Algen sind nicht nur ein Trend. Sie sind und waren schon immer ein wichtiger Bestandteil im Lebenskreislauf der Meere. Asiaten wissen es schon längst, wir entdecken es jetzt erst: Das riesige Potenzial der Superpflanzen Algen. Sie sind nahrhaft und gesund, dabei vielfältig und abwechslungsreich einsetzbar und sehr schmackhaft. Kirstin Knufmann und Jörg Ullmann haben ein Buch über die ressourcenschonende Algenküche geschrieben: “ALGEN”. Das schön gestaltete Buch ist sehr aufschlussreich und voller toller Rezepte.
Das Interview führt Annette Coumont
Algen übernehmen einen großen Teil unserer Sauerstoffversorgung, sie sollen enorm gesund sein. Und darüber hinaus haben sie als “Lebensmittel der Zukunft” im Anbetracht der drohenden Ernährungskrise auch noch Weltretter-Potenzial. Daher eine Frage gleich zu Anfang: schmecken Algen?
Algen sind tatsächlich aus ganz verschiedenen Gründen stark im Kommen, der kulinarische Aspekt ist natürlich nur einer davon, aber ein sehr angenehmer. Wie bei anderen Lebensmitteln kommt es natürlich ganz auf die Algen-Art und deren Zubereitung an, ob und wie sie schmeckt.
Es gibt Algen, die geschmacklich an Sauerampfer erinnern oder an Speck oder welche, die einen starken Umami-Geschmack haben oder eben jene, die typisch nach Alge schmecken. Algen können unseren Speiseplan extrem bereichern, die Vielfalt und die Möglichkeiten sind einzigartig.
Welche Algen kann man essen?
Algen werden bis dato überwiegend in japanischen Restaurants in Form von Salat oder als Superfood in pulverisierter Form angeboten. Wie können wir uns schmackhafte Gerichte mit Algen vorstellen?
Die beliebteste Form, Algen in unseren Breiten zu verzehren, ist sicherlich die in Form von Sushi. Aber schauen Sie in die Supermarktregale. Dort zeigt sich, in welcher Form Algen auf dem Vormarsch sind: in Riegeln, Smoothies, Limonaden, Crackern, Nudeln…
Zuhause lassen sich sehr einfach schmackhafte Suppen oder Salate zaubern. Auch als Würzmittel sind Algen super: Zum Beispiel einfach etwas Dulse und Senf auf eine Auberginen-Scheibe geben, anbraten und als Burger-Pattie verwenden, das schmeckt richtig schön deftig lecker. Algen passen auch hervorragend zu Hülsenfrüchten. Wichtig ist, es einfach mal auszuprobieren. Der eigenen Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.
In Ihrem Buch geben Sie mit einem Algenportrait aufschlussreich Übersicht über Mikro- und Makro-Algen. Welche Formen von Algen eignen sich besonders für die leckere Algenküche?
Es gibt ein paar „Einsteiger-Algen“, die einfach zu verarbeiten sind und die für die meisten einen angenehmen Geschmack haben. Dazu zählen sicher die Dulse, die Meeresspaghetti, der Meeressalat oder auch Nori und Wakame. Das sind alles Makroalgen. Für Smoothies bieten sich vor allem Chlorella und Spirulina an. Einfach einen Teelöffel davon zugeben, mixen und fertig. Bei diesen Mikroalgen geht es aber eher meist um positive Effekte auf unsere Gesundheit.
Welche Algen können wir wo am besten beziehen?
Es gibt eine wachsende Zahl von Anbietern, von denen man Algen beziehen kann. Die meisten Algen bekommt man mittlerweile glücklicherweise aus europäischen Quellen, lange Transportwege entfallen somit. Fragen Sie also nach dem Herkunftsland, falls es nicht angegeben ist. Bei Makroalgen sollte zudem chargenbezogen auch der Jodgehalt angegeben sein. Makroalgen bekommt man fast immer getrocknet. Sie lassen sich problemlos rehydrieren und weiterverarbeiten. Die Mikroalgen gibt’s getrocknet und werden auch in dieser Form verarbeitet.
