Schnelle Autos, Prunk & Glamour, schicke Häuser und gesellschaftliches Ansehen. Viele Menschen glauben, Arbeit mache nur glücklich, wenn sie zu Beförderungen und damit zu Geld und Einfluss führt. Ist das wirklich so? evidero hinterfragt es in einer mehrteiligen Reihe zum Thema “Arbeit und Glück”. Als erstes fragen wir: Macht Erfolg wirklich zufrieden? Und wenn ja, wieso?
Der ideale Arbeitnehmer der Gegenwart ist möglichst jung, möglichst belastbar, völlig flexibel im Wohnort und bei seinen Arbeitszeiten und hat trotz seines Alters schon mindestens zehn Jahre Berufserfahrung. Wer in der Arbeitswelt überleben will, muss sich an diese Ansprüche anpassen – oder er geht unter.
Ist das wirklich so? Vielleicht sind auch nur unsere Ansprüche an das, was wir aus der Arbeit ziehen, zu hoch. Oder sie sind schlicht und ergreifend verkehrt. Betrachten wir doch einmal ein paar Faktoren, die mit Arbeit zusammenhängen und unser Glück beeinflussen können:
Wie viel Arbeit lohnt sich wirklich? – Zeit ist Geld
Je mehr ich arbeite, desto mehr Geld bekomme ich auch, das ist ja klar. Aber hast du dich noch nie gefragt: Wenn mein ganzes Leben aus Arbeit besteht, wann soll ich das ganze Geld dann noch ausgeben? Natürlich spreche ich in diesem Fall nicht von alleinerziehenden Eltern, die sich kaum über Wasser halten können – das ist ein ganz anderes Thema. I
ch spreche vielmehr von Menschen, die meinen “mehr = besser”. Das muss nicht so sein. Manchmal gilt auch weniger = mehr. Vielleicht kennst du die kurze Geschichte über den afrikanischen Fischer. Sie geht so:
Ein Europäer trifft an einem afrikanischen Strand einen einheimischen Fischer, der in der Sonne sitzt und nichts tut. Sie beginnen ein Gespräch und der Europäer fragt:
“Wieso sitzen Sie hier und arbeiten nicht?”
“Weil ich meinen täglichen Fang schon gemacht habe.”
“Aber der Tag ist noch lang. Sie könnten mehr Fische fangen und von dem Erlös ein größeres Boot kaufen. Dann können Sie jemanden anstellen und Ihren Fang weiter vergrößern und Profit machen. Und irgendwann haben Sie vielleicht einmal ein richtiges Unternehmen.”
“Und wozu?”
“Na, dann können Sie tun und lassen, was Sie wollen.”
“Aber das kann ich doch jetzt schon!”
Die Moral von der Geschichte ist wohl eindeutig. Zu viel Zeit mit Arbeit zu verbringen, bringt uns nicht weiter. Außer vielleicht, wir haben unser Hobby zu unserer Arbeit gemacht.
Das Hobby als Beruf – der Beruf als Hobby
Magst du deinen Job? Oder schleppst du dich häufig genug mit Bauchschmerzen hin, langweilst dich und denkst die ganze Zeit nur: Kann nicht endlich Feierabend sein? Um im Arbeitsleben zufrieden zu sein, ist es sehr wichtig, den richtigen Beruf zu wählen. Er muss nicht unbedingt das größte Hobby beinhalten, aber es sollte zumindest nicht stressen oder langweilen.
Eventuell kann es sogar schaden, das Hobby als Beruf zu wählen: Wenn einem dadurch nämlich das Hobby verleidet wird. Hier kommt es auf die persönlichen Einstellungen und Motivationen an
- Ist der Beruf für mich “nur” ein Mittel zum Geldverdienen?
- Will ich mich durch meinen Beruf kreativ oder künstlerisch verwirklichen?
- Brauche ich Freiheit oder klare Regeln und Strukturen?
- Soll mir der Beruf als verlängerte Freizeit dienen?
- Dient mein Beruf einem höheren Ziel, etwa, anderen Menschen zu helfen?
- Bin ich ein eher introvertierter oder extrovertierter Mensch? Was heißt das für meine Berufswahl?
Ergibt sich natürlich die Frage: Kann ich denn Beruf und Freizeit noch wirklich voneinander trennen? Und kann ich noch richtig abschalten – oder ist das für mich gar nicht nötig, weil mein Beruf daraus besteht, den ganzen Tag etwas zu machen, das ich auch machen würde, ohne Geld dafür zu kriegen? Das ist sowieso ein leidiges Thema.
Geld regiert die Welt, macht aber nicht glücklich
“Money, money, money – must be funny, in the rich man’s world!”
