Als sich Maria von Blumencron eines Tages vor einem Berg von Schulden, beruflichen Fehlschlägen und familiären Problemen wiederfand, beschloss sie, ihr Leben von Grund auf zu ändern. Sie kündigte ihre Lebensversicherung, verkaufte Bücher und High Heels und reiste mit ihrem letzten Geld auf unbestimmte Zeit ans Ende der Welt. Eine schicksalhafte Reise, auf der sie den Himmel statt der Wolken entdeckte, und auf wunderbare Menschen traf, die ihr Leben mit neuem Licht durchfluteten. Dort schrieb sie auch ihr aktuelles Buch Am Ende der Welt ist immer ein Anfang, ein berührendes Buch einer Grenzgängerin zwischen den Welten und ein Befreiungsroman für Frauen und Männer. evidero-Redakteurin Jutta Echterhoff hat die Autorin bei ihrer Lesung in Köln getroffen.
Liebe Maria, mit gut 50 Jahren fühlten Sie sich finanziell, beruflich und familiär gescheitert und haben allen Widerständen zum Trotz einen ganz eigenen Weg aus der Lebenskrise gefunden. Erzählen Sie uns kurz, wie es dazu kam und vor allem von Ihrem Weg!
Mein ‚Scheitern’ begann mit einem großen Spielfilmprojekt, das eigentlich die ‚Chance meines Lebens’ sein sollte. Ich hatte ein Drehbuch geschrieben, das sämtliche Fördergremien begeistert hatte. Doch plötzlich stand ich vor einem riesigen Filmteam – ohne mit der nötigen Erfahrung und Führungsqualitäten gerüstet zu sein.
Und so hat das Meisterwerk in meinem Kopf nicht den Weg auf die Leinwand gefunden. Danach war ich als Künstlerin lange zutiefst verunsichert und vertraute mich schließlich einem Mann an, von dem ich mir Sicherheit erhoffte … und genau das war schließlich mein Untergang.
Ein Jahr später stand ich vor einem riesigen Berg Schulden und konnte die Fixkosten meines Lebens nicht mehr bezahlen. Zwar habe ich meine Schulden tapfer abgearbeitet – ging aber über mehrere Monate jeden Abend hungrig ins Bett. Das muss man mal hinkriegen in Deutschland!
Sie sehen schon: Ich kenne mich mit Geld und all diesen Dingen nicht aus. Immerhin trat ich den Weg zu einem Insolvenzberater an, von dem es hieß, er hätte ungewöhnliche Beratungsmethoden. Tatsächlich: Er pendelte mit einem Öko-Tensor aus, wie ich am besten wieder zu Geld kommen würde … bei dem Begriff ‚neues Buch’, schlug der Tensor am stärksten aus.
Doch um ein Buch zu schreiben, braucht man Zeit, Geld im Rücken und etwas Sitzfleisch am Hintern, und ich war mittlerweile auf 47 Kilo herunter gehungert. Der Winter stand vor der Türe. Ich habe mir von meinem letzten Geld ein Ticket nach Indien gekauft. Dort sind die Winter wärmer, das Essen ist billiger, und es laufen zum Glück auch ein paar mehr Erleuchtete rum.
In Deutschland lief ich nämlich beruflich nur noch gegen verschlossene Türen. Und der Gang zum Sozialamt endete in einem Desaster. Und so wurde ich quasi zum ersten deutschen Wirtschaftsflüchtling meiner Generation. Paradoxerweise ging ich nach Indien, kurz nachdem ich meine sechs tibetischen Patenkinder für eine sicherere und bessere Zukunft von Indien nach Deutschland geholt hatte. Für Flüchtlinge gibt es Versorgungsstrukturen in diesem Land. Aber für einen Freak wie mich leider nicht.
Wenige Tage vor meinem Abflug überwies mir ein Veranstalter für Lesungen aus Österreich 3.000 Euro für meine Auszeit. Für deinen ‚Bestseller’ stand im Betreff. So konnte ich während meiner selbst verordneten Auszeit nach 25 harten Arbeitsjahren wenigstens meinen Sohn finanziell unterstützen, der bei seinem Vater geblieben war.
In Goa stellte ich dann schnell fest, dass das Essen doch nicht so billig war, wie noch bei meiner ersten Indienreise vor dreißig Jahren. Also habe ich schnell einen Massagekurs gemacht, um mir neben meiner schriftstellerischen Arbeit noch Geld dazuverdienen zu können.
Sie ist Mutter eines Sohnes und Patenmutter von sechs jungen Tibeterinnen, deren Flucht über den Himalaya sie vor vielen Jahren für das ZDF filmte. Die gebürtige Wienerin leitet spirituelle Reisen und ist als moderne Nomadin zwischen den Welten vorwiegend in Frankreich, Indien und Köln zu finden.
