50 Jahre Radfahren und mit 78 immer noch Spaß daran haben. Klingt nach Wunschvorstellung? Nein. In unserer Reihe “Fit im Alter” stellen wir euch einen Mann vor, der sich von rüpelhaften Jugendlichen und mürrischen Arbeitskollegen nicht von seiner Leidenschaft abhalten ließ.
“Der Mann ist ja fit”, sagen die Ärzte, da liege ich noch überhaupt nicht auf dem Tisch. 50 Jahre Radfahren, 6 Tage die Woche, bis zu 120 km jeden Tag. Meine Leidenschaft zahlt sich aus. Heute, mit 78 Jahren, fahre ich immer noch regelmäßig Rad.
Radfahren ist für mich der schönste Sport der Welt. Wenn man einmal richtig Spaß daran gefunden hat, hört man so schnell nicht mehr auf und was gibt es schöneres als Bewegung an der frischen Luft?
So begann meine Leidenschaft fürs Radfahren
Damals, mit 16 Jahren, fing ein Freund von mir mit dem Rennrad fahren an und meine Karriere als Fußballspieler war damit ziemlich schnell beendet. Die anderen aus unserer Gruppe zogen bald nach und so fuhren wir bestimmt jeden Tag über Stock und Stein.
Bald waren wir so fit, dass die ersten kleinen Rennen nicht lange auf sich warten ließen. Dorf gegen Dorf. Mit vier Mann gingen wir ins Rennen, unsere Gegner meistens mit fast 15 Fahrern. Die ersten vier Plätze sicherten wir uns trotzdem. Die anderen Jungs waren einfach chancenlos gegen uns. Das waren die Anfänge von 50 Jahren Radfahren.
Später im Verein habe ich dann zweimal die Woche trainiert und es wurde immer mehr, genau so wie mein Ehrgeiz bei den Wettkämpfen. Die Pokale der Bezirks- und Verbands-Meisterschaften stehen heute noch bei mir im Wohnzimmer.
Geld habe ich durch das Fahrradfahren allerdings nicht verdient. Unter verdeckter Hand wurden mir vielleicht mal 20 Mark in die Tasche gesteckt, aber erzählen durfte man das auch keinem. Für das Geld, dass man in seine Leidenschaft investieren musste, reicht das natürlich nicht.
Ich hatte insgesamt bestimmt an die 15 Räder und da muss man natürlich noch beachten, dass immer mal was kaputt geht. Es kam nicht selten vor, dass ich in ein paar neue Reifen investieren musste. Das kann schon einen Haufen Geld kosten. Aber was Räder angeht, gibt es ja sowieso wahnsinnige Unterschiede! Von 3000 bis 15.000 Euro ist alles dabei. Was man davon braucht, ist eine andere Frage.
Mit dem Rad ins Ausland und zur Arbeit
Es hat mir immer Spaß gemacht, zu reisen. Ich durfte Rennen in Belgien, Kanada und den USA fahren, wo ich dann zeitweise auch gearbeitet und gelebt habe mit meiner Frau. Diese hat übrigens “Ja” gesagt, obwohl sie vorher schon wusste, dass sie mich eher auf dem Rad als beim Abendessen antreffen würde. Ein “Nee, nee, jetzt mal nicht aufs Rad, sondern komm nach Hause”, habe ich nie gehört und dafür bin ich sehr dankbar.
Meine ganze Familie hat mich immer unterstützt und mein Sohn fährt mich auch heute noch des Öfteren mit dem Auto zu meinen Lieblingsstrecken, von wo aus ich dann mit dem Rad weiter fahren kann. Das Fahrrad-Gen habe ich wohl an den Jungen weiter gegeben. Genauso wie ich damals trifft er sich mit seinen Jungs, um eine Runde zu drehen.
Natürlich durfte auch im Ausland mein Fahrrad nicht fehlen und so war es in Belgien, den USA sowie in Kanada immer mein treuer Begleiter. Meistens nützte es mir als Transportmittel zur Arbeit und so kann ich sagen, dass ich insgesamt an die 20.000 km zurückgelegte. Ich habe jede freie Minute zum Fahren genutzt, denn ich musste schließlich in Form bleiben, sonst hätte ich keine Chance mehr bei den Rennen gehabt.
