Ob wir gute oder schlechte Futterverwerter sind, also ob wir schnell zunehmen oder eher kaum, das liegt an der Besiedelung unseres Darms mit bestimmten Bakterien und Keimen. Diese ist oft bereits bei der Geburt festgelegt. Doch durch eine gezielte Ernährung können wir die Darmflora trotzdem beeinflussen. Wie wir erfolgreich abnehmen können und welche Nahrungsmittel dafür geeignet sind, das zeigt uns Prof. Dr. Axt-Gadermann, Lehrende für Gesundheitsförderung an der Hochschule in Coburg, in ihrem neuen Buch “Schlank mit Darm”.
Das Interview führt Annette Coumont
Schlank durch die richtigen Darmbakterien
Liebe Frau Axt-Gadermann, manche Menschen schauen ein Stück Schokolade nur an und es landet sofort auf ihren Hüften. Andere können so viel essen wie sie wollen und nehmen trotzdem nicht zu. Woran liegt das?
Seit einigen Jahren weiß man, dass es tatsächlich Menschen gibt, die „gute Futterverwerter“ sind. Der Grund liegt an einer anderen Zusammensetzung der Darmbakterien als bei schlanken Menschen. Die Darmflora Übergewichtiger ist häufig nicht so vielfältig wie die von Schlanken, das heißt, man findet nicht so viele unterschiedliche Bakterienstämme. Nun könnte man natürlich fragen: was ist die Henne und was das Ei? Unterscheidet sich die Darmflora, weil die beiden Personengruppen sich unterschiedlich ernähren oder ist die Darmflora selber für das Übergewicht verantwortlich?
Dass es offensichtlich wirklich an den Keimen liegt, wenn wir schneller zunehmen, zeigen verschiedene Versuche. Überträgt man Mäusen die Darmkeime Übergewichtiger, nehmen sie rasch zu, mit den Darmkeimen schlanker Menschen bleiben die Nager schlank – und das bei gleichem Futter. Auch beim Menschen konnte man feststellen, dass schlanke Personen, die aufgrund einer Erkrankung eine Stuhltransplantation von einem Übergewichtigen erhielten, plötzlich rasant zunahmen und kaum Möglichkeiten hatten – trotz Sport und Diät – die Pfunde wieder zu verlieren.
Warum bestimmte Keime uns schneller Pfunde auf die Hüften packen, hat mehrere Gründe. Zum einen bestimmt die Zusammensetzung der Keime, wie viele Kalorien aus dem Essen in den Körper wandern. Eine „dicke Darmflora“ führt dem Körper Tag für Tag 150 bis 200 Kalorien mehr zu. Übers Jahr summiert sich das zu 10 Kilo zusätzlichem Gewicht, wenn wir nichts dagegen unternehmen.
Zum anderen können Darmzellen mit Hilfe der Darmkeime Hormone bilden. Je nach Zusammensetzung der Darmkeime werden mehr oder weniger sättigende Hormone ausgeschüttet. Studien haben zudem gezeigt, dass auch die Geschmacksnerven von den Bakterien beeinflusst werden können. Dadurch steuern die Darmkeime auch unseren Appetit auf bestimmte (ungesunde) Lebensmittel.
Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Darmflora des Menschen bereits bei der Geburt durch entsprechend prägende Mikroorganismen beimpft. Ist die Art der individuellen Verstoffwechslung dann bereits schon mit der Geburt vorbestimmt?
Ein paar Weichen werden schon bei der Geburt gestellt. Kinder, die auf natürlichem Weg geboren werden, haben zum Beispiel eine andere Darmflora als nach Kaiserschnittentbindungen. Doch auch andere Einflüsse in den ersten Lebensjahren wie Zahl der Geschwister, gestillt oder mit Fläschchennahrung ernährt, Haustiere und anderes mehr, beeinflussen die Zusammensetzung der Darmflora.
Nach dem aktuellen Wissensstand entwickelt sich die Darmflora in den ersten Lebensjahren und stabilisiert sich zwischen dem dritten bis fünften Lebensjahr. Dann gleicht sie schon sehr dem Mikrobiom des Erwachsenen. Wenn sich der Lebensstil in den nächsten Jahren nicht grundlegend ändert oder mehrere Antibiotikatherapien durchgeführt werden, bleibt die Zusammensetzung der Darmflora recht stabil.
- Abnehmen mit den richtigen Darmbakterien Teil 1
- Abnehmen mit den richtigen Darmbakterien Teil 2
- Abnehmen mit den richtigen Darmbakterien Teil 3
Wissenschaftler gehen davon aus, daß Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft besonders wenig essen, um schlank zu bleiben, oft ein Leben lang besonders schnell Fett im Körper speichern, um gegen zukünftige Hungerkrisen gestärkt zu sein. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Man bezeichnet dieses Phänomen als „fetale Programmierung“. Der Einfluss der Darmkeime ist hier meines Wissens noch nicht untersucht. Vielmehr spielen Anpassungsvorgänge im kindlichen Organismus eine Rolle die zu Veränderungen zum Beispiel im Zucker- und Fettstoffwechsel führen können. Diese Veränderungen bleiben oft lebenslang bestehen.
Allerdings gibt es auch Studien, die nicht nur auf die Mangelernährung im Mutterleib, sondern auch auf die Bedeutung von Überernährung im Mutterleib beziehungsweise direkt nach der Geburt als möglichen Trigger für späteres Übergewicht hinweisen.