Was macht Algen so gesund?
Es heißt, die hundertjährigen Menschen in Okinawa essen täglich bis zu 200 Gramm Algen. Warum sind Algen Heil- und Lebensmittel und so besonders gesund für unseren Körper?
Algen wurden schon vor 14.000 Jahren als Heil- und Lebensmittel verwendet, wie neuere archäologische Untersuchungen zeigten. Das ist der älteste Nachweis überhaupt. Algen enthalten ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen. Zu diesen zählen zum Beispiel bestimmte Vitamine, Ballaststoffe, Fettsäuren, Proteine, Carotinoide und eine ganze Reihe an biologisch aktiven Substanzen, wie Immunmodulatoren (stärken das Immunsystem), Antioxidantien, antibiotisch wirksame Substanzen und und und… Ein Blick in die Fachliteratur genügt, um zu sehen wie weit das Feld ist.
Sind Algen in besonderem Maße für eine vegetarische und vegane Ernährung geeignet? – Können sie wichtige Inhaltsstoffe, die sonst nur in Fleisch- und Milchprodukten enthalten sind ersetzen?
Algen sind generell für alles geeignet. Einige Algen sind allerdings besonders für Veganer interessant. So gibt es zum Beispiel eine speziell fermentierte Chlorella, mit der ich Butter und Ei in Backwaren ersetzen oder eine Pflanzen-“milch“ herstellen kann. Eine andere Chlorella enthält sehr viel vitaminwirksames Cobalamin, also Vitamin B12, mehr sogar als in tierischen Lebensmitteln enthalten ist. Einige Algen enthalten sehr viel Protein oder Eisen und Jod.
Im Jahr 2050 werden vermutlich 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben, unser Konsum- und Ernährungsverhalten wird sich ändern. Warum werden Algen in diesem Zusammenhang als “Lebensmittel der Zukunft” gesehen?
Die landwirtschaftlichen Nutzflächen bleiben seit ca 20 Jahren gleich groß, Tendenz fallend. Bei einer wachsenden Bevölkerungszahl steht pro Kopf also immer weniger Ackerland zur Lebensmittelproduktion zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist es, über unseren Tellerrand ins Wasser zu schauen, um dort Nahrungsmittel wie eben Algen anzubauen.
Der Gedanke liegt nah, wenn man bedenkt, dass der Großteil, nämlich ca 70 Prozent, der Erdoberfläche von Wasser bedeckt ist. Zudem wachsen Algen 10 bis 30 Mal schneller als Landpflanzen und enthalten alle wichtigen Nährstoffe.
Welche Funktion haben Algen bisher im Kreislauf der Nahrungskette und welche wird ihnen voraussichtlich zukommen?
Schon heute stecken schätzungsweise in 70 Prozent aller Lebensmittel weltweit „Algen“, allerdings meist in Form von Extrakten wie Agar-Agar, Carrageen oder Alginaten. Diese dienen funktionell als Gelier- und Verdickungsmittel, als Emulgatoren oder Stabilisatoren.
Es gibt natürliche Farbstoffe aus Algen, die blaue Schokolinsen oder Gummibärchen färben und viele andere Anwendungen in Lebensmitteln. Der Einsatz von Algen kann aber auch den Salzgehalt in Lebensmitteln senken, deren Kaloriengehalt reduzieren oder Lebensmittel gezielt mit Nährstoffen anreichern und das ohne auf Geschmack verzichten zu müssen. Algen dienen mehr und mehr als alternative Quelle für mehrfach ungesättigte Fettsäuren oder auch Proteine, ein Feld, welches gegenwärtig auch stark beforscht wird.
Und: Algen werden natürlich in unverarbeiteter Form viel häufiger auf unseren Tellern landen, eben wegen des Geschmacks oder der positiven Auswirkungen auf unsere Gesundheit.
