„Bist du glücklich mit deinem Job?“ Auf diese einfache Frage eine klare Antwort zu geben, fällt den meisten Menschen schwer. Gerade wenn es um den Beruf geht, schwanken wir oft zwischen Freude und Disziplin, Ehrgeiz und Überforderung. Doch glücklich sein kann man lernen – es hat uns nur noch niemand gezeigt, wie Isabell Prophet analysiert und erklärt in ihrem neuen Buch “Die Entdeckung des Glücks” fundiert und unterhaltsam, welche Weichen wir stellen müssen, um glücklich in unserem Tun zu werden. Mit Annette Coumont spricht sie heute im Interview bei evidero.
Liebe Isabell Prophet, Sie haben gerade mit “Die Entdeckung des Glücks” Ihr erstes Buch geschrieben. Es beruht stark auf Ihren persönlichen Erfahrungen. Konnten Sie schon Ihr persönliches Glück finden?
Ich würde sagen, es läuft ganz gut. Das liegt vor allem daran, dass ich mich selbst sehr gut kennengelernt habe. Ein Beispiel dafür ist die Wahl meines Arbeitsplatzes.
In Cafés kriege ich Rückenschmerzen. Ich habe sehr zufrieden in Großraumbüros gesessen, war furchtbar einsam, wenn ich einen Raum für mich hatte, extrem nervös, wenn ich ein Büro mit 3 bis 4 anderen teilte und arbeite momentan entspannt und zufrieden an meinem Esstisch zuhause.
Es gibt ja schon eine Menge Bücher zum Glück. Was hat sie motiviert, ein weiteres über das Thema zu schreiben?
Glück ist heutzutage eine harte Wissenschaft. Hier arbeiten Neurowissenschaftler, Psychologen, Ökonomen, aber auch Menschen, die sich mit Arbeitsplatzgestaltung oder Sport beschäftigen. Als ich begann, als Journalistin über Glück zu recherchieren und zu schreiben, haben die Leserinnen und Leser total positiv reagiert. Das hat mich gefreut.
Esoterik hilft vielen Menschen, aber die Wissenschaft hat das Potential, uns allen ein gutes Leben zu ermöglichen. Wir müssen nicht glauben. Wir müssen einfach nur machen. Die Forschungsergebnisse anhand des Job-Kontexts zu erzählen, halte ich für wahnsinnig wichtig und nützlich. Schließlich verbringen wir einen sehr großen Teil unserer Lebenszeit mit Arbeit, Pendeln – und Grübeleien über den Arbeitstag.
Was sind Ihre Hauptthesen zum Glück?
Glück kann man lernen. Dafür müssen wir uns selbst gut kennenlernen. Und wir müssen nicht die ganze Zeit glücklich sein.
Welche Philosophen oder moderne Denker haben Sie besonders zum Thema Glück inspiriert?
Alain de Botton hat einige sehr kluge Einstellungen zum Glück. Genau wie ich kritisiert er den Begriff der Berufung, die wir finden müssen oder sollen. Wer seine Berufung nicht gefunden hat, der hat auf der Suche nach seinem Glück versagt? Ich halte das für absurd. Wir können zu unterschiedlichen Zeiten im Leben mit verschiedenen Berufen, Positionen oder Arbeitsweisen glücklich werden.
Und genau wie ich sieht Botton die Kehrseite unserer Freiheit: Natürlich können wir alles erreichen, was wir wollen. Und das ist gut. Aber es bringt auch einen Druck mit sich, den Menschen noch nicht kannten, als ein jeder den Beruf des Vaters übernahm. Es ist toll, dass ich als erste in meiner Familie studieren konnte und ich weiß es wahnsinnig zu schätzen. Aber es hat mich im Leben vor neue Herausforderungen gestellt.
Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen uns auf die Machbarkeit von Glück hoffen?
Unser Glückslevel begründet sich zu 50 Prozent in unseren Genen, zu 10 Prozent in unseren Lebensumständen und zu 40 Prozent in unserem Verhalten. Das ist sehr spannend. Vergessen wir die 50 Prozent der Gene direkt, die können wir sowieso nicht ändern. Aber was ist mit diesen zehn Prozent unserer Lebensumstände?
