Immer weniger Menschen kommen zur Ruhe. Rastlos rennen sie durchs Leben. Und wollen doch entspannen – lernen. Klangtherapeutin Christiane Tietze erklärt, warum uns Musik hilft, „runterzukommen“.
Seit fast zehn Jahren bietet Christiane Tietze (50) zusammen mit Arthur Herzel in ihrem Wuppertaler „Institut für Energiearbeit“ unterschiedliche Therapien wie Klangheilung, medial geführtes Heiltönen, Klangmassage, Reiki- und Spirit-Touch-Sessions an. Sie selbst hat Ausbildungen in energetischer Arbeit (u.a. buddhistische Meditation, Metamorphose) und Klangheilung in England, Frankreich und Amerika (bei Tom Kenyon) absolviert.
„Das Arbeiten mit Klängen und Musik“, sagt sie, sei sehr effektiv: „Heiltöne wirken wie ein Schlüssel zu Türen im Inneren, wo vielleicht bisher das Schloss geklemmt hat. Sie können blockierte Energien wieder in Fluss bringen, die Frequenz erhöhen und den Raum zu neuen Sichtweisen öffnen – helfen, zu leben, was wir wirklich sind. Klang beruhigt. Man kann sich Klangwellen nicht entziehen. Und gerade sehr gestresste Menschen finden so viel schneller den Weg zur inneren Einkehr“.
Mitsingen bei Musik stärkt die Persönlichkeit
Ihre Erfahrung zeigt: Das eigene Tönen und das Entspannen bei Meditationsmusik helfen, die eigenen Persönlichkeits-Strukturen zu erweitern. Dabei geht es nie ums „singen können“, betont Christiane Tietze: „Singen als Selbstbegegnung ist ein sich auf- und abschaukelnder rückgekoppelter Regelkreis, in dem der singende Mensch sich psychisch und physisch, das heißt fühlend, denkend und handelnd selbst gestaltet.
Im ersten Schritt signalisieren die Töne Annahme – das innere „Verstimmtsein” darf sich ausdrücken. Dann folgt eine Art klingendes „rohrfrei”, indem alte Schwingung abtransportiert wird und zuletzt helfen sie, eine neue, heilsamere Schwingung zu implementieren “.
„Seelen-Reisen durch innere Länder“, nennt Christiane Tietze das. Diese Reisen führen in die Tiefen unseres Bewusstseins. Ihre gleichnamige Audio-Doppel-CD enthält acht geführte Meditationen mit Hintergrundmusik sowie ein Begleit-Booklet. Warum können wir uns mit Musik unserem Inneren besser nähern? „Töne haben eine ungeheure, alles verändernde Kraft. Denn Klang verändert den Zustand unseres Gehirns.”
Der Grund: Vom Moment der Klangerzeugung vergeht weit unter 1/6000 Sekunde, bis dieser Ton jede Zelle erreicht hat. Klänge wirken also unmittelbar, denn sie sind die Ursprache des Körpers. So können wir über Klänge eine neue energetisch-neuronale Wirklichkeit schaffen, die unsere Aufmerksamkeit auf die Stärkung bestimmter Zustände, Gefühle und Sichtweisen lenkt. Auf gute Weise wird unser Verstand ausgetrickst.“
Sound ist mehr als Klang
Verfestigte „Ich-Systeme” werden zur Verwandlung angeregt, selbst-begrenzende oder verletzende Strukturen können sich lösen, neue Schwingungen hinzutreten. Dieses Prinzip nutzt die indische Tradition der Mantra-Rezitation seit Urzeiten, erläutert Christiane Tietze: „Mantras sind Silben, Wörter oder Sätze, die hoch verdichtete Energie, also höchste Schwingung, enthalten. Wörtlich übersetzt bedeutet Mantra „das, was über das Denken hinausgeht“. Im Tönen des Mantras wird Schwingung freigesetzt und kann so zur stofflichen Entfaltung kommen“.
Im Englischen wird der Zusammenhang zwischen Klang und Gesundheit im Wort „sound“ deutlich, was sowohl „Klang” als auch „gesund, intakt, gut, solide“ bedeutet. “Summen ermöglicht es uns, mit unserer Neurochemie zu kommunizieren und ihr alternative Informationen anzubieten, aufgrund derer sie sich neu ausrichten kann”, erläutert die Expertin, „das bedeutet, mit Hilfe von Tönen können wir unsere Realitätsformung nach alten, Schmerz-verursachenden Mustern verändern“.
