Wir alle wollen gerne alt werden und dabei fit und gesund bleiben, oder? Wir wissen, dass in manchen Regionen der Erde wie in Okinawa oder auf Sardinien die Menschen viel älter werden als bei uns. Trotz unseres guten Gesundheitssystems. Marcus Lauk, Lehrer und Dozent für Ernährung und Gesundheit, hat eine Weltreise gemacht und ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was seine persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Ernährung und Übergewicht sind.
Marcus, als Jugendlicher warst du schlank und sportlich. Hättest du dir da jemals vorstellen können, dass ausgerechnet du dick wirst?
Dadurch, dass ich sehr viel Sport gemacht habe, wie Fußball und Tennis spielen und sowieso fast jeden Tag an der frischen Luft war, habe ich da nie drüber nachgedacht. Und mit 16 Jahren habe ich mit Krafttraining angefangen und wollte sogar zunehmen und Muskelmasse aufbauen. Ich habe also immer viel gegessen. Wenn ich mal drei oder vier Wochen keinen Sport gemacht habe, kam schon ein kleiner Speckansatz am Bauch. Das habe ich gewusst, aber durch den ganzen Sport hab ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich dick werden könnte.
Wie konnte es passieren, dass du 27 Kilogramm zugenommen hast?
Ich war durch mein Training darauf konditioniert, immer viel zu essen. Das war vollkommen ok, solange ich wirklich trainiert habe. Aber irgendwann kam ein Schnitt und ich habe gar keinen Sport mehr gemacht. Da habe ich mich gerade selbstständig gemacht mit zwei Unternehmen, einem Musikverlag und einer Produktionsfirma. Durch Kontakte bin ich dann irgendwann mal beim Produzenten der Band “Jazzkantine” gelandet und habe die Möglichkeit bekommen, mit denen zu arbeiten.
In dieser Zeit habe ich dann zugenommen; ich habe 16 Stunden am Tag gearbeitet. Plötzlich merkst du, dass du einen Riesen-Hunger hast um vier Uhr morgens. Da haben wir uns immer den kompletten Müll reingehauen. Die Jumbo-Pizza mit extra Käse, und warum auch nur eine Pizza und nicht gleich zwei? Die Qualität des Essen ging enorm nach unten. Am Anfang haben die Leute noch gefragt, ob ich mehr trainiere, weil meine Schultern breiter geworden sind, aber irgendwann ging es dann Richtung Bauch.
Warum konntest du nicht schon nach fünf oder zehn Kilogramm sagen, jetzt ist Schluss, jetzt muss sich etwas ändern?
Das Problem ist, dass du ja nicht morgens aufwachst und plötzlich 27 Kilo schwerer bist. Dann wäre es ja leicht, aber du wachst morgens auf und bist vielleicht 100 Gramm schwerer und guckst in den Spiegel und alles ist so wie gestern. Es ist also ob du einen Frosch in lauwarmes Wasser legst. Am Anfang ist es noch ok, aber wenn du die Temperatur stetig steigerst, ist der Frosch irgendwann gar. Außerdem habe ich in der Zeit ganz gut verdient und habe mir ständig neue Klamotten gekauft und mir eingeredet, ach, die alte Hose war ja sowieso langweilig.
Und so wurden es dann innerhalb von anderthalb bis zwei Jahren halt 27 Kilogramm.
Wann kam bei dir der Entschluss, dass sich etwas ändern muss?
Das hatte auch mit einem beruflichen Umschwung zu tun. So um die Jahrtausendwende ist die Musikbranche abgeflacht, keiner wollte mehr CDs kaufen. Ich war also plötzlich raus aus diesem Film, dem ganzen Stress und der vielen Arbeit. Da kam dann wieder dieses Bewusstsein, wer bin ich überhaupt und wo will ich hin. Dazu kam noch ein krasses Schlüsselerlebnis, das ich nie vergessen werden.