Die Wohnung, der Job, das Büro, das Gehalt. Diese Themen, über die wir typischerweise grübeln. Das sind alles Dinge, die veränderlich sind. Aber sie sind auch träge. Sie zu verbessern kostet Mut und Kraft, möglicherweise sogar Geld. Und am Ende zahlt das nur auf 10 Prozent ein. Die 40 Prozent, die unser Verhalten beeinflusst, sind also sehr spannend. Hier können wir jeden Tag etwas tun.
Neulich habe ich einer guten Freundin verboten, sich abends bei ihrem Mann über den Job aufzuregen. Die durften dann den Rest der Arbeitswoche nur noch über schöne Erlebnisse sprechen. Es ging ihnen so viel besser! Glück ist machbar. Aber wir müssen halt auch etwas machen.
Sie bringen das Thema Glück eng zusammen mit dem Beruf, in dem wir arbeiten. Wie hängt das zusammen?
Wir verbringen verdammt viel Zeit bei der Arbeit. Und einige von uns hören von ihren Eltern: Finde einen Beruf, der dich glücklich macht. Hier stimmt die Reihenfolge nicht. Warum sollte der Beruf uns glücklich machen? Und durch wen? Den Chef? Die Kollegen? Die Kunden? Warum sollten die sich zuständig fühlen?
In dieser Zeit der hohen Ansprüche an die persönliche Entwicklung des Individuums müssen wir lernen, dass wir nicht von „dem Beruf“ glücklich gemacht werden. Aber wir können glücklicherweise selbst daran arbeiten. Und es ist nicht besonders schwer.
Sie sind 31 Jahre alt – Ist Glück im Beruf ein Thema Ihrer Generation?
Absolut. Aus zwei Gründen. Erstens, weil von uns eben erwartet wird, dass wir uns selbst verwirklichen. Das ist ein hoher Anspruch. Und zweitens, weil viele von uns rund um die 30 einen kleinen Einbruch haben. Sportliche gesunde Menschen sind plötzlich mehrfach wochenlang krank. Engagierte Kollegen verlieren plötzlich den Antrieb. Menschen, die immer wussten, was sie wollten, sind plötzlich irritiert.
Wir müssen uns neu finden, unsere Ziele und Prioritäten anpassen. Rund um die 30 hat fast jeder von uns schon zwischen fünf und zehn Jahren gearbeitet. Das Berufsleben ist entzaubert. Übrigens betrifft das noch immer vor allem Frauen, die mit Ungerechtigkeiten konfrontiert werden, die sie nicht erwartet hatten.
Zur Autorin: Isabell Prophet, geboren 1986, arbeitet als Journalistin. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, ehe sie bei der Celleschen Zeitung ein Volontariat absolvierte und die Henri-Nannen-Schule besuchte. Als freie Journalistin ist sie unter anderem für Spiegel Online, Spiegel Wissen, t3n.de und FAZnet tätig. Für Zeit Online baute Isabell das Online-Magazin ze.tt mit auf. Für die Multimedia-Reportage „Einsame Spitze“ beim Zeit-Magazin Online war sie für den Deutschen Reporter-Preis nominiert. Isabell Prophet lebt in Berlin.
Glauben Sie wirklich, dass jeder sein Glück systematisch in die Hand nehmen kann? Oder sind es gar nicht doch die hinderlichen Umstände (Gene, Bildungsstand, psychische Gesundheit, Job, Alltag), die uns vom Glück abhalten?
Systematisch ist ein gutes Stichwort. Ein paar kluge Dinge über das Glück zu lesen, reicht einfach nicht. Wir müssen das, was Wissenschaftler herausgefunden haben, in unseren Alltag einbauen. Idealerweise holen wir also nahestehende Kollegen, Freunde, den Partner oder die Familie ins Boot für unsere neuen Rituale.
Wer glücklich werden will, der tut sich einen großen Gefallen, wenn er aktiv wird. Vielleicht helfen kleiner Kalender-Erinnerungen oder Post-Its am Monitor. Unsere größte Hinderung ist die Neigung des Menschen, Aktivitäten zurück zu schrauben, wenn es nicht gut läuft. Aber wir müssen in unser Glück investieren.
Wie stark hängt das Glück eigentlich von der Nationalität oder vom Glauben ab? Sind wir Deutschen ein glückliches Volk?