Schon ABBA wusste: Ohne Moos nix los. Aber – macht Geld tatsächlich glücklich? Peter Wippermann vom Werte-Index, bei dem unsere momentan angesagten Werte und Sehnsüchte erfasst werden, sagt: nicht zwangsläufig. Geld und Glück ist den Menschen gleichermaßen wichtig, ist aber nicht gleichgesetzt.
Und “Erfolg” ist ein aktuell tatsächlich eher erfolgloser Wert. Erfolg zu haben steht nicht oben auf der Prioritätenliste der Menschen. Stattdessen sehnen sie sich nach Freizeit, Familie und Gesundheit. Andererseits ist es natürlich bequemer, in einem Mercedes unglücklich zu sein als auf einem Fahrrad. Aber kann das das ausschlaggebende Kriterium sein?
Nun haben wir schon einige Gedanken zum Thema “Geld” gefasst, aber ist Geld wirklich das einzige, das mit Erfolg einhergeht und deshalb betrachtet werden sollte? Vielleicht sind es ja auch andere Aspekte, die uns am Erfolg glücklich machen können.
Zum Beispiel: Macht und Einfluss. Das klingt zumindest schon mal vielversprechend. Es erscheint logisch, dass jemand, der Erfolg in seinem Beruf hat und dadurch Ansehen gewinnt, wahrscheinlich auch zufrieden ist.
Im Umkehrschluss müsste ein berufliches Scheitern dann aber auch vor allem einen Erfolgsverlust bedeuten. Die ehemalige Vorstandsfrau des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV, Katja Kraus, hat im evidero-Interview jedoch betont, dass oft etwas ganz anderers viel schwerer wiegt: Der Verlust des Lebens-Themas und der Integrität. Ist also das des Rätsels Lösung?
Erfolg hängt davon ab, was einem selbst wichtig ist
Tatsache ist: Selbstverwirklichung steht ganz oben auf allen Listen, die versuchen, ein Ranking unserer Bedürfnisse aufzustellen. Und da die Arbeit mindestens ein Drittel, wenn nicht noch mehr unserer Lebenszeit einnimmt, was läge da näher, als sie mit dem Wunsch nach Selbstverwirklichung zu verknüpfen?
Natürlich kommt es hier, wie bei allen Aspekten, auf den jeweiligen Menschen an. Nicht jeder hat die gleichen Wünsche und Ziele im Leben. Jeder hat seine individuellen Schwächen und Stärken, die er oder sie in den Beruf – und in die Freizeit – einfließen lassen kann.
Aber macht man es sich damit nicht ein bisschen zu leicht? Einfach zu sagen: Jeder muss für sich selbst herausfinden, ob und wie er Erfolg im Beruf braucht, um glücklich zu sein?
Zufriedenheit ist eine Frage der Einstellung, nicht des beruflichen Erfolges
Nein, ist es nicht. Denn Zufriedenheit ist vor allem von einem abhängig: der inneren Einstellung. Verlange ich immer mehr und mehr, oder genieße ich, was ich habe? Beneide ich andere um ihren Erfolg, oder setze ich mir eigene Ziele, an denen ich mich freuen kann, wenn ich sie erreiche?
In den meisten Fällen trägt Erfolg also wahrscheinlich zum Glück bei. Doch der einzige Faktor ist es sicher nicht und ein Garant für Zufriedenheit schon mal gar nicht.
Stelle dir doch einmal folgende Fragen:
- Was ist meine Motivation, den Beruf auszuüben, den ich habe? Ist die Arbeit Mittel zum Zweck oder dient sie einem anderen Ziel? Wenn sie nur einem finanziellen Überleben dient, brauche ich vielleicht einen Ausgleich? Etwa ein spezielles Hobby – oder vielleicht ein ehrenamtliches Engagement?
- Sind mir materielle Werte (Bezahlung) wichtiger – oder soziale Werte (Arbeitsklima)? Muss ich vielleicht in dem Bereich, der mir nicht so wichtig ist, Abstriche machen, oder kann ich beides unter einen Hut bringen? Vielleicht nützt es dir auch, darüber nachzudenken, warum das eine oder das andere dir wichtiger ist. Wo liegen denn deine Werte außerhalb der Arbeit? Und was ist dein letztliches Ziel?
- Stelle dir vor, du würdest befördert und hättest dementsprechend mehr Erfolg und Einfluss in deinem Beruf? Würde dich das glücklicher machen als jetzt? Was genau würde sich in deinem Leben verändern? Gäbe es Gefahren, die dadurch entstehen würden?
In den nächsten Teilen unserer “Arbeitsglück-Reihe” wollen wir uns mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen, die zu Glück oder Unglück auf der Arbeit beitragen können. evidero-Experte und Life-Coach Markus Drewes wird sich Gedanken dazu machen, inwiefern ein Scheitern im Berufsleben Einfluss auf uns hat und ob der Chef eine Rolle für unsere Zufriedenheits-Skala spielt. Und wenn ja, welche?