Politiker verdienen viel Geld. Ob dies angemessen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Doch wie soll man eine Leistung bemessen, die kaum konkret fassbar ist?
Sie kassieren viel mehr als sie verdienen. So lautet eine weit verbreitete Einschätzung über die Einkünfte von Politikern. Der Volksmund spricht heute übers Internet.In einem Forum von Yahoo antwortet die Userin „Elfe“ auf die Frage, wie viel Geld Politiker bekommen sollten: „So viel wie eine Putzfrau. Dann würden sie sich mehr Gedanken machen über das, was sie sagen.“ Differenzierter begründet dort „Fred“ seinen Vorschlag: „Da viele Politiker oft ein 12 bis 16 Stunden Arbeitstag haben und oft auch noch nicht mal am Wochenende oder im Urlaub wirklich Zeit haben, sollten sie auch angemessen bezahlt werden. So 5.000 Euro sollten da schon angemessen sein.“
Politiker bekommen aber mehr als „Fred“ für angemessen hält. Das verrät die Bundestags-Website: Ein Bundestagsabgeordneter erhält monatlich 7.960 Euro, die er versteuern muss. Dazu kommt eine „allgemeine Kostenpauschale“ von monatlich 3.969 Euro steuerfrei. Ein deutscher Durchschnittshaushalt verfügte 2005 laut Statistischem Bundesamt netto monatlich über 2.808 Euro. Das hat sich seitdem kaum geändert.
Der Bürger stattet seine Abgeordneten gut aus: Soviel verdienen deutsche Politiker
Angela Merkel | 22.711 |
Hannelore Kraft | 20.091 |
Günther Oettinger | 19.910 |
Stefan Mappus | 19.481 |
Ursula von der Leyen | 16.694 |
Monatsgehalt unserer Spitzenpolitiker, Quelle © Statista 2016
Bundestagsabgeordnete genießen weitere Vorteile, für die andere zahlen müssen: Sie bekommen ein Büro, dürfen den Fuhrpark des Bundestags in Berlin kostenfrei nutzen, ebenso Bahnen und Flugzeuge bundesweit. 12.000 Euro jährlich stehen ihnen für Büroausstattung vom Kugelschreiber bis zum iPad zur Verfügung. Der Bund der Steuerzahler merkt an, dass „alle beschafften Gerätschaften hervorragend privat genutzt werden“ können.
Weitere 15.000 Euro monatlich kann ein Bundestagsabgeordneter für Mitarbeiter ausgeben. Die Volksvertreter sitzen an der Spitze der Einkommenspyramide, wo Selbständige durchschnittlich im Jahr 106.900 Euro netto einstreichen, während Otto-Normal-Beamte mit 42.800 netto auskommen müssen.
Komfortabel auch die beitragsfreie Altersversorgung des Bundestags, die bereits nach zwei Legislaturperioden 1.682 Euro monatlich beträgt und nach 27 Mandatsjahren den Höchstwert von 4.836 Euro erreicht. Schon von Stufe eins kann eine Durchschnittsangestellte nach 30-jähriger Berufstätigkeit nur träumen. Die Übersichten über die Einkünfte von Landtagsabgeordneten kann man auf den Internetseiten der jeweiligen Landesparlamente finden. Stadt- und Kommunalparlamente zahlen leistungsbezogen meist nur Sitzungsgelder.
Politikergehälter im Weltvergleich: Soviel verdienen Staatsoberhäupter weltweit
Lee Hsien Loong, Singapur | 1.700.000 Dollar |
Barack Obama, USA | 400.000 Dollar |
Stephen Harper, Kanada | 260.000 Dollar |
Angela Merkel, Deutschland | 234.400 Dollar |
Jacob Zuma, Südafrika | 223.500 Dollar |
Jahresgehälter Staatsoberhäupter 2015, Quelle: businessinsider.
Diäten sollen Unabhängigkeit der Politiker sicherstellen
Diäten für Politiker gibt es in Deutschland erst seit 1906. Davor war Politik eine Angelegenheit Vermögender, die es sich leisten konnten. Um auch weniger Begüterten die politische Teilhabe zu ermöglichen, griff man auf die alte Idee des Griechen Perikles zurück, der bereits im 5. Jahrhundert vor Christus öffentliche Ämter mittels Tagegeldern für alle Athener geöffnet hatte.
In der Sprache unseres Grundgesetzes, Artikel 48, liest sich das so: „Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.” Im Abgeordnetengesetz § 11 steht, was als „angemessen“ gilt: Es ist das Einkommen von einfachen Bundesrichtern oder Bürgermeistern von Kommunen zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern. Das sind aktuell etwa 8.050 Euro.
Solche Summen können einen Schlachter im Rheinland oder eine Friseuse in Mecklenburg-Vorpommern durchaus in Wut versetzen. Denn sie bekommen häufig Stundenlöhne zwischen drei und acht Euro. In normaler Arbeitszeit kann so niemand eine Familie ernähren. Häufig muss per Hartz IV„aufgestockt“ werden.
