Wir leben in einer hektischen Zeit. Oft kommt der Genuss in unserem Alltag viel zu kurz. Aber wie kann man zwischen Termindruck und Freizeitstress mal so richtig abschalten und genießen? evidero-Expertin und Lebensfreude-Coach Karima Stockmann gibt Tipps, wie man den Genuss wieder lernen kann.
Liebe Karima, kann man Genuss planen?
Auf jeden Fall! Das sollte man sogar, denn in der heutigen, sehr schnelllebigen Zeit kommt der Genuss sonst oft zu kurz. Optimalerweise wird es zur Gewohnheit, sich ausreichend Zeit für die „genussvollen“ Dinge im Leben zu nehmen. Wie wäre es etwa mit einem Date mit sich selbst – jede Woche zur gleichen Uhrzeit, in der regelmäßig eine Stunde für den puren Genuss reserviert ist?
Braucht man denn viel Zeit, um zu genießen, oder geht das auch “zwischendurch”?
Genuss ist äußerst vielseitig. Genuss bedeutet nicht nur ein aufwendig gekochtes 5-Gänge-Menü oder der Besuch einer dreistündigen Opern-Aufführung. Genuss kann auch eine aromatische Tasse Kaffee nach der Mittagspause sein, das „genüssliche“ Lauschen des Lieblingsliedes auf dem Heimweg oder ein kurzer Spaziergang im Park. Genuss ist unabhängig von Zeit, vielmehr ist es das Wahrnehmen angenehmer Sinnes-Empfindungen im Hier und Jetzt. Ein Genussmoment kann auch schon ein kurzer Augenblick sein – eine innige Umarmung, ein Lächeln, ein Kuss!
Wie kann man lernen, sich an den kleinen Dingen im Leben zu erfreuen?
Ich finde es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass wir dies eigentlich alle können, wir müssen es nur wieder hervorholen unter den vielen Schichten des Erwachsenwerdens. Als Kind beherrscht quasi jeder von uns die Kunst des Genießens, die Fähigkeit den Moment zu spüren und wertzuschätzen – ohne mit dem Kopf schon wieder in der Zukunft oder der Vergangenheit zu hängen.
Für mich ist dies der Schlüssel für wahren Genuss: Achtsamkeit im Hier und Jetzt – sich und seine Umgebung mit allen Sinnen bewusst wahrnehmen und einfach auf sich wirken lassen ohne die Situation vorschnell zu bewerten. Der Genuss kommt bei positiven Sinnes-Eindrücken dann wie von ganz alleine. Und wenn ein Tag einfach mal „ungenießbar“ ist, dann ist das auch ok. Morgen ist ein neuer Tag!
Wird etwas, das mir Genuss bereitet, langweilig, wenn ich es zu oft genieße?
Ganz gleich, ob die Gefahr besteht oder nicht, glücklicherweise gibt es ja so unzählig viele Facetten des Genießens, dass man nicht Gefahr laufen muss, es „gehe einem der Genuss aus“…
Sollte man besser alleine oder in Gemeinschaft genießen?
Dafür gibt es keine allgemeingültige Antwort, da jeder Mensch ganz persönlich für sich entscheiden sollte, ob er etwas Genussvolles alleine erleben oder mit seinen Mitmenschen teilen möchte. Man braucht dies auch nicht generell zu besiegeln. Oft ist es ganz einfach von Stimmung, momentanem Stress-Level oder sonstigen Begebenheiten abhängig, ob ich gerade Zeit für mich alleine brauche oder mir das Genießen in der Gemeinschaft zu diesem Zeitpunkt leichter fällt.
In herausfordernden Zeiten, in denen es einem gerade schwer fällt, das Leben zu genießen, hilft es oft, sich mit positiven, freudig gestimmten Menschen zu umgeben, da gute Laune für gewöhnlich ansteckend wirkt.
Arbeitet es sich leichter, wenn ich mir vorher oder zwischendurch einen “Genuss” gönne?
Wer ausgeglichen ist, fühlt sich auch in der Arbeit leistungsstärker und zufriedener. Deshalb sollte man auf jeden Fall Genuss-Momente in den Arbeitsalltag einbauen; sogenannte Mini-Pausen können wahre Wunder bewirken und lassen die Arbeit in der Regel dadurch leichter von der Hand gehen. Wenn man sogar schon vor der Arbeit etwas Genussvolles für sich tut, fühlt man sich trotz langem Arbeitstag weniger fremdbestimmt, da der Tag bereits mit etwas Erfüllendem und Positivem begonnen hat.
Deswegen pflege ich immer zu sagen: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit, dann das Vergnügen – und seien es auch nur fünf Minuten, es lohnt, den Wecker dafür früher klingeln zu lassen!
Schon Voltaire (1694-1778) sagte:„Wir sind verantwortlich für das, was wir tun, aber auch für das, was wir nicht tun!“
Die Fragen stellte Tanja Korsten