Die Macht der Gedanken und Gewohnheiten ist nicht zu unterschätzen. Man kann sie für sich nutzen, indem man schlechte mit guten Gewohnheiten austauscht. Theologe Jan von Wille zeigt euch 5 Einsichten, die dabei helfen, Gewohnheiten für euch zu nutzen.
Schalten, blinken, Gas geben, lenken, bremsen – das Autofahren ist nur ein Beispiel von sehr vielen Handlungen, die wir verinnerlicht haben und „blind“ beherrschen. Auf diese Weise müssen wir nicht immer wieder neu über bestimmte Herausforderungen nachdenken – das Unterbewusstsein weiß, was zu tun ist. Ganz anders empfindet das ein Fahrschüler, für den jede Sekunde am Steuer eine Herausforderung ist.
Unser Unterbewusstsein wird durch viele dieser erlernten Gewohnheiten gesteuert. Dafür brauchen wir nicht bewusst Energie aufbringen. Gewohnheiten sind also effizient und machen dadurch Platz im Bewusstsein für neue Anforderungen.
Gewohnheiten bringen auch Nachteile mit sich
Doch unser Unterbewusstsein verinnerlicht auch Strukturen, die uns im Leben behindern. Jedes Mal, wenn wir denken „Das kann ich nicht“ oder „Ich bin nicht liebenswert“, festigt sich der Gedanke und taucht immer häufiger auf.
Jedes Mal, wenn ich morgens zuallererst mein Handy zücke um „auf dem Laufenden zu sein“, jedes Mal, wenn ich gleich nach der Arbeit den Fernseher anschalte um abzuschalten, jedes Mal, wenn ich eine Zigarette zum Stressabbau rauche, festigen sich diese Verhaltensweisen und werden zu einer Gewohnheit. Schon sehr bald ist mir gar nicht mehr bewusst, was ich da täglich tue.
Wenn wir genauer hinschauen, werden wir merken, dass ein großer Teil unseres Tagesablaufs von Gewohnheiten bestimmt ist. Und jede Gewohnheit hat prägende Kraft.
Was wird zu einer Gewohnheit?
Folgende vier kurze Sätze bringen es auf den Punkt:
Säe einen Gedanken, ernte eine Tat.
Säe eine Tat, ernte eine Gewohnheit.
Säe eine Gewohnheit, ernte einen Charakter.
Säe einen Charakter, ernte ein Schicksal.
Um die große Kraft von Gewohnheiten für unser Leben zu nutzen, haben mir folgende 5 Einsichten geholfen:
1. Es gibt keine neutralen Gewohnheiten
Jede Gewohnheit hat eine bestimmte Kraft und ist entweder positiv oder negativ geladen. Deshalb gibt es keine neutralen Gewohnheiten. Jede regelmäßige, automatisierte Handlung zieht auf Dauer in eine bestimmte Richtung.
Auf unser Leben bezogen heißt das, dass jede Gewohnheit im Laufe der Zeit unseren Charakter und damit unser Leben prägt. Alles, was ich regelmäßig tue, wird positive oder negative Auswirkungen auf meinen Charakter haben! Um ein erfülltes und fruchtbares Leben aufzubauen, sollten wir deshalb immer wieder mal unsere Gewohnheiten anschauen und wenn nötig neue Gewohnheiten einrichten.
Bevor man aber eine alte Gewohnheit ersetzen kann, muss man sie erst einmal erkennen. Weil Gewohnheiten komplett vom Unterbewusstsein übernommen werden, ist das oft gar nicht so leicht. Der „innere Zugfahrer“ fährt größtenteils wie in Trance auf den festgelegten Gleisen entlang. Wir müssen ihn zuerst aufwecken, erst dann kann er aus dem Zug aussteigen, die Weichen umstellen und den Zug auf ein neues Gleis fahren lassen.
Wie wecken wir ihn auf? Durch die richtigen Fragen:
- Welche Gewohnheiten hast du?
- Welche dieser Gewohnheiten helfen dir?
- Welche bringen Tag für Tag weniger Lebendigkeit mit sich?
- Auf welche Gewohnheiten bist du stolz?
- Und für welche Gewohnheiten verheimlichst du, weil du dich dafür schämst?
Manchmal wird nicht sofort klar, ob eine Gewohnheit gut oder schlecht für dich ist. Dann versuche dir vorzustellen, was passiert, wenn du sie über die nächsten fünf, zehn und zwanzig Jahre beibehältst. Wird dich diese Gewohnheit eher fördern oder blockieren? Welchen Preis bezahlst du, um sie beizubehalten, und: was gewinnst du aus ihr?
Sei dabei so ehrlich wie möglich. Wir alle haben Gewohnheiten, die wir am liebsten los wären. Und die meisten von uns kennen sicherlich das Gefühl, der Kraft einer negativen Gewohnheit ausgeliefert zu sein.
