Über die Hälfte der Beschäftigten weltweit setzt kein großes Vertrauen in das eigene Unternehmen oder den direkten Vorgesetzten. Das ergab eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) unter knapp 10.000 Beschäftigten in 8 ausgewählten großen Ländern, davon 1.226 in Deutschland. Zu den Gründen gehören fehlendes Vertrauen, unfaire Bezahlung und fehlende Chancengleichheit. Das zeigt: Neben den üblichen Unternehmensbilanzen brauchen Organisationen auch eine Menschlichkeitsbilanz, die schon im Kleinen beginnt – zum Beispiel im Erweisen von Dankbarkeit, das die Bindungen innerhalb sozialer Netze verstärkt.
Die Macht der Dankbarkeit resultiert daraus, was wir anderen Gutes tun
Das Erweisen von Dankbarkeit, das die Bindungen innerhalb sozialer Netze verstärkt, findet sich bereits bei unseren Vorfahren und zeigte sich beispielsweise im Tausch von Nahrungsmitteln: So teilten die Schimpansen ihr Fressen systematisch mit denen, die ihnen das Fell gepflegt haben. Mit Berührungen wurde Dankbarkeit gegenüber denen ausgedrückt, die Fressen tauschten.
Das ermunterte die Gruppe zu weiteren Transaktionen. „Bei diesem Tausch ‚Fressen gegen Fellpflege‘ bilden die Schimpansen Allianzen, die starke Verbindungen zwischen Menschen ähneln“ schreibt der Psychologieprofessor der University of California, Dacher Keltner, in seinem aktuellen Buch „Das Macht-Paradox” (Campus Verlag), in dem er sich mit der Frage beschäftigt, wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren.
Bereits als Teenager las er Bücher von Virginia Woolf und Gedichte bedeutender Romantiker. So wurde er schon früh mit biologischen und entwicklungsgeschichtlichen Aspekten menschlicher Emotionen vertraut. Nach seiner Promotion an der Stanford University arbeitete er in San Francisco bei Paul Ekman, dem Pionier der Emotionsforschung. Heute leitet Keltner als Fakultätsdirektor das UC Berkeley Greater Good Science Center, eine gemeinnützige Organisation verschiedener Forscher, die Glück und Altruismus untersuchen.
Bleibende Macht hängt für ihn davon ab, einfache Dinge zu tun, die gut für die anderen sind. „Achten wir auf die Bedürfnisse der Machtlosen unter uns, können wir unsere Macht nutzen, um Gutes zu tun und der Gesellschaft auf nachhaltige Weise dienen.” Er bricht damit das negative Bild auf, das häufig mit Macht in Verbindung gebracht wird (beispielsweise Machtmissbrauch und unethisches Verhalten).
Macht gedeiht für Keltner dort, wo Solidarität und Begeisterung spürbar sind, wo positive Einflussnahme durch Freundlichkeit, Gemeinsinn und Gerechtigkeit wächst. Sie ist das Ergebnis „kleiner Handlungen” und des persönlichen Engagements.
Das Aufrechterhalten von Macht ist nach seiner Ansicht davon abhängig, wie wir die innere Erfahrung der Dankbarkeit nach außen umsetzen. Schon der Philosoph Cicero war davon überzeugt, dass nur dankbare Menschen Freundschaft und eine Gemeinschaft eingehen können. Dankbarkeit war für ihn die wichtigste Haltung des Menschen und Voraussetzung für die „concordia“ (lat. „Eintracht“). Wo sie fehlt, wird die „Humanitas“ (Menschlichkeit) bedroht.
„Der Undank ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen wären undankbar gewesen“, schrieb Goethe. Dankbare und anpackende Menschen nehmen ihre positiven Möglichkeiten wahr und gestalten ihr Umfeld entsprechend.
Empathie erzeugt Dankbarkeit und bringt dauerhafte Macht
Der Handels- und Neuromerchansising-Experte Bert Martin Ohnemüller hat dazu in seinem Erfahrungs- und Erlebnisbericht „Lead. Speak. Inspire.“ eine Vielzahl von Beispielen zusammengetragen: Er beschreibt seine Dankbarkeit gegenüber seinem Ziehvater Friedhelm Schürmeyer, der ihn in jungen Jahren in einem namhaften Lebensmittelkonzern gefordert und gefördert hat. An diesem Beispiel bestätigt sich auch Keltners Beobachtung, dass die Möglichkeit, gegenüber anderen Einfluss zu nehmen, wächst, wenn jemand freundlich ist und andere (hier als Mentor) anerkennt und achtet, denn: „Die Macht einer Person ist nur so groß wie ihr Ansehen“.
