Wie spart man am besten Zeit? Wie wird man erfolgreich mit dem richtigen Zeitmanagement? Wie umgeht man lange Wartezeiten? Wie kommt man am schnellsten am Urlaubsort an? Wie vermeidet man Stau? Am besten gar nicht. Eine Anleitung zur (vermeintlichen) Zeitverwendung.
Warten ist lästig, das gebe ich zu. Jedoch ist “Warten” immer eine Frage der Definition. Ich habe unzählige Artikel zur Zeitgewinnung und -optimierung gelesen. Produktiv scheint es zu sein, wenn ich es schaffe, mein Abendessen in nur 20 Minuten zu kochen, damit ich anschließend noch 40 Minuten an meinem Businessplan schreiben kann.
Müßiggang ist aller Laster Anfang? Falsch!
Der Zug hält an jedem Briefkasten an? Perfekt, dann bleibt mehr Zeit für ein gutes Buch. Auf der Autobahn bewegt sich nichts mehr? Beste Gelegenheit, um das neue Album vom Lieblingsinterpreten endlich durchzuhören. Keine Lust zum Sport zu gehen? Endlich Zeit um soziale Netzwerke zu durchwühlen. Konzentrationsschwierigkeiten bei der Arbeit? Warum nicht die Zeitung von gestern auslesen? Oder noch besser: einfach mal gar nichts machen.
Nun kann in diesen Situationen noch keine Rede von einer aktiven Entscheidung sein. Niemand (oder zumindest die wenigsten) suchen sich aus, im Stau zu stehen. Jedoch kann man sich für den Müßiggang entscheiden.
Das Leben in einer Leistungsgesellschaft
Wenn man in einer Zeit der permanenten Selbstoptimierung sagt, man hat die letzten Stunden gar nichts gemacht hat, nein, nicht einmal Serien gestreamt, dann ist das heute schon fast ein politisches Statement.
Kurz vor dem Burnout? Dann hast du dich zeitgemäß verhalten. Wo früher dicke Autos und (halb)nackte Frauen zur Schau gestellt wurden, demonstriert man heute seinen stressigen Alltag, die Erschöpfung durch die Hingabe zur Arbeit. Statussymbol: völlige Verausgabung.
Wer hat zuletzt ein Stellenangebot gelesen, indem im Anforderungsprofil keine hohe Belastbarkeit gefordert wurde. Übersetzt: wer unter Druck nicht produktiv arbeiten kann oder gar gerne mal die Füße hochlegt, ist ein Versager.
Der Drang nach Selbstoptimierung ist legitim. Ständig umgeben von Fitnesstipps, Anleitungen zum Minimalismus, Beziehungsratgebern und den neuesten Tools, um Ordnung zu schaffen. Wer für einen Moment weder seine Gesundheit, noch Ästhetik oder seinen Intellekt zu optimieren versucht, wirft Verwirrung auf. Aber vielleicht auch so etwas wie Neid. Denn wer wünscht es sich nicht, einfach mal ohne schlechtes Gewissen durchzuatmen.
Wir streben danach, uns wirksam zu fühlen – ein grundlegendes Bedürfnis. Doch ist die wahre Herausforderung nicht, es auszuhalten, auch mal nicht effektiv, kompetent und wirksam zu sein? Es nicht nur auszuhalten, sondern auch auszukosten und zu genießen?
Drück auf Pause
Wer durch Betriebsamkeit ständig unterhalten bzw. abgelenkt ist, dem wird die aktive Entscheidung zum Nichtstun zu Beginn schwer fallen. Nach langer Rastlosigkeit kann man nicht schnipsen und innere Ruhe verlangen. Innere Ruhe fällt nicht vom Himmel.
Seinen Gedanken nachhängen will gelernt sein. Jede Sekunde könnte man etwas verpassen, das virtuelle Leben geht weiter, das Wirkliche bleibt stehen. Um die Balance zwischen Aktivität und Passivität wiederzuerlangen, muss man die Angst, loszulassen, überwinden.
Wir sind nicht mehr Herr (und auch nicht Frau) unserer Zeit
In der Antike war das Arbeiten den Sklaven, das Denken der Elite überlassen. Was wir davon lernen können? Man muss Arbeit auch mal Arbeit sein lassen können. Natürlich – im besten Fall wird der eigene Job nicht als notwendiges Übel gesehen, doch auch wenn du Freude an deiner Arbeit empfindest, vergiss nicht, auch mal die Seele baumeln zu lassen. Wie schon John Locke sagte: “Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die menschliche Natur.” Also – vollstreckt das Gesetz der Natur und entdeckt das süße Nichtstun wieder.