Liebes Tagebuch … Viele Wege führen zum Glück. Ist Tagebuch schreiben vielleicht einer davon? Der Bewusstseinsforscher Sebastian Lützig setzt sich damit auseinander, was es uns nützt, durch ein Tagebuch unsere Erlebnisse zu reflektieren. Und damit auch achtsamer zu werden für das, was wirklich zählt.
Mich persönlich macht das Tagebuch-Schreiben nur dann glücklich, wenn ich es als Veredelungs-Möglichkeit meiner Selbst verwende. Tagebuch kann ich sowohl physisch führen, als echtes Buch, oder auch geistig, indem ich abends meinen Tag reflektiere.
Verliere ich mich zu stark in angeblichen Fehlern, die ich am Tag tat, oder in Ängsten und Leiden, so macht Tagebuch schreiben sehr unglücklich. Es ist ein Werkzeug und wie mit jedem Werkzeug kann man etwas sinnvolles, Freude und Liebe-Förderndes damit tun, oder etwas, das unglücklich macht. Das Schöne an dieser Polarität ist und bleibt, dass auch hier die Freiheit des Einzelnen, des Menschen, zu 100% gewahrt wird. DU entscheidest, was du tust und was du wozu verwendest.
Was ist also zu berücksichtigen, wenn ich ein Tagebuch führen möchte?
Wir können unsere Gefühle und Emotionen durch Reflektieren beeinflussen
Unsere Gefühle sind nicht nur das Maß dafür, ob wir jetzt gerade glücklich sind oder nicht, sondern auch, ob wir in der Lage sein werden, nun locker und entspannt oder aber verspannt und schlecht gelaunt eine neue Tätigkeit zu beginnen.
So wie wir uns jetzt fühlen, so werden wir in unsere nächste Handlung gehen. Und entsprechend den Gefühlen, mit welchen wir die Handlung beginnen, wird diese auch eine Grundtendenz entwickeln; entweder Richtung Qualität und ganzheitlicher Erfolg, oder in die andere Richtung. Die eigenen Gefühle der Gegenwart, im JETZT, sind also erste Ursache für eine mögliche, persönliche Zukunft.
- Wenn wir Hässliches erinnern, einen Unfall, eine Krankheit, einen Missbrauch, usw., so verändern sich unsere Gefühle in der Gegenwart, im JETZT, in eine negative Richtung.
- Wenn wir Schönes erinnern, einen wunderschönen Sommer, eine tolle Begegnung, eine liebende Umarmung, so verändern sich unsere Gefühle in der Gegenwart, im JETZT, in eine positive Richtung.
Gleiches finden wir als Erlebnis beim Vorstellen einer möglichen Zukunft. Hegen wir Angst oder Befürchtungen vor einem Arbeitsplatzverlust, einem Beziehungsbruch, möglichen Strafen oder Streitigkeiten, so verändern sich unsere Gefühle negativ. Freuen wir uns dagegen auf eine bessere Zukunft, auf einen neuen Arbeitsplatz, weitere Erfahrungen, persönliches Wachstum, eine heilere Beziehung, Frieden und Freude, so verändern sich unsere Gefühle wieder positiv.
Geistiges Tagebuch schreiben hilft, die Gefühle zu steuern und zu beeinflussen
Tagebuch schreiben kann physisch oder als geistige Rückschau sinnvoll sein. Ich lasse abends vor dem Schlafengehen häufig meinen Tag Revue passieren. Von dem Moment an, in dem ich jetzt gerade bin, reflektiere ich rückwärts zum morgendlichen Aufstehen.
Manchmal komme ich in diesen geistigen Bildern dann an einen Punkt, an dem ich mich in der vorgestellten, reflektierten Situation gedanklich bzw. emotional verliere. Ich durchlebe sie “unbewusst” erneut. Dann kann ich nicht mehr klar den Rückblick ablaufen lassen, sondern stürze in die geistige Situation und erlebe sie ähnlich oder anders erneut.
Schließlich kommt der Moment, an dem ich mich erinnere, dass ich eigentlich dabei war, den Tages-Rückblick ablaufen zu lassen und weiß dann sofort, dass mit dieser vorgestellten, erneut durchlebten Situation stärkere Gefühle meinerseits verbunden sind. Diese Gefühle deuten auf etwas hin, was mir wichtig ist und der Beleuchtung bedarf. Ganz egal, ob sie positiv oder negativ sind.
Gefühle in den Griff bekommen: Achtsame Beleuchtung der Situation
Wenn ich spüre, dass es negative Gefühle sind, die mich in der Situation gefangen halten, so übe ich mich streng darin, die Situation so neutral wie irgendmöglich zu betrachten, und mich dann von ihr gedanklich zu distanzieren. Das tue ich auch bei stark euphorischen Gefühlen, denn ihnen folgt meist das gegenteilige Gefühl, ganz im Sinne von “Himmel hoch jauchzend – zu Tode betrübt”.
Jetzt, mit gefühltem Abstand zu der Situation, frage ich mich innerlich, was ich dazu beigetragen habe, dass die Situation so wurde. Hier achte ich darauf, mich selbst nicht zu verurteilen, sondern neutral zu bleiben.
Durch die neutrale Distanzierung kann ich mein möglicherweise unausgelebtes Bedürfnis – vielleicht wollte ich Ja oder Nein sagen, aber tat es nicht – oder mein übermäßig ausgelebtes Bedürfnis in dieser Situation erkennen. Egal, was es ist, hier halte ich inne, versuche neutral zu betrachten, zu erlauben und schließlich zu verstehen.
Wenn ich verstanden habe, warum ich wie handelte oder fühlte, kann ich mich anders verhalten, wenn ich in eine ähnliche Situation komme. Sollte ich so weit nicht kommen, kann eine weitere Lösung sein, einfach von der Situation komplett abzulassen, getreu meinem persönlichen Motto: “Wer im Sumpf versinkt, sollte sich nicht mit der Zusammensetzung des Sumpfes auseinander setzen, sondern zusehen, dass er zum Festland kommt.”
Von da aus, von dem sicheren Festland aus, ist die Analyse eine durchaus interessante Möglichkeit für mich. Konkret heißt das, diese durch den Rückblick erkannte Situation einfach fallen zu lassen und mich mit etwas Positiven zu beschäftigen.
Mein Abschluss bildet sehr häufig die Dankbarkeitsliste. Ich zähle dann vor dem Schlafengehen alle Dinge, Situationen und Wesen auf, für die ich an diesem Tag dankbar bin. Das kann der Regen, die Sonne, der Mond, meine Mutter, der Ofen, die Zahnbürste, das Essen, meine Tochter, Erde, mein zu Hause, die Pferde, der Wald, das Wasser, mein Nachbar, meine Hausschuhe oder was auch immer sein.
Diese nachgefühlte Dankbarkeit erzeugt schließlich gute Gefühle und meine darauffolgende Handlung, das zu Bett gehen, hat definitiv ein glücklicheres Fundament, als wenn ich in irgendwelchen negativen Gedanken und Gefühlen hängen bleibe.