Fast jeder kennt sein Gesicht, aber nur wenige seinen Namen: Hans-Werner Meyer, 48, spielt und spielte schon in vielen Kino- und Fernsehfilmen mit. Zurzeit überzeugt er als Leiter der Vermisstenstelle, Hauptkommissar Oliver Radek, in der ZDF-Serie „Letzte Spur Berlin“. Der gebürtige Hamburger wohnt mit seiner britischen Frau, der Schauspielerin Jacqueline Macaulay, 45, und den gemeinsamen Söhnen Duncan, 4, und Callum, 6, in Berlin. 2009 veröffentlichte er ein Buch über seine Erlebnisse als Vater und nannte es in Anlehnung an die Romane von Karl May „Durchs wilde Kindistan“. Der Schauspieler sprach mit evidero-Autorin Liane Rapp.
Sie drehen derzeit die dritte Staffel von „Letzte Spur Berlin“, einer Krimiserie, in der die Fälle von Vermissten aufgeklärt werden, und deren Leben quasi rückwärts erzählt wird — gefällt Ihnen die Rolle des „Oliver Radek“?
Daran gefällt mir eigentlich alles: Die Rolle, die Serie und die Kollegen [Anmerkung der Redaktion: Jasmin Tabatabai, Susanne Bormann und Florian Panzner]. Außerdem ist es ein Glücksfall für meine Lebenssituation, dass ich in Berlin drehen kann, denn zurzeit ist meine Frau in Recklinghausen und probt für die Ruhrfestspiele, also bin ich quasi allein erziehend.
Haben Sie selbst schon einmal erlebt, dass Menschen einfach verschwinden?
Ja, letztes Jahr. Bei uns in der Gegend wohnen viele Familien mit kleinen Kindern. Plötzlich waren zwei vierjährige Mädchen verschwunden. Die Polizei wurde gerufen, alle waren in Panik. Ich hab mich aufs Rad gesetzt, bin los, habe mich durchgefragt, und, kurz bevor es dunkel wurde, die beiden entdeckt. Die sind einfach auf Abenteuertour gegangen, nix Schlimmes. Ein paar Straßen weiter hatte sie eine Familie aufgelesen, wusste aber nicht, wohin sie gehörten und die beiden konnten das auch nicht klar sagen. Es war purer Zufall, ein Stück weit Intuition.
Sie haben ein Buch über die drei ersten Jahre mit Ihren Söhnen geschrieben und es „Durchs wilde Kindistan“ genannt, warum?
Jeder, der Kinder hat und sie nicht wegorganisiert, versteht den Titel sofort. Kinder sind das größte Abenteuer von allen, weil sie einen mehr verändern als alles andere. Bei jedem anderen Abenteuer hofft man letztlich, unbeschadet wieder herauszukommen. Aber nach der Reise durchs wilde Kindistan ist man aber definitiv ein anderer. Karl May war in meiner Jugend das Synonym für Abenteuer. Aber verglichen mit Eltern, die sich ihrer Verantwortung stellen, ist Kara Ben Nemsi, mit Verlaub, ein eitler Wicht.
Wie oft sind Sie an den eigenen Erziehungs-Idealen verzweifelt?
Täglich. Manchmal komme ich mir vor wie auf einem Bazar. Ich gebe Dir ein bisschen mehr Zeit zum Spielen, wenn Du dafür hinterher das Zimmer aufräumst. Man muss eben zuhören können. Sie zeigen ziemlich genau, was sie brauchen, darum nenne ich sie in meinem Buch die “Meister”. Verbote und Ansprüche sind kein Selbstzweck, man sollte sie damit nicht zukleistern, aber Verantwortung übernehmen und sich kümmern.
Sie kümmern sich gern?
Ich fühle mich halt schnell verantwortlich und bringe Situationen mit mir in Verbindung. Wenn ich ein Problem sehe, habe ich das dringende Bedürfnis, es zu lösen. Da das aber nicht immer möglich ist, wäre es vermutlich klüger, ab und zu mal “Nein” zu sagen.
Leben Sie ein Leben in Balance?
Wenn Sie die berühmte “Work-Life-Balance” meinen, sicher nicht. Zu viel Arbeit, zu wenig Leben. Aber ich bin mir auch nicht sicher, wie viel Balance ich aushalten würde. Ich mag Veränderung. Ein gewisses Maß an Ausgeglichenheit ist natürlich wichtig, um handlungsfähig zu sein. Deshalb gehe ich schwimmen, so oft ich kann, um wenigstens körperlich fit zu bleiben, lebe unerträglich gesund und versuche, wieder auf sieben Stunden Schlaf pro Nacht zu kommen.
Wo stehen Sie heute mit Ende 40? Wohin wollen Sie?
Ich fühle mich im Zentrum meines Lebens, von mir aus auch in dessen Mitte, obwohl mir der damit verbundene Gedanke, dass es von nun an bergab gehen soll, vollkommen fremd ist. Wobei der Tod bei uns zu Hause nie tabuisiert wurde und wird. Er gehört nun mal zum Leben wie die Nacht zum Tag und macht dieses überhaupt erst lebenswert. Wohin möchte ich? Weiter, immer weiter, aber nicht weg von mir. Und ich möchte gute Filme drehen wie im letzten Jahr die deutsch-französische Kinoproduktion “Adieu Paris” mit Jessica Schwartz, Sandrine Bonnaire und Gérard Jugnot, die im Juli ins Kino kommt. Solche Filme würde ich gern öfter im deutschen Kino sehen, das ansonsten von einer Art Komödien dominiert wird, denen ich wenig zu geben habe. Und umgekehrt.
Die Fragen stellte: Liane Rapp