Die Politiker aber haben das Abgeordnetengesetz ebenso selbst verfasst, wie sie durch Gesetzgebung das Einkommen von Bürgern beeinflussen. Dass sich Niedriglöhne in Deutschland so ausbreiten konnten, ist auch eine Folge der Agenda 2010, die 2003 unter einer rot-grünen Regierung eingeführt und von deren Nachfolgern kaum angetastet wurde. Politiker haben also dazu beigetragen, dass heute jeder fünfte Arbeitnehmer zu den Geringverdienern zählt, wie eine Untersuchung der Universität Duisburg-Essen zeigt.
Sie dürfen sich angesichts ihrer (Spitzen)Einkommen über den Verdruss von Bürgern nicht wundern. Dabei stellt das diskutierende Volk die Diäten selbst häufig nicht einmal in Frage. Kritisiert wird die Praxis, dass Abgeordnete über die Höhe ihrer Bezüge selbst entscheiden können. Zwar hat es das Bundesverfassungsgericht am 5. November 1975 so verfügt, doch ein Freibrief für „Raubrittertum“ bei Diätenerhöhungen war damit nicht gemeint.
Anstoß wegen Nebeneinkünften: Wenn Politiker etwas dazuverdienen
Anstoß erwecken auch Nebeneinkünfte aus Verbands- und Aufsichtsratsposten oder – wie im Falle Peer Steinbrück – Vorträgen bei Banken, Handelskammern und Stiftungen. Das ARD-Magazin Fakt rechnete Steinbrück vor, dass er seit 2009 drei Reden im Bundestag gehalten, aber mehr als 60 bezahlte Vorträge überall im Land gemeldet habe.
Seine Kollegin im Europa-Ausschuss, die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla, schätzt, dass der SPD-Kanzlerkandidat in spe gerade einmal an 20 Prozent der Ausschusssitzungen teilgenommen habe. Und Gregor Hackmack von Abgeordnetenwatch.de ordnet die Nebeneinkünfte des Ex-Finanzministers siebenstellig ein.
Damit gehört Steinbrück zu den oberen Zehntausend. Das Jahreseinkommen von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn wird auf zwölf Millionen Euro geschätzt. Ein Bundesfinanzminister trägt vergleichbare Verantwortung, erhält aber „nur“ gut 157.000 Euro brutto (plus 3.681 Euro steuerfreie Pauschale).
Geld allein bürgt nicht für Qualität
Das wirkt unverhältnismäßig. Im Internet-Forum gibt daher „Raik“ zu bedenken: „Sie (Politiker) sollten auf jeden Fall so viel bekommen, dass es für die bestqualifizierten und intelligenten Menschen finanziell interessant wird, einen Job als Politiker zu machen. Sonst bekommt man nämlich nur zweite Wahl und schlechte Politiker will niemand haben.“
Doch Geld allein bürgt nicht für Qualität. Der Politologe Jürgen Dittberner meint zum Ruf nach höherer Bezahlung in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung: „Dadurch bekämen wir aber kaum andere oder bessere Politiker.“ Er glaubt auch nicht, dass höhere Bezüge Politiker gegen Bestechlichkeit wappnen: „In allen Gehaltsklassen gibt es Bestechliche und Unbestechliche. Das ist eine Frage des Charakters, nicht des Geldes.“ Wer aber glaubt, die „Elite” meide die Politik aus finanziellen Gründen, sei auf das Auf und Ab in der Wirtschaft verwiesen. Dort tummeln sich genauso viele Stümper und Unfähige.
Also zurück zur Ausgangsthese: Politiker streichen ein überdurchschnittliches Gehalt ein. Dafür verdienen die Bürger einen überdurchschnittlichen Einsatz. Arbeitnehmer können ihr Tagespensum auch nicht frei wählen. Das bestimmt die Arbeitsplatzbeschreibung. Die hat für Politiker das Bundesverfassungsgericht formuliert, demzufolge eine Abgeordnetentätigkeit „den ganzen Menschen“ fordert, „der allenfalls unter günstigen Umständen neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch versuchen kann, seinem Beruf nachzugehen“. Politiker haben sich also mit vollem Einsatz um das Wohl des Volkes zu kümmern, das sie bezahlt.
Diener des Volkes im Korsett der Sachzwänge
Im Wort verdienen steckt der Begriff des Dienens. Abgeordnete werden daher auch als Volksdiener bezeichnet. Ihr Wert bemisst sich einerseits danach, wie viel sie arbeiten, und andererseits danach, welchen Nutzen sie der Gesellschaft einbringen. Fleiß lässt sich den meisten Parlamentariern kaum absprechen. Das belegt ein exemplarischer Politiker-Terminkalender bei der Bundeszentrale für politische Bildung. All die Plena, Ausschüsse und Wahlkreis-Pflichten passen kaum in einen 7,5-Stunden-Tag.