In Ihrem Buch gehen Sie immer wieder den Fragen nach: Wer bin ich eigentlich? Und was mache ich hier? Haben Sie auf Ihrer Reise nach Indien eine Antwort gefunden?
Alles verloren zu haben, entpuppte sich letztlich als Chance. Ich stand da mit meinem alten Laptop in Goa am Strand und fühlte mich plötzlich frei. Als wäre ich wieder achtzehn. Und als läge mein Leben wieder verheißungsvoll wie ein leeres Buch vor mir. Ich hatte ja nicht nur mein Auto, meine Bücher und meine Lebensversicherung verloren, sondern auch meine ‚Identität’ – also all das, was man alles auf seine Visitenkarte drauf schreibt.
Meine Visitenkarten-Identität löste sich im Anblick der Weite des arabischen Meeres auf. Die ersten Tage lag ich nur im warmen Wasser, versank in der Betrachtung des Himmels und begriff, dass ich mich ein halbes Jahrhundert vorwiegend mit den Wolken dort oben identifiziert hatte, anstatt der Himmel zu sein. Unten war oben, und oben war unten. Alles war Eins, alles um mich herum war göttlich, sogar der Müll am Strand erschien mir plötzlich erhaben und schön. Ich habe in Deutschland alles verloren, um in Indien das innere Strahlen der Welt wieder zu finden.
Sie sind in Indien auf Menschen getroffen, die Sie geprägt haben. Was waren die intensivsten Momente?
Eines Tages hörte ich von ‚Mario’ – einem hellsichtigen Zigeunermusiker, der Lebensbäume zeichnet, um darin die Bestimmung der Menschen zu lesen. Warum bin ich in diese Welt gekommen? Was soll ich hier? Was ist meine Berufung? … Ich war wirklich reif für all diese Fragen. Mario half mir, wieder in Kontakt mit meiner Seele zu treten, jener feinen inneren Stimme, die uns dahin führt, wo das Leben leicht und zauberhaft wird. Und wo die Freude über die Pflicht und die Liebe über die Angst siegt.
Mario war mein erster spiritueller Lehrer. Er hat mir beigebracht, in den Lebensbäumen der Menschen zu lesen. Doch nach einigen Wochen forderte er mich auf, weiterzugehen: Nach Rishikesh an den Ganges, wo die großen Erwachungslehrer unserer Zeit Suchende aus aller Welt in ihre erleuchtete Gegenwart ziehen.
Der Meister, der mich am tiefsten berührte und prägte ist Sri Mooji, ein jamaikanischer Advaita-Meister, zu dem Tausende von Menschen aus aller Welt gekommen waren. Ich fühlte mich 2.000 Jahre zurückversetzt. Als wäre ich mitten in der Bergpredigt gelandet. Mooji ist für mich die vollkommene Verkörperung von Liebe, Licht und unendlicher Weite.
Ich wollte nur noch in ihn ‚hineinspringen’ wie in den Ganges, ohne auch nur eine Zehe oder eine Haarlocke am Ufer zurück zu lassen. Ich glaube, ich bin tatsächlich gesprungen … und in meinem inneren Himmelreich gelandet. Das ist vielleicht keine besondere Erfolgsstory, denn ich leide noch immer unter chronischem Geldmangel. Aber es ängstigt mich nicht.
Wer Gott sucht, für den ist gesorgt. Am letzten Abend meiner Indienreise lernte ich einen französischen Heiler kennen. Er hat mich mit nach Frankreich und schließlich nach Brasilien genommen 🙂 Meine Lebensreise geht weiter …
“Am Ende der Welt ist immer ein Anfang” – Trailer
In Ihrem Buch sind Leiden, Glück und Zufall immer wieder eng miteinander verknüpft. Glauben sie an eine göttliche Fügung?
Gott ist in allem, was uns begegnet. Und so ist immer alles göttlich gefügt. Das Problem ist nur, dass wir Menschen oft denken, wir täten den besseren Job. Ich hoffe, ich habe gelernt, alles zu so anzunehmen, wie es ist – statt mein Leben immer anders haben zu wollen, als es sich in dem Moment präsentiert.
Wir bekommen das, was unsere Seele braucht, um zu wachsen. Ich habe offenbar einen ‚Total-Crash’ gebraucht, um endlich den Mut zu haben, meinem inneren Licht statt dem Licht der Scheinwerfer zu folgen. Und ich glaube an die ‚Mechanik der Wunder’. Wenn wir Eins sind mit den Gesetzen des Lebens, dann öffnet sich der Raum, in dem jeden Tag kleine und große Wunder geschehen.
