Mit Yoga verbindet man Dehnübungen und Meditation, aber dass man beim Yoga auch richtig ins Schwitzen kommen kann, ist eher weniger bekannt. Power Yoga ist eine moderne, sportliche Variante des Yoga – Ein Bauch-Beine-Po Kurs ist es aber nicht! Leila Ragge von Yes!Yoga erzählt, warum sie sich auf diesen Yoga-Stil spezialisiert hat.
Liebe Leila, ihr unterrichtet in eurem Studio ja Power Yoga, kommt aber alle aus unterschiedlichen Yogastilen. Wie funktioniert denn das?
Wir haben zwar alle unterschiedliche Yogalehrer-Ausbildungen gemacht, aber die Stile sind nicht so unterschiedlich. Im Prinzip kommen wir alle aus dem Bereich, in dem man eher das körperliche Yoga macht und das ist grundsätzlich im Power Yoga so. Der Begriff heißt einfach, dass es sehr kraftvoll ist, sehr dynamisch und man kann eigentlich alle Asanas, die es so gibt im Yoga, kombinieren.
Wichtig ist, dass man sie eben miteinander kombiniert und das nicht immer nur einzeln übt. Das kann man im Prinzip aus jedem dieser körperlich ausgerichteten Yogastile wie Ashtanga, Vinyasa oder Hatha heraus machen. Von daher scheint es eigentlich nur so, dass wir alle was Unterschiedliches gelernt haben, wir treffen uns alle im Power Yoga, indem wir die einzelnen Asanas so kombinieren, dass es dynamisch wird.
Also kann man sich das sehr individuell aussuchen, welche Asanas man miteinander kombiniert?
Genau. Wenn wir drüber sprechen, ist es oftmals so, dass wir einzelne Übungen unterschiedlich kennen und dann haben sie vielleicht auch eine andere Wirkung, oder man kann sie anders kombinieren. Es gibt da kein richtig oder falsch. Natürlich achten wir immer darauf, dass der Schüler die Asanas korrekt ausführt. Also so, dass es seinem Körper gut tut und ihn nicht überfordert oder falsch belastet.
Welche Einflüsse sind denn wichtig für diesen Stil, den ihr unterrichtet?
Das Power Yoga wurde im Prinzip von Bryan Kest in den USA entwickelt, dieses Kraftvolle und Dynamische. Er hat daraus einen sehr modernen Begriff gemacht, mit dem jeder etwas anfangen kann. Das ist auch der Grund, warum wir das so nennen. Es gibt mittlerweile so viele verschiedene Sanskritbegriffe, dass viele gar nicht mehr wissen, welcher Stil eigentlich der richtige für sie ist.
Ich denke einfach, Power Yoga sagt aus, dass es sehr sportlich ist und spricht dadurch eben Leute an, die vielleicht ein bisschen Berührungsängste haben oder denken, sie sind vielleicht nicht spirituell genug. Oder dass Yoga für sie zu ruhig oder zu langweilig wäre. Das ist ja immer so das Vorurteil. Manchmal stimmt das natürlich auch, bei manchen Studios oder bei manchen Stilen.
Aber ich möchte zeigen, dass man sich wirklich bewegt, dass man sich auspowert, dass es auch Sport ist.
Was macht euer Yoga Studio besonders?
Der Yogastil ist ähnlich, wie er auch in manch anderen Studios in Köln unterrichtet wird. Was bei uns besonders ist, sind die kleinen Gruppen, in denen wir unterrichten. Wir haben einen sehr kleinen Kursraum und es sind maximal acht Personen, die in der Gruppe zusammen üben. Das heißt, der Lehrer kann ganz individuell auf jeden einzelnen eingehen und das ist mir total wichtig.
In den anderen Studios, wo ich selber auch hingehe und die ich wirklich auch gut finde, ist es oft so, dass dort zwar gute Lehrer unterrichten, es sind aber oft an die 30-40 Leute im Raum und der Lehrer kann sich nicht um jeden einzelnen kümmern, weil er einfach den Überblick nicht hat. Es ist mir wichtig, dass wir auch mit jedem Teilnehmer vorher sprechen, darüber, was man eben für Wünsche, für Ziele hat, warum man Yoga machen möchte, ob man irgendwelche körperlichen Beschwerden hat. So können wir im Kurs wirklich auf jeden individuell eingehen.
Power Yoga ist besonders kraftvoll und dynamisch
Und was gibt es für konkrete Unterschiede zu anderen aktiven Yogastilen?
Es ist noch kraftvoller, noch dynamischer, alles geht ein bisschen schneller. Dann ist da auch dieser moderne Aspekt, teilweise üben wir zu Musik und auch zu sehr moderner Musik. Manchmal läuft sogar House-Musik oder irgendwas anderes, was man so kennt, was jetzt gar nicht indisch oder Yoga-like ist. Es ist einfach ein bisschen moderner, nicht ganz so traditionell. Wenn sich jemand auskennt, nenne ich unseren Stil auch Vinyasa, denn wir unterscheiden uns dazu kaum. Es kennen nur viele den Sanskrit-Begriff nicht, deswegen bleiben wir beim Power Yoga.