Algen wachsen im Meer. Wie können wir beim Verzehr Verunreinigungen oder Schwermetallbelastungen, wie diese bereits bei Fischen festzustellen sind, ausschließen?
Algen können bestimmte Schadstoffe, wie Schwermetalle, tatsächlich anreichern. Deshalb ist es wichtig sich zu informieren, wo und wie die einzelne Alge angebaut wurde. Zudem sollten die Produkte auf bestimmte Schadstoffe hin analysiert worden sein. Transparenz ist hier ein wichtiges Thema.
Können Sie unseren Lesern einen Tipp geben, wie sie am besten in die Algenküche einsteigen können – Vielleicht ein spezielles schmackhaftes Einsteiger Rezept?
Als Einsteiger-Rezept bietet sich vielleicht ein Klassiker wie der Wakame-Salat oder Sushi an. Die gemeinsame Zubereitung von Sushi in größerer Runde macht viel Spaß, man kann seine Kreativität ausleben (unglaublich, was für Kunstwerke dabei herauskommen können wenn man einmal „in Fahrt ist“) und es schmeckt allen.
Unser aktueller Favorit ist der Auberginen-Dulse-Burger. Der ist schnell zubereitet und geschmacklich einfach sensationell. Ebenso einfach lassen sich wunderbar grüne Smoothies mit Chlorella zaubern, eisgekühlt gerade an heißen Tagen absolut lecker und gesund.
Vielen Dank für das Interview!
Zutaten (für 4 Personen)
- 2 Tomaten
- 4 saure Gurken
- 2 große Salatblätter
- 1 Avocado
- 4 Dinkelbrötchen
- 12 TL Senf
- 4 TL Ketchup
- 1 große Zwiebel
- 5 EL Sonnenblumenöl
- 6 Champignons
- Pfeffer & Salz
- 1 mittelgroße Aubergine
- 4 TL Dulse-Flocken
Zubereitung:
- Die Tomaten waschen und abtropfen lassen. Jeweils den Strunk entfernen und quer in dünne Scheiben schneiden. Die sauren Gurken längs in vier dünne Scheiben schneiden. Salatblätter zerteilen, waschen und trocknen. Die Avocado längs halbieren, entkernen und in der Schale in dünne Scheiben schneiden. Danach das Fruchtfleisch vorsichtig aus der Schale lösen. Die Brötchen aufschneiden, die untere Hälfte mit 1 TL Senf und die obere mit 1 TL Ketchup bestreichen.
- Zwiebel schälen, halbieren und in dünne Scheiben schneiden. Champignons säubern und in dünne Scheiben schneiden. Die Zwiebelscheiben in 1 EL heißem Sonnenblumenöl anbraten. Nach 3 Minuten die Pilze dazugeben und weitere 3 Minuten braten. Mit Salz und Pfeffer nach Belieben würzen.
- Aubergine waschen, trocknen und schräg in 4-5mm dicke Scheiben schneiden. 4 EL Sonnenblumenöl in einer Pfanne erhitzen, die Scheiben beidseitig leicht salzen und von beiden Seiten insgesamt 5 Minuten braten. Danach die obere Seite in der Pfanne dünn mit 1 TL Senf bestreichen und die Hälfte der Dulse-Flocken darüberstreuen. Die Scheiben wenden und auch diese Seite mit Senf bestreichen und die Dulse-Flocken darüberstreuen. Beide Seiten ca. 2 Minuten braten, bis die Oberfläche eine schöne goldgelbe bis bronzene Färbung aufweist. Nicht zu lange braten, damit Dulse und Senf nicht verbrennen!
- Den Burger wie folgt belegen: 3 Avocadoscheiben, 1 Salatblatt, 2 Auberginenscheiben, 1/4 Pilz-Zwiebel-Gemisch, 2 Tomatenscheiben, 4 Gurkenscheiben. Zu den Burgern passen gut Ofenkartoffeln.