Wer andere belohnt, erhält verlässlich bleibende Macht: „Das ist möglich, indem wir teilen, ermutigen, loben, wertschätzen“ und die guten Anlagen der anderen fördern. Dauerhafte Macht erwächst für Keltner aus Empathie, beruht auf Geben statt Nehmen sowie darauf, Dankbarkeit zu zeigen und Geschichten zu erzählen, die zusammenführen. Die Bedeutung der Empathie wird besonders hervorgehoben, weil sie zu mehr und besserer Zusammenarbeit führt und dazu beiträgt, dass die Beteiligten über bleibende Macht verfügen.
Empathie macht auch Berufseinsteiger erfolgreicher
Erwiesen ist, dass junge Menschen, die gerade ins Berufsleben eingestiegen sind, zufriedener waren mit ihren Jobs, wenn sie eine ausgeprägte Empathie hatten. Der gute Ruf eines Menschen erhöht die Chancen, dass er auch künftig in einer Weise handeln wird, die für alle Beteiligten nützlich ist. Allen Berufsanfängern wünscht Bert Martin Ohnemüller, dass es ihnen vergönnt ist, „einen ebensolchen Chef bzw. Chefin kennenzulernen“, einen charismatischen Vorgesetzten, der einem „in erster Linie als Mensch und dadurch auch im persönlichen Bereich zu einem starken Inspirator wird“.
Das Motto von Friedhelm Schürmeyer, „Intelligent gegen die Regel verstoßen“, hat Ohnemüller und seine Arbeitsweise stark geprägt und dient ihm noch heute häufig als eine Art Leitmotiv – vor allem dann, wenn es in Meetings heißt: „Das haben wir doch immer schon so gemacht!“ Vor allem aber ist Ohnemüller dankbar für seine Ehe und die Familie. Seiner Ehefrau und Partnerin, mit der er seit 1987 sein Leben teilt, sowie den vier gemeinsamen Kindern, dankt er mit diesem Buch für das Glück, das er mit ihnen erlebt.
Dankbarkeit als Lohn einer gelingenden Unternehmenskultur
Offen gezeigte Dankbarkeit ist für den Psychologen Dacher Keltner ein Mittel, um andere anzuregen, mehr zusammenzuarbeiten und produktiver zu werden. Doch was bedeutet das konkret im Unternehmenskontext? Verordnete Wertschätzung, die als Alibi dient, führt in Unternehmen zu Unaufrichtigkeit – wo sie echt ist, sind auch die Mitarbeiter wirklich motiviert und leisten gute Arbeit. Wahre Menschlichkeit kommt von innen.
Dass Wertschätzung die Identifikation mit dem Unternehmen fördert und ganzheitlich auf den Menschen und aufs Unternehmen wirkt, ist allgemein bekannt. Zahlreiche Aussagen dazu finden sich in Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten im Zusammenhang mit Unternehmenskultur. So heißt es beispielsweise im ersten CSR-Bericht der DKV Mobility Services Group, dass die eigene Unternehmenskultur von Wertschätzung, Fairness und gegenseitigem Respekt geprägt ist.
Konkret werden solche Aussagen, wenn sie mit einem Thema in Beziehung gesetzt werden, das in vielen anderen CSR-Berichten fehlt: die Art der Anerkennung dieser gelebten Werte.
Sie zeugt vom Wechselspiel von Geben und Nehmen und scheitert, wenn sie auf Dauer nur zum einseitigen Nutzen unterhalten wird. Deshalb bedeutet eine nachhaltige Beziehung zwischen Mitarbeitern auch kontinuierliche „Arbeit“, die mit der Bereitschaft verbunden ist, dafür Sorge zu tragen, dass das gemeinsame Fundament nicht ins Wanken gerät.
Das Beispiel der DKV MOBILITY SERVICES Group sei hier ausgewählt, weil es sich auch auf andere Unternehmen und Organisationen übertragen lässt und die konkrete „Machbarkeit“ von alltäglichen Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Maßnahmen zeigt:
Für die Mitarbeiter des Unternehmens, die als Best-in-Class-Serviceanbieter intelligente Lösungen für Mobilitätsdienstleistungen liefert, gibt es im Intranet ein so genanntes „Danke-Portal“, in dem Mitarbeiter ihrer gegenseitigen Wertschätzung Ausdruck verleihen können. Es geht hier also nicht nur um den üblichen internen Austausch von Wissen und eine effektive Zusammenarbeit, sondern um etwas Zwischenmenschliches und Verbindendes, das digital und analog gleichermaßen von Bedeutung ist.
In einer Übersicht wird zusammengefasst, auf welchen Wert sich die an sie eingegangenen Nachrichten beziehen und von wann und wem die Nachrichten sind. Zudem ist ersichtlich, wie viele Danke-Punkte sie bereits im gesamten Jahr erhalten haben und auf welche Werte sie sich beziehen. Angezeigt wird auch, wie oft im Jahr der Mitarbeiter im Jahr noch danken kann. „Die fünf Mitarbeiter mit den meisten Danke-Punkten (die anderen bleiben anonym) erhalten ein Dankeschön in Form eines Sachgeschenks“, sagt Ulrich Wolter, der im Unternehmen das Marketing leitet und für das CSR-Management gesamtverantwortlich ist.