Ansonsten wird Ashtanga auch sehr oft Power Yoga genannt, das ist ebenfalls sehr ähnlich. Da ist nur der Unterschied, dass man beim Ashtanga immer dieselbe Abfolge übt und dass beim Power Yoga miteinander kombiniert wird, man da sehr viel kreativer und individueller sein kann und die meisten anderen Stile, die es gibt, sind einfach sehr viel ruhiger.
Wie bist du selber zum Power Yoga gekommen?
Ich habe meinen ersten Job nach dem BWL-Studium als sehr stressig empfunden und habe einen Ausgleich gesucht, mental und körperlich. So bin ich zum Yoga gekommen, erstmal zum Ashtanga. Das ist auch nach wie vor der Stil, den ich selber privat gerne übe. Aber das ist ein sehr traditioneller Yoga-Stil, der mir irgendwann persönlich ein bisschen langweilig wurde und deswegen hab ich dann zum Vinyasa oder zum Power Yoga gewechselt.
Es ist einfach abwechslungsreicher. Oftmals werden in den Stunden auch Schwerpunkte gesetzt, körperliche oder mentale, und die ganze Abfolge wird dann darauf ausgerichtet, sodass man spezielle Schwerpunkte bearbeitet.
Power Yoga trainiert Körper und Geist
Zum Beispiel? Was kann man mit Power Yoga trainieren?
Körperliche Schwerpunkte können sein, dass man sich speziell auf die Bauchmuskeln oder den Rücken konzentriert, auf Verspannungen, Beine, im Prinzip können alle Körperteile Schwerpunkte sein. Und zu jedem Körperteil passt ein mentaler Schwerpunkt: Wenn ich sage, wir üben Brustmuskulatur, Schultern und Nacken, dann gehört sowas Mentales dazu wie Offenheit oder Toleranz. Das ist fast schon psychologisch.
Man hat dieses Gefühl, sich zu öffnen, das berichten auch die Teilnehmer. Ein anderes Beispiel: Bei Übungen mit den Beinen geht es dann eher um Standfestigkeit. Das hat mir ganz gut gefallen, das gibt es im Vinyasa oft und das machen wir halt auch im Power Yoga.
Gibt es auch Asanas, die typisch für das Power Yoga sind?
Jein. Typisch für Power Yoga sind eigentlich nicht spezielle Asanas, sondern die Tatsache, dass man die einzelnen Asanas fließend miteinander verbindet und zum Beispiel lange in einer Asana bleibt, dadurch wird es sehr anstrengend. Manchmal auch das Gegenteil, nur kurz in einer Position bleiben und dann dieser fließende Übergang, eben das Dynamische.
Aber es gibt natürlich auch besonders beliebte Asanas für das Power Yoga, etwa der Krieger, der ist sehr kraftvoll. Oder alles, das die Bauchmuskeln trainiert, Navasana zum Beispiel, das Boot. Bei dem muss man sehr stark mit dem Bauch halten. Also eher die kraftvollen Übungen, als die entspannenden.
Kann man sich denn wirklich so richtig auspowern?
Ja, auf jeden Fall. Fast jeder Teilnehmer, der das erste Mal kommt, ist verwundert, dass man doch so sehr ins Schwitzen kommt, das ist für uns immer ganz schön zu sehen. Gerade die Männer, die das so gerne belächeln. Wenn nachher die Yogamatte komplett nass ist, dann ändern die meisten ihre Einstellung zum Yoga. Trotzdem sind mir aber auch die ruhigen Momente am Anfang und Ende der Stunde sehr wichtig.
Jeder kann Power Yoga machen: Männer, Frauen und Kinder
Braucht man dann auch bestimmte Voraussetzungen? Zum Beispiel ein bestimmtes Fitness-Level?
Nein, finde ich nicht. Das kann eigentlich wirklich jeder machen. Man merkt natürlich schon, wenn die Menschen sehr sportlich sind. Das hat natürlich Vorteile, aber grundsätzlich kann einfach jeder Kurs eine persönliche Herausforderung sein. Jeder kann da für sich schauen, wie weit er gehen kann.
Wir haben hier drei verschiedene Kurse, wir nennen das Basic, Open und Medium. Basic ist für Anfänger, Open für alle, wo wir uns halt einfach so ein bisschen anpassen und Medium für die Fortgeschrittenen. Jemand, der noch nie Yoga gemacht hat und auch nicht sportlich ist, sollte dann eher in einen Basic-Kurs gehen, aber grundsätzlich kann das wirklich jeder.
Also kann man wahrscheinlich auch jede Muskelgruppe trainieren?
Genau. Es ist wirklich ein komplettes Ganzkörper-Workout. Man kann zwar Schwerpunkte setzen, aber das sollen natürlich nicht immer die gleichen sein. Es wird wirklich der ganze Körper trainiert, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit. Also nicht nur Muskelaufbau, sondern auch Dehnung.
