Die erste Begegnung mit einer so intensiven Yoga-Praxis wie dem Ashtanga Yoga kann einen wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen. So war es jedenfalls vor mehreren Jahren in meinem Fall und die Wirkung, die es bis heute auf mich hat, lässt mich immer wieder erneut staunen.
Grund für diese intensive und leidenschaftliche Beziehung ist für mich die Genialität dieses so einfachen und doch so schwierigen Systems, das einem so einiges an Disziplin, Demut, Zielgerichtetheit und Mitgefühl (für sich selbst) abverlangt.
Was ist Ashtanga Yoga?
Es vereint eine sehr herausfordernde körperliche Praxis mit Atemkonzentration und verbindet so Körper und Geist zu einer Meditation in Bewegung. Es ist ein System, das alle Facetten des menschlichen Wachstums beinhaltet und jeden einzelnen Aspekt für den Übenden bereit hält. Und dieser entscheidet letztendlich für sich selbst, welche er sich herauspickt. Erfahrungsgemäß sind es im Laufe der Jahre sowohl die körperlichen, als auch die geistigen und spirituellen Facetten, die sich für den Übenden zu einem Ganzen zusammenfügen.
Ashtanga Yoga wurde von Sri K Pattabhi Jois in Mysore, Süd-Indien, entwickelt und von ihm in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in den Westen gebracht. Es besteht aus sechs Serien mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad und wird traditionell an sechs Tagen der Woche in den Morgenstunden praktiziert.
Jede Serie setzt sich aus einer bestimmten Abfolge von einzelnen Postionen zusammen. Diese einzelnen Asanas werden über die Atmung miteinander verbunden, sodass ein dynamischer Flow entsteht, der sehr schweißtreibend ist und sowohl auf geistiger als auch körperlicher Ebene entgiftende Wirkung haben soll. Im besten Falle führt dies zu der erwähnten Meditation in Bewegung, die den Praktizierenden auf allen Ebenen gesund zu erhalten vermag.
Wieso sollte man Ashtanga Yoga praktizieren?
Es gibt für mich unzählige Gründe, Ashtanga Yoga zu praktizieren. Hier meine Top 6:
1. Ashtanga Yoga fördert die Kraftausdauer und die Gelenkigkeit zugleich
Ashtanga Yoga ist ein schweißtreibendenes Ganzkörper Work-out. Alles ist durch eine atemsynchrone Bewegunsgabfolge in einem ständigen Fluss. So werden zum Beispiel die einzelnen Sitzpositionen durch sogenannte Vinyasas miteinander verbunden. Eine Bewegungsabfolge, die zusätzlich Kraftaufbau und Beweglichkeit fördert.
2. Konzentration auf das, was gerade da ist
Die Aktivierung einer geräuschvollen Atemtechnik, die sogenannte Ujjai-Atmung, vereinfacht es den Übenden, sich auf die Atmung zu konzentrieren. Dies fördert das Körperbewusstsein und lässt uns wahrnehmen, was gerade im Moment bei uns und mit uns passiert. Die Sensiblität für unsere inneren und äußeren Befindlichkeiten steigt. Wir werden achtsamer.
3. Pure Selbstpraxis
Wer über die Jahre regelmäßig Ashtanga Yoga übt wird merken, dass es sich um eine wirkliche Selbstübung handelt. Der Lehrer ist wichtig und wenn er gut ist, lenkt und inspiriert er seine Schüler zum eigenen Wachstum. Ein großer Teil der Übung liegt aber im eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst. Man lernt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Schwächen und Stärken zu akzeptieren, an ihnen zu arbeiten und mit ihnen zu wachsen.
4. Übung in Geduld
Keine Frage: Ashtanga Yoga ist anspruchsvoll. Es erfordert Selbstdisziplin und Einsichtsfähigkeit in die eigenen Möglichkeiten. “Was kann ich? Was werde ich können? Wann werde ich es können?” sind Fragen, die immer wieder aufkommen werden. Wir lernen, die herausfordernden Übungen Schritt für Schritt, Übungsstunde für Übungstunde erneut anzugehen. Bis wir sie irgendwann können. Das kann dauern und wer ungeduldig ist, der wird spätestens von seinem Körper gebremst. Oder mit den Worten von Pattabhi Jois zusammengefasst “Practice, practice … and all is coming”.
5. Ashtanga ist ein Ego-Zerstörer
Wir werden einsehen müssen, dass wir manche Positionen nicht können und dass wir für manche Jahre brauchen werden, vielleicht schaffen wir einige nie, aber wir können es versuchen. Dafür müssen wir loslassen. Und zwar unsere Selbstkonzepte, unsere Vergleiche und Urteile … und einfach nur machen. Unser Ego wird dabei ausgebremst und wir erkennen, wie wir zuweilen an festen Selbstkonzepten hängen.
6. Ashtanga Yoga fördert das Selbstvertrauen
Es wird Positionen geben, die wir umgehen wollen, die wir nicht mögen. Ein guter Ashtanga Lehrer wird dies erkennen und wird zur Stelle sein, wenn wir da hingehen, wo wir nicht hinwollen. Wir begegnen uns und unseren Ängsten auf der Matte. Alleine dieses zu erkennen und zu akzeptieren ist großartig. Wenn wir sie dann noch im Laufe der Zeit bezwingen … Was gibt es Schöneres?
Ashtanga Yoga ist vielleicht nicht für jeden das richtige. Deswegen gibt es so viele Yoga-Arten. Jeder kann bei dieser Auswahl die für ihn passende Praxis finden. Aber es lohnt sich sicherlich, Ashtanga Yoga einmal auszuprobieren. Denn wenn es passt, wird es Dein Leben verändern.
Und Pattabhi Jois war immer überzeugt, dass jeder Ashtanga Yoga üben kann:
“Old people, stiff people, weak people, sick people, they can all take practice. But only lazy people can’t take practice.”
In diesem Sinne: Auf die Matte und probiert es aus!