Als Volk würde ich uns als glücklich bezeichnen. Wir sind eine wohlhabende Gesellschaft, bieten gute soziale Absicherung und unsere Verwaltungen bemühen sich, Ungleichheit durch Teilhabe-Angebote zu mildern. Alles in allem sind wir auf einem guten Weg, beim letzten Glücksranking lagen wir auf Platz 16.
Aber Glück ist etwas, das in einem Menschen stattfindet. Gerade wir Deutschen neigen allerdings zu einem Anspruchsdenken: Wir wollen versorgt sein. Diese zwei Dinge widersprechen sich ein wenig. Wenn wir nicht glücklich sind, suchen wir manchmal nach Ursachen, oder schlimmer noch: nach Schuldigen. Aber niemand wird uns glücklich machen, nur weil wir es von ihm verlangen. Glück hängt von eigenen Entscheidungen, Handlungen und Gedanken ab.
Und übrigens: Glaube macht glücklich, wenn er mit einer starken sozialen Gemeinschaft einhergeht. In Bezug auf Glück erfüllt eine Religionsgemeinschaft die gleiche Funktion wie ein Schützenverein, ein Buchclub oder der Stammtisch der Women in Tech.
Nennen Sie uns doch bitte ein paar typische Beispiele, die uns das Glück so richtig vermiesen.
Dogmen sind immer ein Problem. Ich sage zum Beispiel von mir, dass ich ein sehr disziplinierter Mensch bin. Ich stehe morgens auf und arbeite erstmal ein paar Stunden. Mit regelmäßigen Pausen, aber durchaus konzentriert. Spräche mich jemand an, ich würde es nicht hören.
Aber es gibt immer wieder Tage, an denen läuft das nicht so gut. Da kann ich mich dann drüber ärgern, versuchen, mich zu zwingen, weil ich doch sooo diszipliniert bin. Das ist dann geradezu lächerlich unproduktiv – und am Abend bin ich unzufrieden.
Heute akzeptiere ich meine Niederlage und mache einfach etwas, das weniger Konzentration oder Kreativität erfordert. Das musste ich aber erst einmal lernen.
Und zur Aufmunterung – noch ein paar ganz praktische Tipps, die wir im Alltags- und Berufsleben integrieren können, um glücklicher zu werden…
Ich würde Ablenkungen beiseite räumen, im Zweifelsfall einfach unter den Tisch. Hauptsache, die Akten von gestern – oder morgen – sind nicht mehr zusehen. Die Mittagspause würde ich so oft es geht draußen verbringen, selbst wenn die Zeit nur für ein paar Minuten Luftschnappen reicht. Die Bewegung, idealerweise zwischen ein paar Bäumen, lässt uns besser denken.
Und dem grummeligen Kollegen einen Kakao zu bringen nützt uns mehr, als zurück zu grummeln. Wer anderen etwas gibt, der fühlt sich selbst glücklicher, auch dazu gibt es Studien.
Eine letzte Frage: Haben Sie Ihr persönliches Glück vor oder nach dem Schreiben von “Die Entdeckung des Glücks” gefunden?
Auf jeden Fall währenddessen. Weil ich während der Recherche wahnsinnig viel gelernt habe. Ich hatte immer gute Diskussionspartner für das, was ich gerade erfahren hatte. So konnte ich die neuen Erkenntnisse gleich in den Alltag übernehmen.
Ihr Glücks-Tipp für unsere Leser
Mit anderen zu reden hilft eigentlich immer. In der englischen Grafschaft Cumbria treffen sich viele Menschen nach der Arbeit erst einmal auf ein Ale. Um 18 Uhr sind die Pubs voll, kurz nach 19 Uhr sind sie wieder leer, weil die Menschen zu ihren Familien gehen. Das ist großartig. Ein Abend mit Freunden, selbst wenn es nur ein kurzes Treffen ist, schlägt auf jeden Fall einen Abend auf der Couch.
Und wenn Sie mal gar keine Lust auf Menschen haben: Machen Sie ein bisschen Sport. Sport fördert die Bildung eines Neurotransmitters, der uns glücklich und schlau macht.
Liebe Isabell Prophet, ich danke Ihnen für das Gespräch!