Teure Fitnessstudios? Technische Geräte? Stickige Luft? Nein danke! Es geht viel einfacher, günstiger und gesünder, nämlich in der freien Natur. Wald und Flur bieten uns Trainingseinheiten vollkommen kostenlos und dabei auch noch mit besonders viel frischer Luft für unser Immunsystem. Personal Trainer Burkhard Reinberg erklärt im Interview, was er am Konzept der Naturfitness so überzeugend findet.
Lieber Herr Reinberg, was ist die Philosophie Ihres Naturfitness-Trainings?
Ein Zitat des Amerikanischen Präsidenten Theodor Roosevelt: “Tu, was du kannst, mit dem, was du hast, wo immer du bist.” Genau das ist das Thema im heutigen Zeitalter der neuen Medien. Alles muss immer kompliziert und mit elektronischen Medien verbunden sein. Dabei ist das überhaupt nicht nötig, wir haben nur verlernt, einfache Dinge zu tun.
Was haben wir zum Beispiel verlernt?
Man kann das vor allem an Kindern und Jugendlichen beobachten. Es gibt einige Studien dazu, dass die Motorik bei Kindergartenkindern immer schlechter wird. Da geht es um so essentielle, einfache Bewegungen wie rückwärts laufen, auf einem Bein hüpfen oder Purzelbäume schlagen. Woran liegt das? Ganz einfach, die Kinder bewegen sich zu wenig. Anstatt im Freien zu spielen und zu toben sitzen sie Tag für Tag in Gebäuden und beschäftigen sich mit elektronischem Spielzeug.
Aber die Menschen wollen sich ja bewegen, man betrachte nur einmal die vielen Fitnessstudios
Das stimmt, es gibt immer mehr Fitnessstudios und auch innerhalb dieser vielfältige Angebote und Möglichkeiten. Das ist auch nicht schlecht! Aber ich denke, es geht besser. Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern orientieren uns an der Methode Naturelle von Erwen le Corre. Bei ihm geht es vor allem um Hochleistungssport, aber wir haben ein paar Ideen adaptiert. Bei uns kommt natürlich immer noch der rote Faden des Barfußlaufens hinzu.
Es können also nicht nur Hochleistungssportler mitmachen?
Nein, nein. Wir haben ähnliche Prinzipien genommen und diese heruntergebrochen auf Basics, die wirklich jeder ausführen kann. Kinder, ältere Personen, Menschen mit Handicap. Wir bieten Kurse und Workshops an, bei denen wir mit den Teilnehmern in die Natur gehen und dort mit ihnen trainieren. Und da kann jeder mitmachen.
Was machen Sie in Ihrem Fitnesstraining denn zum Beispiel?
Wir nutzen die Dinge, die uns die Natur zur Verfügung stellt. Zum Beispiel bewegen wir uns manchmal wie Tiere, etwa: “Geht wie eine Ente, geht wie ein Bär, geht wie eine Katze, geht wie eine Krabbe.” Dann müssen die Teilnehmer überlegen, wie dieses Tier läuft und das nachahmen. Es geht da um ganz grundlegende Bewegungsabläufe wie krabbeln auf allen Vieren oder seitlich krabbeln.
Dabei werden sehr viele Muskeln trainiert, es ist ein Ganzkörpertraining. Wer so etwas noch nie gemacht hat, für den ist es sehr anstrengend.
Und wieso trainiert man bei Ihnen am besten barfuß?
Ganz einfach. Wenn man barfuß Sport treibt, werden die Fußsohlen angesprochen, die Rezeptoren melden Sinneseindrücke und man wird in der Bewegung sicherer. Die gesamte Motorik wird sicherer. Es geht also um sensomotorisches Training, also das Zusammenwirken von sensorischen und motorischen Leistungen. Und genau das ist es, was viele von uns verlernt haben. Man kennt diese Art Training auch aus dem Rehabereich, zum Beispiel mit wackeligem Untergrund. Wir arbeiten manchmal auch mit Wippen.
Geht Ihr Fitnessansatz auch über die körperliche Fitness hinaus?
Auf jeden Fall, das ist ein ganz wichtiger Punkt beim Training in der Natur. Es geht genauso um die geistige und seelische Ebene. Entspannung ist ein ganz wichtiges Thema, das sieht man auch daran, dass es immer mehr Yoga- oder Pilateskurse in Deutschland gibt. Übergewicht, Burnout, Depressionen, all das nimmt zu. Uns geht es darum, den Teilnehmern die Möglichkeit zu bieten, auch in ihrem Alltag zu entspannen, herunterzufahren und echte Veränderung in ihrem Leben zu erfahren.
Mit was für Entspannungstechniken arbeiten Sie denn?
Wir arbeiten mit sehr alten Techniken, etwa der Selbsthypnose. Das heißt, wir versuchen, das Selbstbewusstsein zu stärken und das Unterbewusstsein zu mobilisieren. Die Teilnehmer sollen das Unterbewusstsein verstehen lernen, um es positiv und vor allem nachhaltig beeinflussen zu können. Aber natürlich muss jeder ausprobieren, was für ihn persönlich die passende Methode ist.
Arbeiten Sie auch mit Therapeuten und Schulmedizinern zusammen?
Ja, das tun wir. Vor allem mit Ärzten im Bereich der Orthopädie und Schmerztherapie, die erkannt haben, dass die Schulmedizin zwar gut ist, aber genauso gut auch noch ergänzt werden kann. Etwa durch Traditionelle Chinesische Medizin oder Naturheilverfahren wie von Pfarrer Kneipp. Ebenso sind wir in Kontakt mit Fachleuten im Bereich der Psychotherapie. Wir versuchen, einen Mittelweg von schulmedizinischen und naturheilpraktischen Ansätzen zu finden, denn der gesunde Mittelweg ist meistens der beste.
Welche gesundheitlichen Vorteile hat das Training in der Natur noch?
Es fördert die Konzentration, denn es gibt mehr Sinneseindrücke. Es stärkt das Immunsystem, denn wir machen unser Training natürlich bei jedem Wetter, Regen ist auch Natur. Wer barfuß trainiert verbessert seine Wahrnehmung und motorischen Fähigkeiten. Und vor allem: Wir trainieren ganzheitlich und nicht nur einzelne Muskelgruppen und auch eben nicht nur die Muskeln. Dabei geben wir natürlich auch die richtige Anleitung, damit man nichts falsch macht.
Können Sie uns noch eine besondere Übung nennen, die Sie in Ihren Kursen durchführen?
Da wären zum Beispiel die wilden Seile, das “Rope Training”. Dabei hat man ein etwa zwei Centimeter dickes Tau von einer Länge von gut 20 Metern. Dieses wird in der Mitte um einen Baum oder Pfahl gelegt, dann nimmt man die Tauenden in die Hand, geht in einen leichten Kniestand und beginnt, die beiden Tauenden zu schwingen. Ein wundervolles Armtraining.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Reinberg!
Die Fragen stellte: Manuela Hartung