Mit meiner Leidenschaft stieß ich nicht immer auf Zustimmung, erhielt aber letzten Endes doch jedes Mal Respekt. Als ich in Kanada Rennen gefahren bin, wohnte ich in einer Stadt so groß wie Aachen und musste jeden Tag zu meiner Firma fahren, bei der ich in dieser Zeit gearbeitet habe.
Ein englischer Kollege von mir wohnte fast neben mir und ist immer mit dem Auto gefahren – genau meine Strecke. Leider konnte er mich nicht ausstehen und so war es für ihn wohl ein zu großes Problem, mich an einer Straßenecke abzuholen. Ein störrischer Engländer, kein Auto, der Bus brauchte zu lange – ich hatte nur mein Fahrrad, aber das reichte mir.
Ich erzählte dem Kerl, dass ich am nächsten Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen würde und er erklärte mich für verrückt. 50 km Weg seien ja wohl nicht zu schaffen. Er hatte einfach keine Ahnung. Am nächsten Tag habe ich am Eingang schon auf ihn gewartet.
Die Leistung lässt nach, die Freude am Radfahren bleibt
Heute fahre ich keine Rennen mehr. Das habe ich freiwillig so entschieden und bin damit glücklich. Eines Sonntagsmorgens bin ich um fünf Uhr zu einem Rennen gefahren und da kam mir schlagartig der Gedanke: “Bist du eigentlich bekloppt? Jeden Tag musst du schon für die Arbeit so früh aufstehen und dann fährst du Sonntagsmorgens noch zu einem Wettkampf?”
Da habe ich aufgehört und bin standhaft geblieben, auch wenn natürlich viele meiner Kollegen mich immer wieder dazu ermutigt haben, erneut einzusteigen. Jedes Mal habe ich abgelehnt, auch wenn ich nicht abstreiten kann, dass ich das Kribbeln im Bauch noch spüre, wenn ich bei einem Rennen zuschaue.
Trotzdem war es die richtige Entscheidung. Im Alter wird auch nicht alles einfacher und einen steilen Berg kann ich auch nicht mehr mal eben so hinauf fahren. Meine Routen in der Freizeit musste ich mittlerweile auch schon ein wenig verändern und die meisten Steigungen lasse ich heute aus.
Regelmäßiges Fahrrad fahren hält fit
Trotzdem kann ich es jedem nur ans Herz legen, fit zu bleiben. Auch wenn man vielleicht mal ein paar sportbedingte Verletzungen in Kauf nehmen muss, gibt dir der Sport im Großen und Ganzen einfach so viel.
Wer sich schlecht zum regelmäßigen Training überwinden kann, sollte sich einer Hobby- oder Trainingsgruppe anschließen, auch wenn ich da persönlich mit den jungen Burschen nicht immer die besten Erfahrungen gemacht habe. Die Jungs erkennen mich als “den Radfahrer” aus unserem Ort und wissen, dass ich großen Respekt in der Rad-Welt genieße.
Wahrscheinlich haben sie deswegen den Ehrgeiz, mich zu besiegen und strengen sich besonders an, mich zu überholen. Da rasen sie dann auch schon mal mit einem sehr hohen Tempo an mir vorbei, was mich zwar ein wenig stört, aber vom Radfahren hält mich das bestimmt nicht ab.
Da finde ich die E-Bike-Fahrer auch fast noch schlimmer, die sich mit technischen Hilfsmitteln fit schummeln wollen. Schließlich gibt es Möglichkeiten, sich nach Alter und Stärke in Gruppen einteilen zu lassen. Da findet jeder das richtige für sich.
Ich selbst mache momentan neben dem Radfahren noch ab und an ein wenig Gymnastik und habe außerdem einen Stepper unten im Keller, der auch die Arme gut trainiert. Denn ich muss zugeben, das Fahrradfahren kann in dieser Beziehung schon ein wenig einseitig sein.
Aber das stört mich nicht, denn Fahrradfahren ist und bleibt der schönste Sport der Welt.
Aufgezeichnet von: Tanja Korsten und Amelie Falke