2. Wir ernten, was wir säen
Einiges von unseren Problemen ist schlichtweg das Ergebnis einer schlechten Saat. Manchmal wundern wir uns über Kraftlosigkeit, schlechte Laune, negative Stimmungen oder ähnliches. Wenn wir uns dann die Fragen zu den Gewohnheiten unseres Lebens stellen, können wir vielleicht die unsichtbaren Verbindungen erkennen.
Ich hatte zum Beispiel über mehrere Jahre mit heftigen Erkältungskrankheiten zu tun. Im Durchschnitt wurde ich fünf mal im Jahr so krank, dass ich für ein paar Tage im Bett liegen musste. Aus meiner Verzweiflung heraus habe ich mich mit Ernährung beschäftigt und einige schlechte Essgewohnheiten radikal umgestellt.
Ich kann es natürlich nicht mit absoluter Gewissheit sagen, aber ich glaube schon, dass mein heutiger stabiler Gesundheitszustand auf diese Umstellung zurück zu führen ist.
3. …wir ernten in einer anderen Jahreszeit (zeitverzögert)
Jeden Bauer, der heute Samen auf seinen Acker streut und am nächsten Tag mit dem Mähdrescher über das Feld fährt, würden wir für verrückt erklären. So ist es auch mit jeder Gewohnheit: Die Auswirkungen erfahren wir zeitverzögert.
Auch die Auswirkung meiner Ernährungsumstellung habe ich erst zwei Jahre (!) später dauerhaft erfahren. In den ersten Monaten habe ich kaum etwas gemerkt. Zu tief saßen wohl die Samenkörner meines ungesunden Lebensstils. Deshalb ist es eine große Hilfe, sich gleich zu Beginn bewusst zu machen: es ist ein längerer Weg, den ich vor mir habe. Und allein durch Willenskraft werde ich das nicht schaffen.
Wir müssen unsere Willenskraft gezielt dafür einsetzen, neue Gewohnheiten in unser Leben einzurichten, die positive Energie in unser Leben bringt. Manche Selbsthilfeprogramme betonen permanente Selbstdisziplin. Aber nur durch neue Verhaltensweisen lösen wir alte ab.
Wenn man versucht, eine Gewohnheit ersatzlos zu streichen, entsteht in uns ein Vakuum. Dieses Vakuum zieht uns entweder wieder in die alten Gewohnheiten herein, oder das Unterbewusstsein füllt es selbst mit einer neuen.
So greifen Nichtraucher zum Beispiel auf einmal nicht mehr zur Zigaretten- sondern zur Pralinenschachtel. Alte Süchte werden so häufig ohne unsere Entscheidung durch neue ersetzt, alte negative Nebenwirkungen durch neue.
Möchtest du zum Nichtraucher werden, überlege dir vorher eine Alternative zu dem, was du durch das Rauchen bekommen hast. Was könntest du gleich am Morgen tun, statt dir eine Zigarette anzustecken? Was möchtest du in der Zeit tun, in der du bisher für eine Zigarettenpause vor die Tür gegangen bist? Was könntest du in deinem Leben integrieren, wenn du stattdessen nicht mehr rauchst?
4. Übereinstimmung mit der Lebensaufgabe
Die dauerhafte und erfolgreiche Umstellung von Gewohnheiten hängt sehr stark davon ab, ob die ungeliebten alten und die angestrebten neuen Gewohnheiten im Einklang mit der eigenen Lebensaufgabe stehen. Spiegeln deine Gewohnheiten das wider, was du sein willst? Hilft dir die neue Gewohnheit, deine Lebensaufgabe besser als vorher erfüllen zu können?
Wenn wir uns diese innere Verbindung bewusst machen, erhöht diese Erkenntnis unsere Motivation enorm. Probiere vielleicht auch mal das Visualisieren aus: je häufiger du dir im Geiste vorstellst, was dich am Ziel alles erwartet, umso größer wird dein Verlangen und dein Wille werden.
5. Nicht zu viel auf einmal
Unterschätze nicht die Kraft einer Gewohnheit. Allein eine fest verankerte Gewohnheit zu ändern, erfordert ein hohes Maß an Disziplin, Motivation und Einsicht. Wenn wir uns hier zu viel vornehmen, ist das Scheitern vorprogrammiert.
Wer gleichzeitig Nichtraucher, Ausdauersportler, Bodybuilder und Nie-wieder-Fernsehzuschauer werden will, wird sehr wahrscheinlich nichts davon erreichen. Viel erfolgsversprechender ist es, wenn wir nur eine oder zwei Sachen auf einmal umsetzen. Wenn wir hier ein Erfolgserlebnis machen, können wir daraus dann Mut für die nächste Herausforderung gewinnen.