Qi Gong, Shiatsu, Akupunktur – gehört haben wir alle schon einmal von den sanften Bewegungen, der wohltuenden Massage und der wirkungsvollen Nadelbehandlung aus China. Was die wenigsten wissen: Sie sind Teil eines ganzheitlichen Heilsystems, der Traditionellen Chinesischen Medizin. In einer neuen evidero-Reihe erläutern Grit Nusser und Xiaoying Shang, Heilpraktikerinnen TCM, die wichtigsten Grundbegriffe und Anwendungsmöglichkeiten der TCM. Start der Reihe macht heute eine Einführung in eine der ältesten Heilmethoden der Welt.
Es wird berichtet, dass bereits in der Steinzeit Akupunktur angewendet wurde und seit etwa 5000 Jahren Teil des chinesischen Heilsystems, der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), ist. Diese entwickelte sich vor allem im kalten, kargen Norden des Reiches, während im fruchtbaren Süden Leiden mit Kräutern, Wurzeln und Baumrinden behandelt wurden.
Ein Jahrtausende altes Heilsystem: Die Entstehung der TCM
Der „Gelbe Kaiser“ Huang-ti, der von 2696–2598 v. Chr. regiert haben soll, führte diese beiden Heilsysteme zusammen und begründete damit die TCM. Er schrieb mit sechs Ratgebern das “Nei Ching”, das wohl bekannteste und wichtigste Werk der TCM. Im Laufe der Jahrhunderte gab es viele große Ärzte, die dieses System weiterentwickelten.
Aber nicht nur Ärzte wendeten die TCM an, auch innerhalb der Familien dienten diese Methoden zur Selbsthilfe. Nichtakademische „Barfußärzte“, die man mit Heilpraktikern vergleichen kann, behandelten Kranke, vor allem während der Kulturrevolution, in den entlegenen Dörfern.
Gesundheit: Die Lebensenergie Qi im harmonischen Fluss
Die TCM ist eine energetische Medizin. Dahinter steht die Idee einer universellen Energie, dem Qi, die das ganze Leben, alle Teile des Körpers bis in die kleinsten Zellen, mit vitaler Energie versorgt. Sie fließt in Energiekanälen, den Meridianen, durch den Körper.
Das Qi wird dem Körper über die Nahrung, die Atemluft und durch die Erfahrungen des Geistes zugeführt: Dazu zählen die Wahrnehmungen der Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen – als auch die Erfahrungen des Geistes über unsere Gedanken und Gefühle.
Krankheit: Eine Störung der zwei energetischen Pole Yin und Yang
In der Vorstellung der TCM schaffen die gegensätzlichen Prinzipien Yin und Yang ein energetisches Gleichgewicht. Ist die Balance zwischen Yin und Yang dagegen gestört, kommt es zu Krankheiten.
1. Yin – die weibliche Energie der Passivität und Hingabe
Das weibliche Prinzip Yin steht in der TCM für Dunkelheit, Kühle und Passivität: Nacht, Mond, Materie, Erde, Ruhe, Winter, kalte Farben wie grün oder blau, das Untere, das Körperinnere, die Brust und der Bauch werden der Yin-Energie zugeordnet, ebenso wie Weichheit, Intuition und die Fähigkeiten der Akzeptanz und Hingabe.
Energetische Störungen im Yin führen beispielsweise zu Müdigkeit, Energieleere, chronischen Erkrankungen, dumpfen Schmerzen, Depressionen, Untertemperatur.
2. Yang – das männliche Prinzip der Aktivität und der Entwicklung
Die TCM verbindet mit dem männlichen Prinzip Yang Helligkeit, Wärme und Aktivität: Tag, Sonne, Kraft, Himmel, Aktivität, Bewegung, das Äußere, Sommer, warme Farben wie Rot, Gelb, Orange, das Obere, die Körperoberfläche, der Rücken. Yang äußert sich in Willensstärke, Tatendrang, dem Wunsch nach Entwicklung als auch in der Verbindung mit dem Verstand.
Eine Überbetonung der Yang Energie führt zu Fieber, akuten Schmerzen, Entzündungen und Erregungszuständen.
Eine Dysbalance von Yin und Yang führt laut TCM zu Krankheiten
In der TCM werden Yang-Erkrankungen mit Yin-Therapie und Yin-Erkrankungen mit Yang-Therapie behandelt. Die Yin-Therapie gleicht das hitzige Yang Element mit kühlenden und Ruhe fördernden Behandlungen aus, beispielsweise über kalte feuchte Umschläge, Eisgüsse oder Eispackungen und über die Bestrahlung mit kühlen Farben.
Die Yang Therapie setzt auf wärmende Methoden wie wärmende feuchte Umschläge, Sauna-Besuche, Bewegung, Massage oder Rotlichtbestrahlung.
Wenn Yin- und Yang-Energie im richtigen Verhältnis durch den Körper fließen, fühlt man sich wohl, ist ausgeglichen und gesund. Wird dieses Verhältnis gestört, sei es durch falsche Ernährung, Unfallfolgen oder psychische Stresszustände, so entsteht ein Ungleichgewicht im Yin zu Yang und umgekehrt.
Der Energiefluss in den Meridianen: Fülle, Leere, Harmonie
Ein Zuviel oder Zuwenig an Substanz, Energie oder Leistung wird als energetische Fülle oder Leere bezeichnet. So bedeutet Fülle eine übersteigerte körperliche oder seelische Reaktion, eine organische Überfunktion, vermehrte Gewebespannung, Blut- und Lymphstauung. Bei einem Zustand seelischer und körperlicher Erschöpfung, einer organischen Unterfunktion, Hormonmangel oder Anaemie (Blutarmut) handelt es sich um eine Leere.
Es gibt drei Füllungsgrade der Energie in den Meridianen: Harmonie, Fülle und Leere. In Kombination mit Yin und Yang werden vier Allgemeinzustände und Symptomegruppen bezeichnet. Diese Symptome entsprechen den Kombinationen von Yang und Yin, Fülle und Leere.
Ausgleich der Energien: Körperliche und seelische Balance
Yin und Yang dienen der Unterscheidung von prinzipiellen Gegensätzen (wie “hell – dunkel”), Verhaltensweisen (wie “laut – leise”) oder Lokalisationen (wie “oben – unten.”), während Fülle und Leere einen gestörten Zustand (Zuviel oder Zuwenig) beschreiben.
Die Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein ganzheitliches Heilkonzept: Körperliche und seelische Beschwerden werden im Zusammenhang gesehen und behandelt. Die fünf Säulen der TCM sind Ernährung, Bewegung, Massage, Akupunktur/Akupressur und Arzneimittel aus der Natur. In den folgenden Artikeln der evidero-Reihe zur TCM erfahren Sie mehr über die fünf Heilmethoden der TCM und erhalten außerdem Tipps zur praktischen Selbstbehandlung.