Inwieweit spielen also grundsätzlich die Ernährungsgewohnheiten der Mutter während der Schwangerschaft eine prägende Rolle auf das eigene Essverhalten?
Aus Tierexperimenten ist bekannt, dass Appetit und späteres Essverhalten bereits im Mutterleib programmiert werden. Werden Hasenmütter in der Schwangerschaft mit bestimmtem (für Hasen eher ungewöhnlichem) Futter ernährt, bevorzugen das auch ihre Nachkommen.
Welche unterschiedlichen Stoffwechseltypen gibt es, die aus der individuellen Besiedelung des Darms resultieren?
Man kann anhand der Zusammensetzung der Darmkeime keine Stoffwechseltypen identifizieren. Zwei Personen können eine völlig unterschiedliche Darmflora haben und dennoch beide gesund und schlank sein. Man kann jedoch feststellen, dass Personen mit einer sehr eintönigen Darmflora ein größeres Risiko haben, übergewichtig oder krank zu werden. Daneben scheinen die Keime beziehungsweise Keimgruppen Bacteroidetes, Bifidobakterien und Akkermansia muciniphilia vor Übergewicht zu schützen.
Bestimmte Arten aus der Gruppe der Firmicutes (einige Milchsäurebakterien wie Lactobacillis acidophilus, Staphylokokken etc.) scheinen, wenn sie in großer Zahl im Darm vorkommen, hingegen Übergewicht zu fördern.
So kann man die Darmflora positiv beeinflussen
Wie ist es möglich, über die Ernährung Einfluss auf die Darmbakterien und den Verdauungstrakt und dadurch auf das Körpergewicht zu nehmen?
Wer eine abwechslungsreiche und gesunde Darmflora haben möchte, muss sich auch abwechslungsreich ernähren. Kommen jeden Tag nur Fertiggerichte auf den Tisch, dann vermehren sich nur bestimmte Keimgruppen im Darm, andere gehen zu Grunde, die Darmflora wird eintönig und das Risiko für Übergewicht steigt.
Daneben gibt es Nahrungsmittel, die präbiotische Inhaltsstoffe enthalten. Diese sollten regelmäßig auf den Tisch. Präbiotika sind für unseren Körper unverdauliche Ballaststoffe, die den Darmkeimen als Nahrung dienen und für ein gesundes Darmklima sorgen. Sie fördern die Vermehrung der gewünschten, schlank machenden Keime. Man könnte sie auch als Bakterienfutter
Gibt es spezifische Lebensmittel, die zu Übergewicht neigende Stoffwechseltypen generell meiden sollten?
Ja, Nahrungsmittel mit schnell verdaulichen Kohlenhydraten (Weißmehlprodukte, Süßigkeiten), da diese weit oben im Darm resorbiert werden und die Keime im Dickdarm nicht richtig ernährt werden. Außerdem sehr fettreiche Ernährung – auch das verändert die Darmflora in Richtung „dick“. Ungesunde Ernährung ist also doppelt problematisch: Zum einen liefert sie viele Kalorien, zum anderen fördert sie auch noch die Keime, die uns dicker werden lassen.
Was kann man konkret tun, um zu wissen, welche Art von Darmbakterien man hat?
Es besteht die Möglichkeit, in einem Labor eine Stuhlprobe untersuchen zu lassen. Das Kostet rund 100 Euro. Etwas günstiger ist es, wenn man nur den so genannten „Adipositas-Index“ also den „Übergewichts-Index“ überprüfen lässt. Hier wird geschaut, wie das Verhältnis von Bacteroidetes (schlanke Keime) zu Firmicutes (übergewichtsfördernde Keimgruppe) ist.
Wie sieht eine Darm-Diät aus, wie Sie sie vorschlagen?
Wenn man die Darmflora ändern möchte, muss man sein Essverhalten ändern. Um das Wachstum der günstigen Bakterien zu fördern und die Darmbarriere zu stärken, sollte man regelmäßig präbiotikareiche Nahrungsmittel essen. Präbiotika sind zum Beispiel enthalten in Haferflocken, Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Schwarzwurzel, Topinambur, Spargel etcetera. Kartoffeln, Reis und Nudeln enthalten, wenn sie nach dem Kochen abgekühlt sind, ebenfalls bestimmte Präbiotika. Kartoffel-, Reis- oder Nudelsalat sind also gute Alternativen.
Daneben kann man häufiger vergorene Lebensmittel wie Sauerkraut, Kefir oder Joghurt zu sich nehmen. Diese Nahrungsmittel liefern darmfreundliche Milchsäurebakterien. Um die Effekte zu verstärken, kann man noch ein so genanntes Synbiotikum einsetzen. Dieses enthält günstige Darmkeime (Milchsäurebakterien, Bifidobakterien) in hoher Konzentration sowie Präbiotika.
Da es leider bisher in meinen Augen kein wirklich geeignetes Produkt auf dem Markt gibt, das für die Unterstützung der Gewichtsreduktion geeignet ist, habe ich in diesem Jahr das Präparat „Madena Darmkur“ entwickelt. Es enthält ausschließlich Keime und präbiotisches „Bakterienfutter“, für die in Studien nachgewiesen werden konnte, dass sie das Abnehmen unterstützen.
Wir danken Ihnen für das Interview!