Greenway – der Name ist Programm: Die Navigations-App soll es Autofahrern ermöglichen, den „grünen Weg“ zu finden und somit Benzin und Zeit zu sparen und die Umwelt zu schonen.
Wenn Sarah Achter sich morgens auf den Weg zur Arbeit macht, kommt sie meistens bereits gestresst im Büro an. Statt einer Stunde ist die Kölnerin auch gerne einmal anderthalb Stunden mit dem Auto unterwegs – das kostet Nerven, Geld und kostbare Lebenszeit. Die neue Navi-App Greenway soll diese allmorgendliche Qual nicht nur lindern, sondern sie gänzlich vermeiden.
Auch dem Entwickler der App, Christian Brüggemann, ist das Stau-Problem in einer Alltags-Situation aufgefallen. Der Informatikstudent saß mit Freunden in einem Café, als ihm ein Lösungsansatz in den Sinn kam: „Wir haben von dort zwei Straßen beobachtet – eine, die immer voll war und eine, die meistens leer war. Da haben wir uns gefragt was wohl passieren würde, wenn man den Verkehr so routet, dass erst gar kein Stau entsteht und die Straßen optimal ausgenutzt werden.“
Kein Zauberwerk – Staus könnten bald der Vergangenheit angehören
Greenway – der Name ist hier Programm. Die Navigations-App soll es den Autofahrern ermöglichen, den „Grünen Weg“ zu finden und somit Benzin und Zeit zu sparen und die Umwelt zu schonen. Via GPS werden Daten, wie zum Beispiel aktueller Standort und Geschwindigkeit von jedem Fahrzeug, im 30-Sekunden-Takt gesammelt. Anhand dieser Informationen wird die Verkehrslage in Echtzeit analysiert. „Wir versuchen die Autos so zu verteilen, dass die gegebene Infrastruktur optimal ausgenutzt wird“, erklärt Christian Brüggemann. Zunächst wird also die Route angegeben, die am zügigsten zum Ziel führt – quasi die erste Wahl eines herkömmlichen Navis.
Befinden sich jedoch bereits so viele Fahrzeuge auf der angegebenen Straße, dass die Kapazität dieser erschöpft ist, so leitet Greenway auf die nächstbeste Route um und reserviert dort einen virtuellen Platz, bis wiederum das Limit dieser Straße ebenfalls erreicht ist. „Greenway macht es so, dass bevor der Stau entsteht, die Autos bereits alle auf individuelle Routen geschickt werden. Das heißt, es wird so ausbalanciert, dass der Stau erst gar nicht entsteht“, so Brüggemann. Bisher war es nur möglich, Alternativ-Routen zu bereits vorhandenen Staus zu suchen. Doch die Geld- und Zeitersparnis sowie das Schonen der Umwelt durch geringere CO2-Ausstöße sind nicht die einzigen Vorteile von Greenway – auch die psychische Belastung durch Staus spielt eine Rolle.
Staus strapazieren die Nerven
Dass Stau nicht bloß im klassischen Sinne nervt, sondern tatsächlich auch die Nerven angreift, belegt die vom Navigationsgeräte-Hersteller „TomTom” in Auftrag gegebene Studie „The Stress of Driving“. Diese untersucht den Stresspegel und das tatsächliche Stressempfinden von Autofahrern bei dichtem Verkehr. Wissenschaftler David Moxon zeigt darin, dass Stau physiologischen Stress in Form eines evolutionsbedingten „Kampf oder Flucht“-Verhaltens verursacht, der sich beispielsweise in Symptomen wie Atemnot oder Schwindelgefühl äußert. Und das in einem ungesunden Ausmaß.
Die Situation des Stop-and-Gos ruft Aggression hervor und führt insbesondere bei Männern bei zu häufiger Belastung zu einem erhöhten Blutdruck und einer Beeinträchtigung des Immunsystems. Das Absurde ist: Den Meisten fällt diese enorme Stressbelastung nicht einmal selbst auf. Dies bringt die große Gefahr mit sich, dass die Problematik nicht erkannt wird. Mit Greenway wäre es möglich, auch auf diesem Gebiet positive Effekte zu erzielen. Werden Staus vermieden, so sinkt auch das Stress-Level. Entspannung statt Stress, Wohlbefinden statt Schwindelgefühl. Wie nötig die Reduktion von Staus in Deutschland ist, zeigt eine weitere „TomTom”-Studie, laut der beispielsweise Kölner Autofahrer im Jahr 76 Stunden im Stau verbringen. Viele deutsche Großstädte bieten ein ähnliches Bild.
Schneller und günstiger ans Ziel
Mit Greenway ließe sich ein Großteil dieser Zeit einsparen: „Die Simulationen haben gezeigt: Wenn alle Autos Greenway verwenden würden, wäre der Verkehrsfluss doppelt so schnell – die Autos wären doppelt so schnell am Ziel und würden dazu auch noch Sprit sparen“, so der Informatikstudent Christian Brüggemann. Und zwar bis zu einem Liter – von 7,5 auf 6,5 Liter im Schnitt – wie die Tests mit der Simulationssoftware zeigen. Als Gebühr für die Verwendung der App möchten die Gewinner des diesjährigen „Imagine Cups“ lediglich fünf Prozent vom tatsächlich dank Greenway eingesparten Betrag erheben – und das auch nur, wenn die Fahrer wirklich schneller ihr Ziel erreichen.
Wie bei vielen guten Projekten ist der Erfolg von Greenway maßgeblich vom wachsenden Bekanntheitsgrad abhängig, denn „das System fängt erst dann an zu funktionieren, wenn eine bestimmte kritische Menge an Benutzern vorhanden ist.“ Die Rede ist von insgesamt zehn Prozent aller Autofahrer in einer Stadt. Daher die Idee von Greenway, sich zunächst an Taxi-Flotten zu wenden, damit diese das System testen. Jetzt selbst Greenway-Tester werden. Denn wirklich nur dann, wenn diese Anzahl an Fahrzeugen erreicht wird, hat das Projekt auch eine reelle Chance auf Erfolg. Ansonsten reichen die gesammelten Daten nicht aus, um die Autos präzise umzuleiten und Staus bleiben weiterhin Alltag.
Anfang 2013 soll die Software auf den Markt kommen. Wie viele andere freut sich Sarah Achter bereits heute auf den Tag, an dem sich Greenway als eine Selbstverständlichkeit in Fahrzeugen durchgesetzt hat.