Ich stand in der Umkleidekabine und wollte einen neuen Pullover anprobieren. In solchen Kabinen ist das Licht besonders brutal – und die Spiegel machen einen noch breiter. Ich zog mich also aus und habe mich so erschrocken, weil ich dachte, da steht ein fremder Mann in meiner Kabine. Ich wollte den echt schon hinaus schubsen und dann wurde mir klar, dass es mein eigenes Spiegelbild war. Ich war total geschockt. Ich sah wirklich brutal fies aus.
Was waren dann deine ersten Schritte, um abzunehmen?
Ich bin aus der Umkleidekabine geflüchtet, hab meine Zigarettenschachtel weggeschmissen, bin nach Hause und hab mir irgendwelche Turnschuhe angezogen, Laufschuhe hatte ich ja schon lange nicht mehr und bin joggen gegangen. Ich hab meine ganze Energie rein gesteckt, aber nur fünf Minuten durchgehalten. Mit Raucherlunge und 27 Kilo Übergewicht war Joggen nicht so spaßig. Ich kannte das ja noch ganz anders von früher. Danach war ich so platt, dass ich zwölf Stunden durchgeschlafen habe.
Ich habe mich dann viel mit Motivation auseinandergesetzt. In meine Bücher habe ich als Warnung ein Foto als Lesezeichen gepackt, das mich zeigt, wie ich auf einer Geburtstagsfeier ein riesiges Stück Torte esse. Ich habe viel über Ernährung gelesen und viele verschiedene Dinge an mir ausprobiert. Einiges hat geklappt, anderes eher nicht. Wobei ich die Erfahrung gemacht hab, dass kurzzeitig fast alle Methoden funktionieren, um schnell Gewicht zu verlieren, aber langfristig taugen die dann nicht so viel. Ich war einfach so getrieben von dem Schmerz, dass ich nicht mehr so aussehen wollte, wie ich war.
Ich hatte auch nie ein konkretes Ziel vor Augen, wie ich wieder aussehen wollte oder wieviele Kilos im Monat ich verlieren wollte. Nur eines war klar: Ich wollte nicht mehr so sein, wie ich zu diesem Zeitpunkt war…
Wie hast du dann letztendlich dein Übergewicht wieder verloren?
Ich habe meine Ernährung umgestellt und viel Sport gemacht. Dann war es halt nicht mehr die Jumbo-Pizza mit doppelt Käse, sondern nur noch Nudeln mit Knoblauch. Das ist ja auch lecker. Ich habe auch nie Hunger gehabt. In den zwei Jahren, in denen ich die 27 Kilo wieder abgenommen habe, habe ich mir vielleicht vier Mal bestimmtes Essen verkniffen. Ich habe jeden Tag Sport gemacht und das gute daran ist, dass ich beschäftigt war.
Vor dem Sport isst man sowieso mal zwei Stunden nichts. Dann war ich zwei Stunden im Fitness-Studio, in denen ich auch nichts gegessen habe. Und wenn ich dann nach Hause gekommen bin, hatte ich nur wenig Hunger. Wenn man dann noch die Hin-und Rückfahrt einrechnet, dann hat man ja schon vier oder fünf Stunden am Tag, an denen man einfach nichts essen kann. Und in der Zeit verbrennst Du sogar noch Kalorien. Das ist schon ein super Mechanismus.
Was machst du heute?
Heute bin ich Dozent an der “Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement”. In der Zeit, in der ich selber so viel abgenommen habe und nur im Fitness-Studio war, habe ich gedacht, ich könnte dort gleich selber arbeiten. Das habe ich dann auch gemacht, viel praktisch gearbeitet, mich weitergebildet, wenn auch auf einem sub-akademischen Grad. Dann habe ich viele Lehrgänge besucht und später dann noch die akademische Ausbildung in der Ernährungslehre gemacht.
Und ich bin echt glücklich, dass ich das eher anders herum gemacht habe. Heute merke ich, dass das ein Vorteil ist.
Ich liebe meinen Job und bin froh, etwas sinnvolles zu tun und anderen Leuten helfen zu können. Durch den zeitlichen und finanziellen Freiraum durch die Arbeit als Dozent, konnte ich so die Reisen machen und mein Buch schreiben.
Vielen Dank für das Gespräch, Marcus!
Die Fragen stellte Tanja Korsten