Werte geben den Mitarbeitern innere Stärke und Stabilität. Sie sind von grundlegender Bedeutung – „sowohl im Verhältnis zu unseren Geschäftspartnern als auch im Umgang mit unseren Kollegen“, sagt Ulrich Wolter, der zusätzlich für den neu geschaffenen CSR Bereich der DKV Mobility Services Group verantwortlich ist. Er sieht einen positiven Zusammenhang zwischen ethischen Standards und gesellschaftlicher Akzeptanz, Produktqualität und der Gewinnung guter Mitarbeiter, die die Basis für unternehmerischen Erfolg sind.
Werte leben bringt Orientierung und Sicherheit für Unternehmen und Mitarbeiter
Wertemanagement (Management of Value) bedeutet aus organisationstheoretischer Sicht sowohl den Einsatz und die Überprüfung der Einhaltung von Normen und Standards sowie den reflexiven Umgang mit Werten. Das ist gerade in politisch instabilen Zeiten besonders wichtig, denn Werte geben eine unverzichtbare „Orientierung und Sicherheit“.
Nach Unternehmensangaben fokussiert sich die DKV Group auf jene Werte, die sie in ihrer nachhaltigen Wachstumsstrategie deutlich voranbringen und für die Mitarbeiter eine solide Basis darstellen: „Der Wille zum Erfolg – Verantwortung – Kooperation – Integrität. Diese Werte werden versucht, täglich zu leben, indem wir uns als Vorbild zeigen: sowohl als Führungskraft als auch als Mitarbeiter“, sagt Birgit Massalsky, Director of Human Resources | Legal | Purchasing bei der DKV MOBILITY SERVICES Group. Das Unternehmen ist in 42 Ländern vertreten und hat mehr als 700 Mitarbeiter.
Das Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu hat kürzlich für FOCUS Online die 50 beliebtesten deutschen Familienunternehmen ermittelt. Die Auswertung basiert auf 12.000 Angaben von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern der 50 umsatzstärksten deutschen Familienunternehmen. Der Mobilitätsdienstleister aus Ratingen erreichte dabei Platz 45. Besonders positiv bewerteten die Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen. „Eine beachtliche Platzierung, wenn man bedenkt, dass es in Deutschland 180.000 Familienunternehmen gibt“, sagt Birgit Massalsky.
Damit sich die Mitarbeiter der DKV Group wohl fühlen, baut das Unternehmen unter anderem auf ein betriebliches Gesundheitsmanagement mit vielen Informationsveranstaltungen und Aktionstagen. Bei beruflichen, persönlichen, gesundheitlichen und familiären Fragen erhalten die Mitarbeiter zudem Unterstützung durch das externe Fürstenberg Institut. Um gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, bietet die DKV Group attraktive Laufbahn- und Kompetenzmodelle an. Dazu gehören beispielsweise regelmäßige Fortbildungen im Rahmen der sogenannten DKV Group Academy, jährliche Kompetenz- und Entwicklungsgespräche sowie eine leistungsbezogene Vergütung.
Gelingende und erfolgreiche Beziehungen in der Belegschaft setzen auch hier eine wertschätzende Atmosphäre voraus sowie „die Einbindung des Nachhaltigkeitsgedankens in alle Geschäftsprozesse“, so Ulrich Wolter. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eingeladen, die Werte persönlich mitzuprägen. Gleichzeitig „trägt auch jede/r die Verantwortung dafür, dass sie alle Facetten der Arbeit durchdringt“.
Auch Personalexperten empfehlen, dass die vielen Details und kleinen Schritte, die gut gelaufen sind, in Unternehmen wertgeschätzt werden. Das macht eine respektvolle, am Menschen orientierte Führungs- und Unternehmenskultur aus.
Wann immer sich Gelegenheit dafür bietet, sollte dankbar reagiert werden, die Aufmerksamkeit für die Dinge zu schärfen, für die Mitarbeiter dankbar sein können, bestätigt auch Stefan Gatt in seinem „Survival-Handbuch Führung“. Übertragen auf den Ansatz von Dacher Keltner lässt sich nachfolgend zusammenfassen:
- Wer sich auf andere konzentriert und den Blick für sie schärft, behält auch seine Empathie.
- Wahre Macht fördert das Gemeinwohl, das dazu führt, dass es ihren jeweiligen Gruppen besser geht.
- Kollektiv belohnt werden jene, die mit ihrem Status und ihrem Ansehen das Gemeinwohl fördern.