Schwieriger ist die Frage nach dem Nutzen zu beantworten. Denn der bemisst sich angesichts wellenartig aufeinander folgender Wirtschafts- und Finanzkrisen zumeist in Ersparnisprozenten auf Kosten der Bürger. Abgeordnete verkommen dabei zu Sklaven der Sachzwänge, ständig vor der Wahl zwischen Übeln, die nun auch noch globalisiert daherkommen.
„Wo früher Leuteversteher gesucht waren, sind heute Kapitalversteher gefragt“, schreibt der Politikwissenschaftler Wolfgang Streek in der Zeitschrift „lettre international“. Der Wähler wird als Souverän von den Märkten abgelöst. Das dient langfristig weder dem Wohlstand der Bürger noch der Umwelt. Es sei an der Zeit, forderte der Linken-Politiker Gregor Gysi in einer Rede, die Finanzmärkte zu bekämpfen und den Primat der Politik wiederherzustellen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat kürzlich festgestellt, dass die Schere zwischen Arm und Reich weltweit – und besonders in Deutschland – immer weiter auseinander klafft. „Zunehmende Ungleichheit schwächt die Wirtschaftskraft eines Landes, sie gefährdet den sozialen Zusammenhalt und schafft politische Instabilität – aber sie ist nicht unausweichlich“, merkte OECD-Generalsekretär Angel Gurria an. Die OECD setzt auf Bildung und Weiterbildung als Gegenmittel. Ein vortreffliches Aufgabenfeld für Politiker.
Die Gesellschaft braucht langfristige Strategien, die von Politikern entwickelt werden müssen
Der Parteienforscher Dittberner empfiehlt: „Politiker haben die Aufgabe, Strategien zu entwickeln, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wenn die Politiker nicht zu denen gehören, die üppig kassieren, können sie ihre Fürsorge eher dem unteren Ende der Pyramide zuwenden, und das ist für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft dringend nötig“. Wer nur um des Gelderwerbs willen Politik macht, ist fehl am Platze und sollte sich bei einer Bank bewerben.
Zur Politik gehören untrennbar Idealismus, Moral, Beharrlichkeit, kurz der nachhaltige Wunsch, die Gesellschaft zu verbessern. Für den Politologen und Journalisten Dolf Sternberger galt: „Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede“. Und bekanntlich meint Friede nicht nur die Gewaltfreiheit zwischen Staaten, sondern auch gerechte gesellschaftliche Verhältnisse und Einklang mit der Natur.
Gebraucht werden also Politiker, die über den Tellerrand der Legislaturperioden hinaus das langfristige Wohl von Staat, Gesellschaft und Umwelt anstreben. Stehen aber zu wenig solche Gestalter zur Verfügung, muss man sie suchen und heranbilden.
Zöglinge einer Kosten-Nutzen-Erziehung werden dazu kaum in der Lage sein. Und wenn Politik immer nur schlecht gemacht wird, lassen sich anspruchsvolle und sensible Mitbürger dort nicht blicken. Sind Werte und Überzeugungen in der Gesellschaft Mangelware, kann es in der Politik nicht anders sein. Der Essener Soziologe Harald Welzer warnt im tagesspiegel vor „einer kollektiven Haltung von Unzuständigkeit. Wenn niemand die Demokratie für seine eigene Angelegenheit hält, hat sie sich schon erledigt.“
Politik des Volkes: Kontrolle ausüben über das Internet
Mehr Leidenschaft, mehr Engagement sind auf allen Seiten nötig, denn eine Gesellschaft bekommt die Politiker, die sie verdient. Die elektronische Vernetzung bietet die Möglichkeit erweiterter Teilhabe und Kontrolle. Dass dies zunehmend akzeptiert wird, zeigen die jüngsten Erfolge der Piratenpartei. Mag sie auch – was politische Programme und Analyse angeht – noch in den Kinderschuhen stecken. Ihr Ansatz, alle an allem zu beteiligen, könnte die Politik redemokratisieren.
Internetportale wie abgeordnetenwatch.de oder abgeordnetencheck.de eignen sich fürs Polit-Controlling in der Echtzeit-Demokratie. Der Mitgliederentscheid in der FDP über den Euro-Rettungsmechanismus hat ebenso wenig Spott verdient wie Ansätze der SPD, Nichtmitglieder mit entscheiden zu lassen. Die wenigsten Politiker sind Genies. Nur wenn die Bürger ihnen klare Aufträge erteilen und diese kontrollieren, stellen sie sicher, dass Parlamentarier und Minister sich verdienen müssen, was sie einstreichen.
Artikel Februar 2012, aktualisierte Tabelle Mai 2016