaupt Sinn?
Photovoltaik oder Solarstromerzeugung hat ein großes Problem: die Photovoltaik hat im Sommer die höchste Erzeugung. Wir in Deutschland haben aber im Winter die größte Nachfrage, Deutschland ist ein sogenanntes „winter peaking country“.
Das heißt, wenn man die Photovoltaik sinnvoll nutzen wollte, müsste man Überschüsse aus dem Sommer in den Winter transferieren. Aber Speicherung ist einfach sehr teuer, die Technologie ist noch nicht soweit und das muss man entsprechend in dieser Diskussion betrachten.
Lohnt sich die Investition in Solarenergie für Verbraucher?
Als Verbraucher mit einer Anlage auf dem Dach freue ich mich einfach nur, dass ich rechtzeitig investiert habe: das Solardach bringt Geld
Wirtschaftlich betrachtet interessieren nicht die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde, sondern die Kosten pro verbrauchter Kilowattstunde. Ein Beispiel: auch wer sich im Sommer selbst versorgen kann, hat im Winter ein Problem, denn Speicherung mit einer Batterie im Keller verteuert die Kilowattstunde und bringt mich trotzdem nicht über den Winter.
Man ist dann also auf ein Backup-System angewiesen. Diese vermeintlichen Selbstversorger docken in Notzeiten an das konventionelle Netz an, das die Allgemeinheit vorhält, ohne dass der „Selbstversorger“ dazu beiträgt. Ganz schnell haben sie dann eine Diskussion um das Rosinenpicken, denn der normale Verbraucher bezahlt ja auch noch die Solarförderung. Hier werden wir sicherlich zurecht eine Diskussion bekommen.
Soziale Gerechtigkeit wird dem Fördersystem nicht nachgesagt…
Natürlich sind auch Transferleistungen versteckt. Die Fördergelder werden auf alle Stromverbraucher umgelegt, auch der Hartz 4 Haushalt zahlt diese Umlage. Haushalte mit geringem Einkommen geben prozentual mehr für Strom aus als reiche Haushalte, es trifft sie dementsprechend härter.
Gleichzeitig sind diese Haushalte nicht diejenigen, die in solche Anlagen investieren können, um damit eine häufig stattliche Rendite einzufahren. Dazu kommt zum Beispiel, dass die stromintensive Industrie einen Deckel hat, das heißt sie zahlt nicht so viel wie der normale Haushalt, auf den dadurch überproportional hohe Kosten zukommen.
Die dezentrale Erzeugung in kleinen Einheiten gilt aber als ein Schlüssel zu „Smart Energy“?
Als Energieökonomen fragen wir immer nach einem kosteneffizienten System; was wir hier nicht ausgeben, können wir für andere Zwecke wie Bildung ausgeben. Das ist aber eine Werteentscheidung. Ein anderer Wert ist das Schlagwort „small is beautiful“. Es gibt Menschen, die sagen, ich will keine Großprojekte, die die großen Energieversorger auch können.
Eine kleine, dezentrale Anlage ist eine Werteentscheidung, die man akzeptieren kann. Die Folge sind höhere Kosten, das kann man transparent machen. Wenn wir ein solches „small is beautiful“ System wollen, könnten wir sagen, das leisten wir uns. Es ist per se nicht richtig oder falsch.
Sollte Photovoltaik gefördert werden?
Kann denn die Photovoltaik noch billiger und so konkurrenzfähiger werden?
Wir sehen in verschiedenen Bereichen noch Kostensenkungspotenzial. Bei der Erzeugungstechnologie, bei der Modulherstellung bis zum Aufbau der Anlagen. Bei großen Freiflächenanlagen hat immer mehr Automatisierung Einzug gehalten. Menschliche Arbeitskraft wird ersetzt, so dass die Kosten gesunken sind und auch noch weiter sinken können.
Aber im Gesamtsystem ist es so, dass Photovoltaik nach unserer Einschätzung dauerhaft wenig Platz hat, schlichtweg weil wir in Deutschland eine andere Nachfragestruktur über den Monat und über den Tag haben, als die Photovoltaik in Deutschland einspeist. Das passt nicht zusammen, auch wenn die Photovoltaik noch so billig wird.
Sind solche Förderkonzepte nicht korrekturfähig?
In der Anfangszeit wollte man alle Technologien fördern. Man hat sich angeschaut, wie viel kostet die einzelne Kilowattstunde und hat sie dann gefördert. Unter dem „Erneuerbare Energien Gesetz“ konnten dann immer mehr Anlagen zugebaut werden, so viel der Markt eben aufnehmen konnte – eine Mengenbegrenzung war nicht vorgesehen.
Im Laufe der Zeit haben sich entsprechende Industrien herausgebildet. Das System ist zu einem Teufelskreis geworden, die Industrie ist gewachsen und jetzt vertritt sie eben ihre Interessen.
Unter dem Motto: Es gibt mich, also habe ich einen Anspruch? Ist die Industrie wegen ihrer Besitzstände nicht mehr reformierbar?
Wenn man sich die Photovoltaikindustrie anguckt, mit Unternehmen wie Solarworld, die über eine Milliarde Euro Umsatz gemacht haben, dann spielen die eigentlich in der gleichen Liga wie RWE und Eon, mit eigenen Lobbyabteilungen, die Politik machen.
Der Politik wird suggeriert, wir haben auf dem Ländle die ganzen kleinen Handwerker, die die Anlagen auf die Dächer bauen, das finden Politiker toll. Das sind Arbeitsplätze, das sind Wählerstimmen. Das im Hintergrund die Lobbyindustrie von großen Konzernen mitläuft wird häufig vergessen.
Warum wurde das Konzept nicht von Anfang an mit „Augenmaß“ konzipiert?
Zu Anfang war zunächst einmal ein Ziel, das Oligopol der großen vier Energieunternehmen zu brechen, ihnen Marktanteile abzunehmen – egal was es kostet. Wenn das gelungen ist, dann kann man sich in einem zweiten Schritt Gedanken machen, wie ich das System dann kosteneffizient trimme. Das ist politisch motiviert, man muss es so hinnehmen, auch das ist eine Wertentscheidung.
Es wurde ja auch Technologieentwicklung gefördert mit dem Ziel Weltmarkt. Welche Chancen hat deutsche Technologie noch?
Tatsächlich waren die deutschen Solarunternehmen zunächst Marktführer bei Technologie und Preis. Wenn man sich heute die Kostenstruktur deutscher Hersteller anschaut und dagegen die Kosten für chinesische Module, dann wird es sicherlich für die deutschen Hersteller in Zukunft sehr schwer werden, auf dem Weltmarkt oder in Wachstumsmärkten partizipieren zu können.
Es heißt, die chinesischen Unternehmen bekommen staatliche Kredite zu besonders günstigen Konditionen und deshalb liege eine Marktverzerrung vor. Das wird man auf Ebene einzelner Unternehmen nicht lösen können, und das wäre dann wieder eine politische Aufgabe.
Die Energiewende ist ausgerufen, wo stehen wir?
Wir sind heute auf dem Weg der Energiewende angekommen. Wir wollen 2050 mindestens 80% Strom aus erneuerbaren Energien haben, das heißt, 400 Terawattstunden aus Grünstrom. Jetzt müssen wir fragen, welche Technologien sollen diese 400 Terawattstunden bereitstellen? Hier ist die Politik gefordert, planerische Vorgaben zu machen, politische Entscheidungen zu treffen, mit welchen Technologien wir das tun wollen. Und das ist die große Herausforderung, da traut sich gerade keiner ran.
Die Fragen stellte: Rasmus Elsner