“Das Zeitalter des Verstandes hat ausgedient. Wir werden die planetaren Herausforderungen unserer Zeit nicht mit der Enge unseres menschlichen Verstandes lösen können. Ein Quantensprung des Bewusstseins steht an. Es ist vielleicht die weiteste Völkerwanderung der Menschheitsgeschichte. Denn sie führt vom Verstand in unser Herz. Frauen scheinen da von Natur aus den besseren Kompass zu haben.” Maria v.B.
Sie thematisieren in Ihrem Buch immer wieder die Unterdrückung der Frau, angefangen mit Maria Magdalena. „Statt Erleuchtung durch Hingabe, lautet die Botschaft für Frauen heute Rettung durch Reue“, schreiben Sie. Mögen Sie uns diesen Satz etwas näher erläutern?
Maria Magdalena ist ein typischer Missbrauchsfall männlicher Geschichtsschreibung. Aus der engsten Jüngerin Jesu und der wichtigsten Osterzeugin wurde im Laufe der Geschichte die ‚bekehrte Prostituierte’, die Jesu Füße mit jenem Öl salbt, das sie einst zur Pflege ihres sündigen Leibes benutzte. Aus der ersten Apostelin des Christentums, der verständigsten Schülerin ihres Meisters, wurde ein Pin-Up-Girl der Kirchenkunst.
Und so waren die einzigen weiblichen Vorbilder, welche die Kirche uns Frauen seit dem frühen Mittelalter anbot, eine leidende Jungfrau, eine reuige Sünderin und eine Armee heldenhafter Märtyrerinnen. Das hat in unserem kollektiven Bewusstsein Spuren hinterlassen – egal, ob man heute Kirchensteuer bezahlt oder nicht.
In meiner Dokumentation ‚Jesus und die verschwundenen Frauen’ habe ich versucht, Maria Magdalena von all ihren Übermalungen zu befreien, wie eine Restaurateurin alle Schichten der Fehlinterpretationen von ihr abzukratzen und zu schauen, was am Ende bleibt.
Auch hier wieder die Frage: Wer sind wir, wenn alle Identitäten und Übermalungen weg brechen? In der ‚Pistis Sophia’, einem alten gnostischen, von der Kirche verbannten Text, wird Maria Magdalena von Jesus die ‚Erleuchtete’ genannt. Die ‚Lichtreine’, die ‚Erleuchterin’.
Auch wird in den apokryphen Evangelien auf ihre besondere Hingabe an den Weg der Erleuchtung hingewiesen. Ich finde die Lebensbiographie einer ‚erleuchteten Meisterin’ spannender als die tränenreiche Geschichte der ‚reuigen Sünderin’.
Unser evidero Thema heißt weiblich SEIN. Was bedeutet es für Sie, weiblich zu SEIN?
Ich habe Zeit meines Lebens wie ein Junge und später wie ein Mann ums Überleben gekämpft. Das hat mich bis in die eisigen Höhen des Himalaya gebracht und meiner Biographie etliche Filmpreise. Aber all das ist nichts im Vergleich dazu, die Waffen nieder zu legen und auf ‚Empfang’ zu gehen.
Wir Frauen sind doch das ‚empfangende’ Geschlecht. Es fällt uns leichter, in den Fluss des immerwährenden himmlischen Segens zu stellen. Das Zeitalter des Verstandes hat ausgedient. Wir werden die planetaren Herausforderungen unserer Zeit nicht mit der Enge unseres menschlichen Verstandes lösen können. Ein Quantensprung des Bewusstseins steht an. Es ist vielleicht die weiteste Völkerwanderung der Menschheitsgeschichte. Denn sie führt vom Verstand in unser Herz. Frauen scheinen da von Natur aus den besseren Kompass zu haben.
Im Rückblick, was war die wichtigste Erkenntnis Ihrer Reise zu sich selbst? Und was raten Sie anderen Frauen?
Ich rate jedem Menschen, statt Rundfunkgebühren zu zahlen, in der Gegenwart eines erleuchteten Meisters zu ‚baden’. Zumindest auf Zeit. Denn das Himmelreich, das uns Jesus schon vor 2.000 Jahren prophezeit hat, ist ein erwachter Geisteszustand. Und dafür ist es nötig, auch mal das Aquarium zu wechseln und in einem klaren, von Licht und Liebe durchfluteten Wasser statt im eigenen Gedankenmüll weiter zu schwimmen.
Vielen lieben Dank für das inspirierende Interview!
Das Buch ist auch als Hörbuch erhältlich.