In der heutige Wohlstands- und Konsumgesellschaft fehlt es uns an fast nichts. Nie ging es uns so gut wie heute. Noch. Denn wenn es nicht gelingt, neue Konzepte für ein nachhaltiges, bewusstes und achtsames Leben zu etablieren, verspielen wir die Lebensgrundlage für unsere Nachfahren. Der Öko-Pionier und Mitbegründer der Biosupermarktkette Basic, Georg Schweisfurth, erklärt im evidero-Interview ganz konkret, was wir alle tun können, um bewusst zu konsumieren und dabei soziale, ökologische und ethische Verantwortung zu übernehmen. Seine Mut machende Botschaft: Jeder kann auch im Kleinen dazu beitragen, um im Großen etwas zu ändern.
Die Fragen stellte Jutta Echterhoff
Lieber Herr Schweisfurth, warum sollten wir bewusster und nachhaltiger leben?
Nachhaltig Leben heißt ja, mit der Welt so umzugehen, dass auch unsere Nachkommen noch eine Lebensgrundlage haben. Das bedeutet eine intakte Natur inklusive Boden, Luft und Meeren. Das heißt auch, dass wir eine Welt hinterlassen, in der uns der Rohstoffmangel nicht vor unlösbare Fragen stellt. Also umstellen auf Sonne, Wind und Wasser. Weniger Konsum. Jeder kann im Kleinen mitmachen, damit das Große gelingt.Einfache Tipps für mehr Nachhaltigkeit
Welche Vorschläge haben Sie für einen Einstieg in ein nachhaltiges Leben in den Bereichen essen, kaufen, reisen und wohnen?
Ich komme ja aus der Bio-Lebensmittelwirtschaft und weiß, dass wir durch eine weltweite Einführung ökologischer Anbauprinzipien ohne Gift und Chemie, mit mehr Weitsicht und mehr Gerechtigkeit die Weltbevölkerung ernähren können. Unser Problem ist die kurzfristige Ausbeutung des Bodens bei massivem Humusverlust. Das ist nicht nachhaltig. Mit dem persönlichen Umstellen auf Bio-Lebensmittel kann man einen Beitrag leisten.
Um der massiven Verschwendung von Energie, Rohstoffen, Land und nicht zuletzt Lebensqualität zu entkommen, könnte jeder als Beitrag weniger kaufen und mit weniger auskommen. Das bringt auch mehr verfügbare Zeit für die wirklich schönen Dinge.
Um schließlich einen wesentlich geringeren persönlichen carbon footprint zu haben, fliegt man weniger oder fast gar nicht mehr. Beim Wohnen vernünftige Heizsysteme einführen, die billiger sind als die Industrie einem andauernd anbietet.
Sie zählen in Ihrem Buch Alternativen zum Paradigmenwechsel vom kurzsichtigen Ich-Prinzip zur nachhaltigen Wir-Perspektive. Mögen Sie uns einige Beispiele nennen?
Zum Beispiel Teilen ist ein typisches Wir-Phänomen. Immer mehr Menschen sagen, dass sie nicht mehr alles selber haben müssen, Auto, Motorsäge, Waschmaschine, Werkstatt, Wohnmobil…. alles Mögliche – und gründen ganz einfache Sharing-Plattformen oder Car-Sharing-Clubs. Ganz privat, wenn es klein sein darf, und groß mit richtigem Überbau.
Ein schönes Wir-Phänomen ist auch die enorme Hilfsbereitschaft und Aufopferung gegenüber den vielen Flüchtlingen. Mitgefühl macht unser Leben reicher, die Anteilnahme, sich in jemand anderen hineinzuversetzen.
Zum Wir-Phänomen gehören auch all die vielen Bürgerinitiativen, die community councils, „Recht auf Stadt“ in Hamburg. Hier geht es darum, sich gemeinsam nicht einfach alles gefallen zu lassen, was das „Kapital“ zum Beispiel an scheußlicher unmenschlicher Architektur und Gewerbeparks – oft nach Abriss lebenswerter Stadtteile – hervorbringt.
Weniger Müll ist besser für den Planeten
Sie thematisieren in Ihrem Buch auch den Wegwerfwahnsinn in unserer Gesellschaft. Welche Konzepte schlagen Sie vor beim Thema Müllvermeidung?
Man muss an die Industrie ran. Die hat den grünen Punkt als Feigenblatt für eine Verschwendung an Verpackungsmaterial, die ja immer schlimmer wird. Alles aus Rohöl und Bäumen gemacht und dann nur zu geringstem Teil recycelt. Aber jeder kann seinen persönlichen Müll durch geschickten Einkauf reduzieren: Mehrweg statt Einweg bei den Getränken, auch wenn’s mehr zu schleppen gibt, dafür mehr Ästhetik, Einkaufskorb mitnehmen, weniger neue Plastiktüten verwenden, auf Produkte verzichten, bei denen augenscheinlich die Größe der Verpackung in keiner vernünftigen Relation zum Inhalt steht. A
ber es wird uns auch so leicht gemacht: perfekte Supermärkte, schön designte Produkte, Convenience, und dann eine perfekt funktionierende Abfallwirtschaft. Wir sind in so einer Art Media-Markt-Mentalität angekommen: unten reinfahren und oben praktisch alles zu bekommen, was man begehrt.
Welcher Trend wird uns im Bereich Ernährung als nächstes erreichen?
Es entstehen gerade viele lokale und regionale junge Gastrokonzepte. Das hat etwas mit dem Zweifeln zu tun, weil die globalisierte Lebensmittelindustrie zweifelhafte Produkte hervorbringt, gepaart mit einem Lebensgefühl von Heimat.
Sie sprechen auch eine Ratlosigkeit und ein Scheitern bei einigen Fragen an. Was meinen Sie?
Der Punkt ist doch, dass wir alle auf dem Wege und auf der Suche sind, keiner ist perfekt, auch ich nicht, und die Dinge sind so komplex geworden, dass die Lösungen nicht so offen auf der Hand liegen. Und dann hat man das Phänomen der Gewohnheiten, das auch ich kenne: old habits die hard. Man kommt da bei der Nachhaltigkeit immer wieder an persönliche Grenzen und seine eigenen Unzulänglichkeiten. Aber das ist ok, solange jeder sich ein bisschen verändert, damit es insgesamt mittelfristig mit der Welt aufwärts und nicht abwärts geht.
Vielen Dank für das Gespräch! Und hier sind noch 10 Tipps von Georg Schweisfurth, die Mut machen, etwas zu ändern