Musik weckt Emotionen und Erinnerungen
Auch wenn unsere Zellen sich ständig erneuern, geben sie doch im „Normalfall” nur die alten Informationen weiter an die nachfolgende Zelle. Wenn zum Beispiel viele Botenstoffe für einen bestimmten emotionalen Zustand – Depression zum Beispiel – ständig im Blut sind, wird die neue Zelle sogar mit mehr Rezeptoren für diesen Stoff ausgestattet – und andere werden reduziert.
Und genau dieses Prinzip kann man sich zunutze machen, indem man eine neue Ausrichtung über den Klang wählt, die „feste” Struktur des Körpers umgeformt wird und man eine neue Blaupause erstellt.
Christiane Tietze, die Psychologie und Anglistik/Germanistik studiert hat, und zusätzlich in Kung Fu, Tai Chi, chinesischer Heilkunde und tibetischer Philosophie und Meditation ausgebildet wurde, setzt bei ihren Einzel- und Gruppentherapien gern Musik ein: „Die meisten empfinden das als angenehm. Musik weckt Emotionen und Erinnerungen. Auf wunderbare Weise beruhigt sie nach einem Tag voller Stress.
Selbstverständlich gibt es auch Menschen, die nur in totaler Ruhe zu sich finden, aber das ist selten. Wichtig ist, dass man sich angewöhnt, regelmäßig zu meditieren, nicht nur einmal im Monat. Ideal ist jeden Tag, auch wenn es nur ein paar Minuten sind. Die meisten von uns sind Gewohnheitsmenschen – sie denken in Systemen und reagieren auf Rituale. Deshalb hilft es vielen, vor der Meditation oder Entspannung eine Kerze anzuzünden und in der Mitte des Raumes zu platzieren. Wichtig ist auch, jede Art von Störung zu vermeiden, also zum Beispiel das Mobiltelefon lautlos zu stellen“.
“Musik beschreibt ohne Worte die Welt”
„Klang“, so Christiane Tietze, „kann wie Medizin benutzt werden. Jeder von uns kennt das – der Tag verspricht nichts Gutes, aber plötzlich hören wir unser Lieblingslied im Radio, drehen lauter, singen vielleicht mit – und schon ist unsere Stimmung besser. Eine Regel, welche Musik sich besonders gut als „Entspannungsbeschleuniger“ eignet, gibt es eigentlich nicht – gut ist das, was sich gut anfühlt“.
Dass uns Musik berührt, lässt sich auch objektiv durch Messergebnisse nachweisen. Beim so genannten Biofeedback-Verfahren werden Hautwiderstand, Hauttemperatur, Blutdruck und Gehirnströme gemessen. Die Ergebnisse geben eindeutige Hinweise über den Spannungszustand des jeweiligen Menschen. Sinkt der Hautwiderstand und erhöht sich die Temperatur, bedeutet das eine Entspannung. Lässt man den Probanden unterschiedliche Musik hören, kann man herausfinden, welche Art als besonders entlastend erlebt wird.
„Musik ist die Beschreibung der Welt ohne Worte und Begriffe. Sie ist die Philosophie der Gefühle”, brachte es der Schriftsteller Carl Ludwig Schleich auf den Punkt. Christiane Tietze ermuntert auch zum Tönen und Summen: „Viele Klienten berichten, dass ihnen das sehr hilft – die eigene Stimme zum Schwingen zu bringen – ob im Auto, wenn wir allein sind oder in der Gruppe. Kinder singen und tönen wie es ihnen gefällt. Irgendwann verlernen wir das. Aber das ist schade – denn das eigene Singen und Tönen ist wie eine kleine Kurbel, die uns lebendig macht“.
Um eine entspannende Wirkung auf uns zu auszuüben, sollte Musik einige Kriterien erfüllen:
- Am besten eignet sich Instrumentalmusik.
- Auf jeden Fall muss sie gefallen, darf keine negativen Emotionen wecken.
- Das Tempo sollte im Bereich zwischen 60 und 80 Schlägen pro Minute liegen – in etwa unserem Herzschlag entsprechend.
- Der Rhythmus sollte konstant sein – große Tempo-Änderungen sind zu vermeiden.
- Sehr gut eignen sich Klassik-Werke als Entspannungsmusik.
Hier sind einige Beispiele und die Videoquellen: