Mit 30 heiraten, Doppelhaushälfte kaufen, Kinder kriegen – diese Vorstellung scheint für die meisten Angehörigen der Generation Y immer abwegiger zu werden. Ja, ihr wird sogar die Fähigkeit abgesprochen, überhaupt Beziehungen zu bilden und zu halten. Ich glaube, wir brauchen einfach nur ein bisschen mehr Zeit.
Wenn meine Mitbewohnerinnen und ich uns auf ein Glas Wein treffen reden wir über Gott und die Welt – klassischerweise auch über Männer, Beziehungen und die Liebe. Wir scherzen gerne, dass wir kalt sind, es nicht den richtigen Mann für uns gibt. Einfach, dass wir vielleicht besser alleine sein sollten. Mit 10 Katzen und einer Flasche Wein.
Doch meinen wir das ernst? Meinen wir es ernst, wenn wir sagen, dass wir auf Romantik pfeifen und sich potentielle Liebhaber ihre Rosen lieber selbst in die Wohnung stellen sollten? Oder ist das nur unser stummer Schrei nach Liebe?
Unserer Generation – die Generation Y – ist unter anderem als die Generation Beziehungsunfähig bekannt geworden. Wahlweise auch als die Generation Tinder. Wir wechseln unsere Partner so schnell wie unseren Job und bei dem Gedanken an etwas “festes” bekommen wir Ausschlag.
In unserem Blog GENERATIONENFRAGE schreiben die Gen-Y-evideros über Themen, die sie und ihre Generation beschäftigen, ihren Alltag beeinflussen und zu ihrer Art des bewussten Lebens dazugehören.
Wer sind wir als Mindfull Millenials eigentlich?
Selbstverwirklichung ist für die Gen Y wichtiger, als eine Beziehung
Besonders Michael Nast ist durch seine Bücher und seine Kolumnen über das Thema bekannt geworden. Die Generation Y scheint sich endlich verstanden zu fühlen. Er analysiert, dass sich die Gen Y zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das Projekt Ich steht immer an oberster Stelle. Aufopferung und Hingabe ist out, Selbstverwirklichung in.
Viele Punkte sprechen dafür. Die unglaublich große Vielfalt an Möglichkeiten. Die Frage ist nicht, welche Chancen wir bekommen, sondern welche wir auch tatsächlich nutzen. Die Punkte Selbstoptimierung und Individualismus werden häufig als Charakteristika für die Gen Y angeführt. Offensichtlich stellen wir unser eigenes Wohl und unsere Ziele, über die von anderen. Doch geht es in einer Beziehung nicht darum, sich fallen zu lassen? Ein Stück seiner selbst für den anderen aufzugeben? Oder revolutionieren wir gerade das gesamte Beziehungsmodell? Vielleicht ist es ja die Monogamie, die sich verabschieden und einem Beziehungsmodell mit mehreren Geschlechtspartner weichen muss.
Was sagt es über eine Generation aus, wenn die in einer Beziehung lebenden die Freunde mit Tinder-Affären beneiden? Sind wir wirklich in der Zeit der Beziehungsunfähigen angelangt?
Familie, fester Partner und Freundschaften sind oberste Priorität der Jugendlichen
Ganz im Gegensatz dazu stehen Ergebnisse der Shell-Jugendstudie. Das Wertesystem der Jugendlichen ist absolut bodenständig, fast schon spießig. Ehrliche Freundschaft, der hohe familiäre Verbund und ein fester Partner, dem man sich anvertrauen kann – das sind die Werte der Erwachsenen von morgen. Doch auch eine individuelle Selbstentwicklung steht auf dem Plan.
Befragt wurden 12 – 25 jährige – eher schon die Generation Z, als die Generation Y. Zeigt uns die Studie also den Trend für die Zukunft? Vielleicht müssen wir die Familienplanung der Generation Y doch nicht so schwarz malen.
Eines kann ich auf jeden Fall sagen: Durch die Bank haben fast alle meiner Bekannten ein sehr starkes Bedürfnis nach familiären Zusammenhalt. Natürlich, die einen mal mehr, die anderen mal weniger. Ich glaube aber, dass sich allein die Beziehung der Generation-Y-Kinder zu ihren Eltern, im Vergleich zu den Generationen davor, verändert hat. So viele bleiben in der Nähe der Eltern wohnen, kommen sie regelmäßig besuchen, schwänzen keine Familienfeiern. Wenn die Gen Y Rat sucht, sind die Eltern häufig die erste Anlaufstelle.
Kann eine Generation, die so ein starkes Bedürfnis nach Familie hat, überhaupt beziehungsunfähig sein?
Vielleicht sind wir ja gar nicht beziehungsunfähig, sondern nur beziehungsunwillig
Ich habe mich immer gefragt, wie die Beziehungen von den Leuten überleben, die sich mit 15 kennengelernt haben, mit 25 heiraten und dann glücklich bis an ihr Lebensende zusammen bleiben. Wie um Himmels willen, WIE??
Ich muss sagen, ich bin absolut nicht neidisch auf diese Art von Beziehung. In Wahrheit würde ich das Paar am liebsten einmal schütteln: “Seid ihr eigentlich wahnsinnig geworden? Schaut euch doch einmal um, was ihr alles verpassen werdet”.
Vielleicht habe ich damit schon das Armutszeugnis unserer Generation unterschrieben. Ich glaube allerdings nicht ernsthaft daran, dass alle Menschen, die zwischen 1980 und 1995 geboren worden sind, in 20 Jahren mit 10 Katzen alleine in ihrer Wohnung sitzen werden.
Ja, ich habe tatsächlich noch Hoffnung, obwohl das viele meiner Freunde vermutlich überraschen wird, denn ich gehöre nicht gerade zu den bekennenden Romantikern. Ich glaube noch an die Liebe, nur nicht, dass sie, wie früher vielleicht, mit 20 Jahren über unsere Türschwelle schreitet.
Vielleicht verzögert sich alles. Vielleicht wollen wir wirklich erst einmal alles ausprobieren und sind erst, wenn wir die magische 30 überschritten haben, bereit für etwas festes. Vielleicht wird von uns von allen Seiten zu viel Loyalität erwartet, sodass wir zumindest in diesem Punkt noch selbst bestimmen wollen, wo die Reise hingeht. Vielleicht, ja vielleicht leben wir in 50 Jahren in einer Gesellschaft, in der es normal ist, keine monogamen Beziehungen mehr zu führen. Wer weiß.
Mein Schlusswort soll optimistisch sein und geht raus an meine 4er-Mädchen-WG, die schon längst den Glauben an ihre Beziehungsfähigkeit verloren hat: So sehr ich die Vorstellung liebe, mit euch noch in 20 Jahren zusammenzuwohnen und bei einem Glas Wein über unser kaltes Herz zu philosophieren – ich weiß ganz genau, dass ihr bis dahin jemanden gefunden habt, der euch aushalten wird. Und von dem ihr dann vielleicht sogar auch mal eine Rose entgegennehmen werdet.