Was ist mit den anderen Aspekten des Yoga? Zum Beispiel der Meditation? Gibt es das gar nicht?
Doch, das kommt auf jeden Fall auch vor. Im Prinzip ist es ein klassischer Ablauf, auch wenn man alles wild miteinander kombinieren kann. Dieser typische Ablauf ist sehr ähnlich wie beim Asthanga auch, dass man mit einer Anfangs-Entspannung oder Anfangs-Meditation anfängt. Erstmal geht es darum, zur Ruhe zu kommen, bei sich anzukommen, im Raum anzukommen und ein bisschen den Tag hinter sich zu lassen.
Dann wird sich ein bisschen aufgewärmt, meistens durch Sonnengrüße oder ähnliche Asanas, also dynamische Abläufe, dann macht man hauptsächlich Standpositionen und anschließend eher sitzende Positionen. Zum Schluss gibt es nochmal eine Entspannung im Liegen. Das heißt, der Anfang und das Ende sind schon sehr ruhig und sehr meditativ und da werden auch Atemübungen gemacht.
Der Atem ist generell ein sehr wichtiges Thema, genau wie bei allen anderen Yogastilen auch. Es ist ja kein Bauch-Beine-Po Kurs! Alles, was beim Yoga wichtig ist, ist auch bei uns wichtig. Man kann auch immer mal wieder die Meditation am Anfang oder am Ende ein bisschen ausdehnen, wenn man das Gefühl hat, den Leuten tut das vielleicht gerade gut.
Alles in allem sagt man, dass eigentlich die ganze Stunde Meditation in Bewegung ist, denn du sollst dich auf die Übungen konzentrieren und das synchron mit der Atmung und wenn du das schaffst, die ganzen 90 Minuten wirklich bewusst zu atmen und dabei zu bleiben, dann ist das wie eine Meditation.
Das ist eigentlich schon ein Erfolgserlebnis, wenn man das einfach mal geschafft hat, eine ganze Stunde eben nicht über seinen Job oder irgendwas nachzudenken, sondern zu atmen und die ganze Zeit bewusst bei der Bewegung zu sein. Dann wird im Prinzip die ganze Stunde zur Meditation, nur, dass man sich dabei bewegt.
Und was ist mit den spirituellen Aspekten?
Die sind eher zweitrangig im Power Yoga. Die meisten kommen wirklich über den körperlichen Aspekt und merken erstmal, dass es ihnen körperlich gut tut. Und dann kommen viele irgendwann an einen Punkt, wo sie das Gefühl haben, sie wollen sich noch mehr damit beschäftigen, fangen dann an zu lesen oder stellen uns Fragen. Deswegen kann man bei den fortgeschrittenen Kursen auch immer mal was mit einbauen und dann auch gerade das Thema Meditation noch ein bisschen intensiver machen. Aber der Weg beim Power Yoga geht ganz klar über den Körper.
Für welche Menschen ist denn Power Yoga besonders geeignet?
Eigentlich ist das wirklich für alle geeignet. Bei den Gesprächen im Vorfeld geht es hauptsächlich darum, eben nichts Negatives zu bewirken, wenn jemand schon mal irgendetwas gesundheitlich einschränkendes hatte. Etwa einen Bandscheibenvorfall oder etwas anderes körperliches, bei dem es wichtig ist, dass wir darauf achten. Es geht also darum, wirklich zu schauen, worauf man bei dem Einzelnen achtet, damit man nichts falsch oder kaputt macht oder irgendwelche Probleme, die er vorher hatte, verschlimmert.
Ich denke, Power Yoga ist einfach für Leute, die einen Ausgleich suchen zum Alltag. Heute ist alles sehr schnell-lebig, sehr stressig. Mir fällt auch kein anderer Sport ein, bei dem man es schafft, sich gleichzeitig auszupowern und so zur Ruhe zu kommen. Man macht wirklich Sport und hat das Gefühl, etwas getan zu haben für seinen Körper. Aber gleichzeitig auch ein bisschen zu sich zu kommen, zur Ruhe zu kommen, viel gelassener zu werden, konzentrierter.
Das sind alles Eigenschaften, die wir uns eigentlich alle wünschen oder die das Leben ein bisschen leichter machen. Das alles zu kombinieren tut jedem gut, von daher könnte ich jetzt gar nicht sagen, für welche Menschen es besonders gut wäre. Das gilt natürlich für alle Yogastile.
Speziell beim Power Yoga glaube ich, dass man auch ein bisschen den etwas moderneren, jüngeren Menschen anspricht. Gerade den, der vielleicht im Vorfeld denkt “Na ja, das mit der Meditation ist nichts für mich oder vielleicht hat das was mit Religion zu tun”, solche Vorurteile eben. Und dieses Wort “Power Yoga” spricht glaube ich einfach Menschen an, die ein bisschen moderner sind, nicht in so eine Schublade wollen und dann das Yoga vielleicht doch für sich entdecken.
Aber mit der Zeit, das ist ganz interessant, merkt man eben doch, wie die anderen Aspekte immer wichtiger werden.
Die Fragen stellte: Manuela Hartung